Frage an Karl-Georg Wellmann von Michael G. bezüglich Innere Sicherheit
Sehr geehrter Herr Wellmann,
mich beunruhigt das Verhalten unserer Regierung, namentlich das von Frau Merkel und Herrn Pofalla in der Affäre um die Ausspähung deutscher (und anderer) Bürger durch Geheimdienste der USA (NSA) und Großbritanniens (GCHQ). Selbst wenn noch nicht alle Einzelheiten dieses Vorgehens bereits aufgedeckt sind, schält sich immer mehr heraus, dass Herr Pofalla permanent die Wahrheit verdreht (nur eine euphemistische Formulierung) und die Bevölkerung bewusst belügt. Da Frau Merkel dies duldet, ist sie damit ganz offensichtlich einverstanden. Ausflüchte gelten nicht mehr; es gibt noch(!) genügend mutige Medien, die sich dieser Problematik ernsthaft annehmen.
Daher meine Fragen an sie:
- Haben sie sich selbst mit dieser Problematik beschäftigt?
- Wie stehen sie dazu, dass in großem Maße deutsche Bürger durch ausländische (USA und Großbritannien - befreundete und verbündete Länder ?) und möglicher- weise auch einheimische Dienste rechtswidrig ausgespäht und abgehört werden (Echelon, PRISM, Tempora, XKeyscore)?
- Wie sehen sie die Problematik, dass Frau Merkel und Herr Pofalla scheinbar oder tatsächlich unser Grundgesetz und ihren Amtseid nicht wirklich ernst nehmen und die Verantwortung lieber irgendwo in die Vergangenheit verlagern?
- Wie schätzen sie es ein, dass die Opposition (SPD, Grüne) auch keine quali- fizierten Standpunkte zur Abhöraffäre einnehmen?
- Ist ihnen bekannt, welche Terroranschläge in Deutschland oder anderswo durch das Abhören und Ausspähen deutscher Bürger vereitelt wurden (das Ding mit den ferngesteuerten Modellflugzeugen ist bereits als Ente entlarvt)?
Und eine Frage zu einem anderen Thema:
- Wie stehen sie dazu, dass im jetzigen Bundestag Beschlüsse gefasst wurden, obwohl deutlich weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend waren?
Vielen Dank im Voraus für ihre engagierten Antworten
Michael Gericke
Sehr geehrter Herr Gericke,
danke für Ihre Anfrage vom 20. August. Fest steht: nach den Anschlägen des 11. September 2001 war es die rot-grüne Bundesregierung, die den Vereinigten Staaten unsere „uneingeschränkte Solidarität“ zusicherte, wie es der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder am Tag danach verkündete. Diese Zusammenarbeit ist seit langem bekannt, sie ist richtig und auch nach Auffassung von Rot-Grün unverzichtbar. Wir verdanken einen großen Teil unserer Sicherheit in Deutschland nicht zuletzt dieser Zusammenarbeit.
Dass die Nutzung des Internets vielfältige Möglichkeiten der Ausspähung bietet, ist nicht neu. Vielleicht waren einige von uns zu leichtfertig, dieses Risiko nicht in vollem Umfang wahrgenommen zu haben. Vielleicht waren einige von uns auch zu naiv, die Möglichkeit einer Ausspähung von bestimmter Seite nicht zu erwarten. Was uns allerdings sicherlich überrascht hat, ist das vorgeworfene Ausmaß der Datenerfassung.
Selbstverständlich gilt in Deutschland unser Recht. Man muss aber wissen, dass im Zeitalter des Internets der Geltungsbereich unserer Gesetze letztlich begrenzt ist. In dem Moment, wo wir unsere Daten über das Internet senden, verlassen diese oftmals, ohne dass wir es überhaupt bemerken, unser Staatsgebiet. Für die Nutzung der populären ausländischen und insbesondere amerikanischen Dienste gilt dies ohnehin.
Die Bundesregierung setzt sich zu Recht für europäische und internationale Datenschutzstandards ein. Die anstehende Novellierung des Europäischen Datenschutzrechts bietet kurzfristig die Chance, zu Verbesserungen zu kommen. Die Schaffung internationaler Abkommen wird einige Zeit in Anspruch nehmen, ebenso wie die bereits laufenden Verhandlungen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten über ein Datenschutzabkommen im Sicherheitsbereich. Aber auch hier sollten wir realistisch bleiben, denn viele Staaten werden darauf dringen, den Bereich der Nachrichtendienste, der ihre Souveränität im Kern betrifft, auszunehmen – wie überhaupt unser umfassendes Verständnis von Datenschutz noch nicht einmal überall in Europa, geschweige denn in der Welt geteilt werden wird.
Letztlich werden wir daher nicht umhin kommen, Maßnahmen des technischen Selbstschutzes zu ergreifen. Ohne eine vertrauenswürdige „IT-Sicherheit - Made in Germany“ werden wir, der Staat und unsere Wirtschaft nicht in der Lage sein, uns wirkungsvoll gegen Ausspähung durch wen auch immer zu schützen.
Was die An- bzw. Abwesenheit von Abgeordneten im Plenum betrifft: Der Deutsche Bundestag ist ein Arbeitsparlament, aufgeteilt in Fachausschüsse. Hier geschieht die eigentlich Arbeit der Abgeordneten. Wenn bei Abstimmungen zu speziellen Themen nicht alle Abgeordneten anwesend sind, so meistens deshalb, weil sie ihre jeweiligen Experten aus den Fraktionen in der Abstimmung wissen und selbst in einem anderen Thema arbeiten. Im Übrigen regelt die Geschäftsordnung des Parlamentes die Frage, bis zu welcher Zahl von anwesenden Abgeordneten der Deutsche Bundestag beschlußfähig ist.
Sollten Sie weitere Fragen haben, rufen Sie mich gerne in meinem Büro an oder vereinbaren Sie einen Termin.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann