Frage an Karl-Georg Wellmann von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Wellmann,
Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Landesbischöfin Käßmann, hat eine Beendigung des Afghanistan-Kriegs gefordert: "Auch nach den weitesten Maßstäben der Evangelischen Kirche in Deutschland ist dieser Krieg so nicht zu rechtfertigen" ( http://www.tagesschau.de/inland/bundeswehrinafghanistan100.html ).
Wenn Sie die Fortsetzung oder gar Eskalation des Krieges untersützen (wie man nach Ihren letzten Äußerungen annehmen kann), habe ich zwei Fragen an Sie:
(1) Spielen Ihre christlichen Werte bei ihren außenpolitischen Entscheidungen eine geringere Rolle als machtpolitische Erwägungen ("Verantwortung gegenüber der internationalen Staatengemeinschaft", wie Sie das auf Ihrer Webeite nennen)?
(2) Sind Sie anderer Meinung als Landesbischöfin Käßmann, also dass man das überwältigende Übergewicht des Militäreinsatzes gegenüber dem zivilen Engagement in Afghanistan aus christlicher Sicht doch irgendwie rechtfertigen kann?
Wenn letzteres der Fall ist, würde ich gerne wissen, warum. Wenn ersteres der Fall ist, brauche ich keine weiteren Erläuterungen.
Mit bestem Dank,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Haspelmath,
Sie schreiben: "Ihre christlichen Werte .....". Was meinen Sie damit? Aus meiner Sicht gibt es universell gültige christliche Werte, jedenfalls habe ich keine individuell definierten. Sollten Sie diese universellen Werte meinen, so spielen diese eine wesentliche Rolle bei meinen Entscheidungen. "Machtpolitische" Erwägungen, wie Sie schreiben, haben bei dem bisherigen Afghanistan-Einsatz eine bestenfalls untergeordnete Rolle gespielt und ich kenne keine verantwortlichen Politiker, dieser und der vergangenen Koalition, die das anders sehen.
Es gab zwei wesentliche Gründe, die seinerzeit die Rot-Grüne Koalition zu dem Einsatz veranlaßt hatten: Zum einen ging es bekanntlich um die Beendigung des von Afghanistan ausgehenden Terrors, der in aller Welt tausende völlig unschuldige Menschen zum Opfer fielen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Das Zweite war eine Beendigung der entsetzlichen Menschenrechtsverletzungen in Afghanistan. Vielleicht haben auch Sie noch die Bilder vor Augen, wie Frauen aus nichtigen Gründen im Kabuler Stadion öffentlich hingerichtet wurden. Vielleicht machen Sie sich auch die Mühe zur Kenntnis zu nehmen, dass hunderttausende von afghanischen Mädchen jetzt eine Schule besuchen können, was vorher nicht möglich war, dass die meisten Afghanen, im Gegensatz zu früher, Zugang zu einer Gesundheitsversorgung haben und vieles andere mehr.
Sie können den öffentlichen Medien entnehmen, dass intensiv darüber nachgedacht wird, wie das Engagement in Afghanistan beendet werden kann. Das sollte allerdings aus unserer gemeinsamen christlichen Verantwortung in der Weise geschehen, dass es nicht nach einem Abzug des Militärs zu einer sofortigen Machtübernahme durch die Taliban kommt, was absehbar zu einem Bürgerkrieg mit furchtbaren Folgen für die Bevölkerung führen würde. Dazu diente vor allem das Konzept der internationalen Staatengemeinschaft, die Sicherheitskräfte der Afghanischen Regierung in stand zu setzen, um für Sicherheit zu sorgen.
Mit freundlichen Grüßen
Karl-Georg Wellmann,
Mitglied des Deutschen Bundestages