Frage an Karin Kortmann von Thomas W. bezüglich Soziale Sicherung
Was ist Ihre Haltung zur Rente mit 67, wenn in den meisten Industrieunternehmen bereits keiner über 55 mehr arbeitet. Bei 4 Mill Arbeitslosen und 50.00 jungen Menschen die eine Ausbildung suchen erscheint mir das wie ein schlechter Witz, dass längeres Arbeiten notwendig ist.
Gibt es nach Ihrer Kenntnis Berechnungen wie viel die Deutsche Rentenversicherung einspart durch die zukünftig vorgezogenen flexiblen Regelungen?
Sehr geehrter Herr Wittstock,
die geplante langfristige Anhebung des gesetzlichen Rentenalters ist eine für mich bedeutsame und schwierige Entscheidung.
Das neue Renteneintrittsalter von 67 Jahren trägt der gestiegenen Lebenserwartung und damit dem längeren Rentenbezug Rechnung. So ist die Rentenbezugsdauer in den letzten 40 Jahren im Durchschnitt um rund 7 Jahre auf nunmehr 17 Jahre gestiegen. Und es ist davon auszugehen, dass die Lebenserwartung bis zum Jahr 2030 bei 65-jährigen Männern und bei 65-jährigen Frauen um weitere 2,8 Jahre anwachsen wird.
Für die Menschen sind dies „gewonnene Jahre“. Für die Rente bedeutet dies aber: würden wir jetzt nicht handeln, müssten die Berufstätigen für den einzelnen Rentner immer längere Rentenbezugszeiten erwirtschaften. Unvertretbar hohe Beitragssätze wären die Folge. Eine moderate und schrittweise Anhebung der Lebensarbeitszeit ist also auch ein Gebot der Fairness gegenüber den aktiven Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern.
Künftig wird die Regelaltersgrenze – stufenweise bis zum Jahr 2029 – erst mit dem 67. Lebensjahr erreicht. Der Jahrgang 1964 ist der erste, der mit 67 Jahren in Rente gehen wird.
Sie haben Recht, zu wenig ältere Menschen sind am Erwerbsleben beteiligt. Die Erwerbstätigenquote von Menschen zwischen 55 und 64 Jahren liegt mit rund 45 Prozent deutlich unter der Erwerbstätigenquote für alle im erwerbsfähigen Alter. Dieser Entwicklung gilt es entgegenzusteuern. Viele Arbeitgeber beklagen den heute schon spürbaren Mangel an Fachkräften, haben es aber selbst versäumt in Aus- und Weiterbildung – auch von älteren Mitarbeitern zu investieren.
Wir haben deshalb gleichzeitig beschlossen, die Beschäftigungsmöglichkeiten Älterer zu verbessern. Mit der Initiative 50plus wollen wir den Mentalitätswechsel in den Unternehmen für mehr Beschäftigung Älterer fördern. Deshalb übernimmt der Bund die Weiterbildungskosten für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in kleineren und mittleren Betrieben. Weiterhin ist vorgesehen den Kombilohn für Ältere auszubauen und Eingliederungszuschüsse bei einer Einstellung von älteren Arbeitnehmern zu gewähren.
Wir haben im Gesetzentwurf zum RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz auch eine Vorbehaltsklausel verankert, die die Bundesregierung verpflichtet, ab 2010 regelmäßig darüber zu berichten, ob die Maßnahmen mit der Entwicklung der Arbeitsmarktlage und der wirtschaftlichen und sozialen Situation älterer Arbeitnehmer vereinbar ist. Eine Revision bleibt also möglich.
Die Erhöhung des Rentenalters bewirkt, dass der Beitragssatz zur Rente bis zum Jahr 2020 nicht über 20% (2030 nicht über 22%) steigen wird um ein angemessenes Renteniveau zu halten. Ansonsten würde der Beitragssatz bis 2030 auf 23 % steigen. Das stabilisiert nicht nur das Rentensystem, sondern entlastet auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
Dennoch bleibt ein Ungleichgewicht, das es nachzubessern gilt. Wir brauchen Branchen- und berufsgruppenspezifische Regelungen, die Menschen besonders entlasten, die z.B. schwere körperliche Arbeit oder Schichtarbeit leisten. Dies müssen wir noch diskutieren, bevor das Gesetz im Bundestag verabschiedet wird.
Wenn Sie weitere Informationen zum Thema Rentenversicherung und alternsgerechtes Arbeiten suchen: auf meiner Homepage www.karin-kortmann.de finden Sie das Eckpunktepapier „ Rentenzugang flexibilisieren – Arbeitsbedingungen verbessern“, in dem unser arbeitsmarktpolitischer Sprecher Klaus Brandner, MdB die Meinung der SPD-Bundestagfraktion darstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Karin Kortmann