Frage an Karl-Georg Wellmann von Stefan H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Wellmann,
was würden Sie davon halten, wenn Sie Unternehmer wären und von einem anderen Unternehmer folgenden Brief bekämen: "Vielen Dank, dass Sie mir über all die Jahre fleißig Kunden geschickt haben! Leider ist es mir nie möglich gewesen, diesen Kunden irgendetwas zu verkaufen. Daher möchte ich Sie bitten, mir ab jetzt für jeden Kunden, den Sie mir schicken, Geld zu zahlen. Dann kann ich endlich von den Kundenkontakten, die Sie schaffen, profitieren -- garantiert! Da ich vermute, dass Sie meiner Bitte nicht offen gegenüberstehen, habe ich mich mit anderen Unternehmern meiner Branche zusammen getan. Gemeinsam haben wir erfolgreich Lobbyarbeit betrieben, und in Kürze wird mit hoher Wahrscheinlichkeit im Bundestag ein Gesetz verabschiedet, was meine oben formulierte Bitte in einen Rechtsanspruch ummünzt. Ich hoffe, Sie können meine Beweggründe verstehen, und verbleibe (etc. pp.)."
Wenn Sie einen solchen Brief als Frechheit und Unverschämtheit empfinden würden, bitte ich Sie, gegen das geplante Leistungsschutzrecht zu stimmen. Wenn Sie Gründe haben, für dieses Gesetz zu stimmen, bitte ich Sie, mir diese zu erläutern.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Hinz
Sehr geehrter Herr Hinz,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 27.11.2012 zum Gesetzentwurf der Bundesregierung, der die Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage vorsieht. Der Gesetzentwurf wurde am 14.11.2012 in den Bundestag eingebracht.
Eine freie Presse braucht eine marktwirtschaftliche Finanzierung. Deswegen ist es wichtig, dass Presseverlage ihre Produkte im Internet verkaufen können. Die Veröffentlichung eines journalistischen Beitrags in einem bestimmten Verlagserzeugnis ist mit einer eigenen schöpferischen Leistung des Presseverlegers verbunden. Dem Leser bietet sie Orientierung und erleichtert ihm den Qualitätsvergleich.
Wie der Begründung des Gesetzentwurfs zu entnehmen ist, ist nicht das Presseerzeugnis selbst Schutzgegenstand, sondern die zur Festlegung des Presseerzeugnisses erforderliche wirtschaftliche, organisatorische und technische Leistung des Presseverlegers. Die unternehmerische Leistung umfasst jeden Teil des Presseerzeugnisses; die erforderlichen Mittel müssen für einen kleinen Teil genauso bereitgestellt werden, wie für die gesamte Festlegung einer Ausgabe. Das Leistungsschutzrecht ähnelt insofern eher dem Markenrecht als dem Urheberrecht.
Das Urheberrecht kennt im Übrigen bereits eine Vielzahl an Leistungsschutzrechten, die sich als Grundlage kreativen Schaffens bewährt haben. Das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverlage lehnt sich an die bestehenden Rechte an und fügt sich damit in die Systematik des Urheberrechts ein.
Zwar können Verlage über robots.txt ihre Produkte für Suchmaschinen auslisten, allerdings sehe ich etwa auch den Verkäufer einer Sache bei Diebstählen nicht in der Pflicht, seine Sachen nicht mehr anzubieten. Es ist vielmehr aus meiner Sicht Aufgabe des Rechtsstaates, ihn vor Rechtsverletzungen zu schützen. Außerdem geht es bei diesem Gesetz nicht nur um Suchmaschinen wie z.B. google, sondern auch um Newsaggregatoren, die ohne Zustimmung des Verlegers mit Metacrawlern auch Paywalls unterlaufen und dessen Produkte aufbereiten und wirtschaftlich weiternutzen.
Auf Blogger, Unternehmen der sonstigen gewerblichen Wirtschaft, Verbände, Rechtsanwaltskanzleien oder private bzw. ehrenamtliche Nutzer findet das Gesetz keine Anwendung. Die vorgeschlagene Regelung bedeutet damit keine Änderung der Nutzungsmöglichkeiten anderer Nutzer und für Verbraucher. Der Gesetzentwurf stellt ausdrücklich nur auf gewerbliche Nutzer wie Suchmaschinen und Newsaggregatoren ab. Auch die übrigen Schranken des Urheberrechts finden gemäß § 87g Absatz 4 UrhG volle Anwendung.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann, MdB