Frage an Karin Jöns von Gerd S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Frau Jöns,
Nun haben wir, voraussichtlich das EU Parlament stimmt mit "JA", die geänderte Arbeitszeitrichtlinie.
(Quelle:BMAS)
Am 25.01.2008 habe ich Ihnen meine Befürchtungen geschrieben, die ja wohl zuzutreffen scheinen.
Sollte die Richtlinie in Kraft treten, bedeutet das für die Berufsfeuerwehrleute in Deutschland eine 65 Std/Wo, denn der "neue" Artikel 2a sieht wohl extra für F-Beamte(??) nur "eine Anhörung der Sozialpartner" vor. Wie die aussieht zeigt die gängige Praxis innerhalb der Berufsfeuerwehren in Deutschland. Hier wird angeordnet - und gehorsam eingefordert - eine Form von "Loyalität" , die ich für ausgestorben hielt.
Durch Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit können endlich die seit Jahren fehlenden Stellen eingespart werden, welch eine Freude für die Öffentlichen Kassen, aber für die Sicherheit der Bürger????
Über den angeblichen Meilenstein der Richtlinie "Vereinbarkeit der Familie etc" können die Lebensretter nur lachen. Welche Ehefrau kann denn noch von einer Verwirklichung in der Arbeitswelt träumen, wenn der Mann 65 Std im Schichtdienst nicht am Familienleben teilnehmen kann? Das Team Familie, muss leider auf den Spieler: Vater / Ehemann/ Erzieher verzichten.
Hier wird sicherlich auch die zukünftige Scheidungsrate von Interesse sein.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Richtlinie noch zu ändern bzw zu verhindern?
An wen müssten wir uns wenden um auf der "Bühne Europa" Gehör zu finden?
Wären Sie uns dabei behilflich?
Hochachtungsvoll
Gerd Schröder,
Feuerwehrbeamter der Freien und Hansestadt Hamburg
Über persönliche Kontaktaufnahme würde ich mich freuen.
Sehr geehrter Herr Schröder,
gerne antworte ich Ihnen auf Ihre erneute Anfrage zur Arbeitszeit.
Ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihre Kritik hinsichtlich des im Ministerrat von den nationalen Ministern erzielten Kompromisses voll teile. Dennoch möchte ich, wie schon in meiner letzten Antwort, betonen, dass derzeit der Opt-Out-Möglichkeit, wonach es möglich ist, von der durchschnittlichen Arbeitszeit von 48 Stunden pro Woche abzuweichen, sofern der/die Arbeitnehmer/in sich schriftlich dazu bereit erklärt hat, keinerlei Grenze gesetzt ist. Diese Überschreitungsmöglichkeit soll nach dem Willen der Minister auf durchschnittlich 65 Stunden pro Woche beschränkt werden. Insofern wäre dies keine Ausweitung sondern vielmehr eine Einschränkung der heute theoretisch möglichen Arbeitszeiten.
Dennoch, für uns als Europäische Sozialdemokraten/innen steht diese Beibehaltung der Opt-Out-Möglichkeit aber außer Frage. Wir haben schon 2005 in erster Lesung entschieden, grundsätzlich an einer Höchstarbeitszeit von 48 Stunden pro Woche im Jahresdurchschnitt festzuhalten und jegliche Abweichungsmöglichkeit abzuschaffen.
Umso größer ist auch die Enttäuschung, dass der Ministerrat nun noch eins drauf setzt und jetzt sogar ein Abweichen von der 48 Stunden Woche per Tarifvertrag ermöglichen will. D.h. Arbeitnehmer/innen, die außerhalb des Geltungsbereichs von Tarifverträgen beschäftigt sind, könnten nach dem Willen der Minister - immer das Einverständnis des Arbeitnehmers vorausgesetzt- bis zu 65 Stunden die Woche arbeiten müssen und in tarifvertraglich geregelten Arbeitsverhältnissen könnten bei einer Zustimmung der Tarifpartner sogar Arbeitszeiten von über 65 Stunden herauskommen. Da der Druck auf die Gewerkschaften seitens der Arbeitgeber immer höher wird, besteht die Gefahr, dass eine solche Regelung sehr schnell von der Drohung zur Realität werden könnte. Dies wäre mit einem Sozialen Europa, für das sich meine Fraktion einsetzt nicht vereinbar!
Darüber hinaus, drohen die Arbeitszeiten für Feuerwehrleute, Krankenschwestern aber auch z.B. für Ärzte/innen, durch die Unterscheidung in einen aktiven und inaktiven Bereitschaftsdienst in unerträglichem Maße zu steigen. Mit Gesundheitsschutz der Beschäftigten, mit Patientenwohl oder Verbraucherschutz sind solche Regelungen in keiner Weise vereinbar. Für mich gilt: Bereitschaftsdienst ist grundsätzlich Arbeitszeit. So hat der Europäische Gerichtshof geurteilt und so haben wir auch als Europäisches Parlament in erster Lesung gestimmt. Und dafür werde ich auch in Zukunft streiten.
Von der immer wieder von allen Seiten geforderten Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die sie in Ihrem Brief auch ansprechen, ist der Kompromiss der Minister ebenfalls weit entfernt. Das Europäische Parlament hatte dagegen in erster Lesung beschlossen, dass Arbeitnehmer/innen ein Recht darauf haben, eine Änderung ihrer Arbeitszeiten fordern zu können, und dass die Arbeitgeber verpflichtet sein müssen, ein derartiges Anliegen fair zu prüfen. Eine Ablehnung sollte danach nur möglich sein, falls die organisatorischen Nachteile für die Arbeitgeber unverhältnismäßig groß gegenüber den Vorteilen für die Arbeitnehmer/innen wären.
Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns als Sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament auf diesen Kompromiss der Minister auf gar keinen Fall einlassen werden. Aber eines ist auch klar: hierfür bedarf es in zweiter Lesung im Europäischen Parlament einer qualifizierten Mehrheit, d.h. es bedarf 393 von 785 Stimmen, wovon meine Fraktion 217 Stimmen aufbringt.
Mit freundlichem Gruß,
Karin Jöns