Frage an Karl-Georg Wellmann von Martin Dr. S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wellmann!
Sind Sie der Ansicht, daß das nach Griechenland geflossene Geld von Griechenland zurückgezahlt werden kann?
Im Rahmen der sog. Rettungspolitik sind Griechenland bislang 210 Mrd Euro ausgezahlt worden, davon rund ein Drittel, nämlich 73 Mrd Euro, von der Bundesrepublik Deutschland. Überdies sind im März 2012 Griechenland in einem Schuldenschnitt 107 Mrd Euro Staatsschulden erlassen worden. Dennoch haben sich die griechischen Schulden kaum verringert, 2011 lagen sie bei 355 Mrd Euro, 2013 sind es 322 Mrd Euro. Die griechische Schuldenquote ist sogar von 170% auf 175% des BIPs gestiegen. (Derartige Zahlen finden Sie bei AMECO, hier insbesondere Kategorie 18, Gross Public Debt). Grund hierfür ist der starke Rückgang des BIPs, der durch die Strukturanpassungsauflagen der Troika erzeugt wird.
Beim Schuldenschnitt 2012 haben sich Banken, Versicherungen, Hedge-Fonds und andere Kapitalgeber nur zum Forderungsverzicht bereiterklärt, weil die Regierungen der Euro-Zone Garantien für die verbleibenden Staatsanleihen in ihrem Besitz gegeben haben. (Dies geschah über den ersten Rettungsfonds EFSF. . Die anderen Hilfen für Griechenland sind über die EU, die Eurostaaten und den IWF finanziert worden.) Jedenfalls wurde durch drei Jahre Rettungspolitik praktisch das gesamte Risiko der griechischen Staatsschuld von den ursprünglichen Privatinvestoren auf die europäischen Steuerzahler abgewälzt.
Sie schreiben, angeblich sei kein Cent aus dem Bundeshaushalt geflossen, - das mag formal stimmen. wenn für die Zahlungen an Griechenland Kredite benutzt wurden, die extra für diesen Zweck aufgenommen wurden. Neue Staatsschulden entstehen formal erst, wenn der Forderungen (an Griechenland bei einem Schuldenschnitt) abgeschrieben werden müssen.
Aber jeder vorsichtige Kaufmann muss für erwartete uneinbringliche Forderungen (so oder so) Rückstellungen bilden. Diese sind m.E. im Bundeshauhalt nicht zu finden. Hierin liegt die Budget-Lüge.
Dr. Martin Schlobies
Sehr geehrter Herr Dr. Schlobies,
Sie kritisieren, dass im Bundeshaushalt keine finanzielle Vorsorge für Ausfälle im Rahmen der Euro-Rettung gebildet werde und nennen das „Budget-Lüge“. Dem möchte ich deutlich widersprechen. Der Aufbau einer Rücklage - also eines Vermögensstocks - wäre in der jetzigen Situation nicht wirtschaftlich, da die Bildung von Rückstellungen bei der aktuellen Finanzlage des Bundes kreditfinanziert wären und entsprechende zusätzliche Zinslasten zu tragen wären. Sogar verfassungsrechtliche Bedenken wären nicht auszuschließen. So hat der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen in einer Entscheidung vom 15. März 2011 ausgeführt, dass Zuführungen an das Sondervermögen „Risikoabschirmung WestLB AG“ mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot nicht vereinbar seien, wenn es keine bindende gesetzliche Pflicht hierfür gebe und das Sondervermögen keinen konkreten Finanzbedarf aus erwarteten Zahlungsverpflichtungen habe. Ähnlich beurteile ich die Lage bei der Euro-Rettung. Selbst das Bundeverfassungsgericht hat der Bundesregierung bescheinigt, dass es die Garantien im Rahmen der Rettungsschirme vergeben durfte und diese nicht der Budgethoheit des Parlaments widersprechen. Insgesamt erscheint es aus meiner Sicht sinnvoller, die nach der Schuldenregel zulässige NKA nicht ohne Not auszuschöpfen und so Handlungsspielräume auch für unvorhergesehene Haushaltsbelastungen offen zu halten.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann