Frage an Karl-Georg Wellmann von Jürgen N. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Wellmann
Ich beziehe auf einen Beitrag, den ich unter der Url
http://www.finanz-forum.de/neubewertung_stille_reserven_lebensversicherungen_t10436.html
gefunden habe.
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Reduzierter Inhalt dieser Url:
Neubewertung "stille Reserven" bei Lebensversicherungen
Am 08.11.2012 wurde im Bundestag eine Gesetzesänderung im kleinen Kreis “durchgewunken”, aufgrund derer Millionen von Lebensversicherten ab dem 21.12.2012 (im Milliardenbereich) benachteiligt werden sollen/können. Hierbei geht es um die sog. Bewertungsreserven (stille Reserven), die die Lebensversicherer aufgrund einer Änderung des § 56 VAG (Versicherungsaufsichtsgesetz) künftig nur noch begrenzt oder gar nicht mehr ausbezahlen müssen. Die derzeitige Bundesregierung ist hierbei vollumfänglich einer Forderung der Versicherungswirtschaft nachgekommen, die schon seit der Verbraucherentscheidung des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahr 2005 (1 BvR 80/95 vom 26.07.2005) seitens der Versicherer immer wieder an die Politik herangetragen wurde. Die Abstimmung im Bundestag erfolgte lt. Monitor am 08.11.2012 kurz vor 22 Uhr – ohne Debatte – durch eine Handvoll Abgeordneter.
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Meine Frage:
Wie haben Sie abgestimmt, wie stehen Sie persönlich zu dieser Neubewertung der "stille Reserven" bei Lebensversicherungen?
MfG
Jürgen Nowack
Sehr geehrter Herr Nowack,
vielen Dank für Ihre Frage vom 06.12.2012. Der Auszahlungsbetrag eines Lebensversicherungsvertrages setzt sich regelmäßig aus drei Elementen zusammen:
1. die bei Vertragsabschluss garantierte Leistung
2. die Überschussbeteiligung einschließlich des erst zum Vertragsende feststehenden Anteils am Schlussgewinn
3. die Beteiligung an den so genannten Bewertungsreserven.
Nur bei den Bewertungsreserven (3.) soll sich durch die Neuregelung etwas ändern: Nach der Neuregelung kann die Beteiligung der ausscheidenden Versicherten an den Bewertungsreserven in einem bestimmten Fall gekürzt werden. Dieser Fall tritt ein, wenn die Marktzinsen zu niedrig sind. Dann besteht die Gefahr, dass das Versicherungsunternehmen nicht mehr genügend Erträge erzielen kann, um den verbleibenden Versicherten die ihnen bei Auslaufen ihrer Verträge zustehende garantierte Leistung und Überschussbeteiligung (1. und 2.) zahlen zu können.
Die Versicherten werden erst seit 2008 überhaupt an den Bewertungsreserven beteiligt, und zwar zu 50 Prozent. Das von den Versicherten eingezahlte Geld legt das Versicherungsunternehmen zum Beispiel in sicheren Bundesanleihen an. Bewertungsreserven entstehen, wenn der Preis für eine solche Bundesanleihe im Bestand des Versicherungsunternehmens am Markt über den Preis steigt, zu dem das Versicherungsunternehmen diese Anleihe ursprünglich erworben hat. Bei festverzinslichen Wertpapieren wie Bundesanleihen entstehen Bewertungsreserven insbesondere in Marktsituationen wie der augenblicklichen Niedrigzinsphase. Der Grund dafür ist, dass einige Wertpapiere vor langer Zeit mit einem wesentlich höheren Zinssatz ausgegeben wurden.
An den Bewertungsreserven wird ein Versicherter normalerweise beim Ablauf seines Versicherungsvertrags beteiligt. Entscheidend für die Höhe der Auszahlung sind daher die zu diesem Zeitpunkt aktuell bestehenden Bewertungsreserven. Da es sich um eine stichtagsbezogene Betrachtung handelt, kommt es angesichts der gegenwärtigen großen Schwankungen bei den Zinssätzen zu großen Ungleichgewichten, d.h. Versicherte erhalten je nach augenblicklichem Stand der Kapitalmärkte höhere oder geringere Zuflüsse aus den Bewertungsreserven. Dies ist mit dem Gedanken einer gerechten Verteilung innerhalb der Versichertengemeinschaft nicht zu vereinbaren. Zum Zeitpunkt des Vertragsablaufs zufällig bestehende Bewertungsreserven haben nichts mit den langjährigen Beiträgen der Versicherten zu ihrer Altersvorsorge zu tun. Würde man sie mit den gerade auslaufenden Lebensversicherungsvorhaben ausschütten, ginge das zu Lasten der später fällig werdenden Verträge. Die Neuregelung verhindert, dass die ausscheidenden Versicherten gegenüber den verbleibenden Versicherten bevorzugt werden.
Um unangemessenen Kürzungen bei in den nächsten Jahren zur Auszahlung kommenden Versicherungsverträgen zu begegnen, sieht die Neuregelung vor, dass die Kürzung der Beteiligung der Versicherten an den Bewertungsreserven gedeckelt wird. Diese Deckelung sollte mit der sogenannten Mindestzuführungsverordnung umgesetzt werden, die gleichzeitig mit den gesetzlichen Neuregelungen zum 21. Dezember 2012 in Kraft treten sollte.
Der Bundesrat hat allerdings in seiner Sitzung am 14. Dezember 2012 Einspruch gegen die Neuregelung erhoben. Dadurch tritt die Neuregelung nicht wie geplant zum 21. Dezember in Kraft. Grundsätzliche Einwände gegen die Zielrichtung der Regelung insgesamt wurden im Bundesrat zwar nicht erhoben, jedoch wird von einigen Ländern noch Diskussionsbedarf im Einzelnen gesehen. Im sogenannten Vermittlungsausschuss, wird die Neuregelung nun nochmals erörtert und nach einer Einigung gesucht.
Mit den Neuregelungen zu den Bewertungsreserven wird keine Verschiebung der Beteiligung an den Bewertungsreserven zu Gunsten der Versicherungsunternehmen auf Kosten der Versichertengemeinschaft vorgenommen. Ziel der Regelung ist es vielmehr, für eine Beteiligung aller Versicherungsnehmer an den Bewertungsreserven auch in der Zukunft Sorge zu tragen. Es geht bei der Neuregelung darum, die angemessene Kapitalausstattung des Versicherungsbestandes sicherzustellen und einen fairen Ausgleich zwischen den Interessen der einzelnen Versicherungsnehmer zu schaffen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann, MdB