Frage an Karamba Diaby von Reinhard G. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Diaby,
ich habe kürzlich in verschiedenen Medien gelesen, das die Corona-Impfstoffe die Geimpften vor schweren Krankheits-Verläufen schützen. Aber die Geimpften könnten trotzdem (leicht) erkranken – und andere mit Corona infizieren.
https://www.mdr.de/brisant/corona-impfung-ansteckend-100.html
https://www.mdr.de/brisant/quarantaene-impfung-100.html
https://www.swr.de/wissen/ansteckend-trotz-corona-impfung-forschung-100.html
Es gibt ja vermehrt neue Virusvarianten, gegen die einige Impfstoffe nicht so gut wirken sollen. Könnten sich diese möglicherweise bei Geimpften weiterentwickeln (eventuell auch noch mutieren) und dann weitergegeben werden? Es gab ja schon im letzten Jahr die Warnung, dass es Menschen gäbe, die ohne Symptome den Virus übertragen. (Sogenannte „Superspreader“)
Ich wäre wohl der Letzte, der dafür wäre, Bürger ihre Freiheitsrechte vorzuenthalten. Trotzdem habe ich folgende Fragen: Auf welcher wissenschaftlicher Grundlage beruht es, wenn die Regierung jetzt Geimpften mehr Rechte einräumen will, als nicht Geimpften? Steht das nicht im Widerspruch zu bisherigen Aussagen? Sollten nicht verfassungsrechtlich bedenkliche Maßnahmen mit zweifelhafter Wirksamkeit, wie beispielsweise nächtliche Ausgangssperren, für alle Bürger zurückgenommen werden?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Großmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Weitergabe des Virus durch Geimpfte.
Ich bin als Forschungspolitiker mit den Kolleginnen und Kollegen aus dem Ausschuss für Gesundheit im engen Austausch zu genau diesen Fragen und hoffe, Ihre Fragen beantworten zu können.
Zu Ihren Fragen:
1) "Auf welcher wissenschaftlicher Grundlage beruht es, wenn die Regierung jetzt Geimpften mehr Rechte einräumen will, als nicht Geimpften?"
Natürlich kann ich nicht für die Bundesregierung sprechen, welche wissenschaftlichen Studien herangezogen werden, da ich selbst Parlamentarier bin und folglich bei diesen Abstimmungsprozessen nicht beteiligt bin. Aber ich weiß, dass die Bundesregierung sich von Wissenschaftler:innen
der Ständigen Impfkommission (https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/stiko_node.html), dem Robert-Koch-Institut (https://www.rki.de/DE/Home/homepage_node.html) sowie
vom Paul-Ehrlich-Institut (https://www.pei.de/DE/home/home-node.html beraten lässt, die wiederum zahlreiche wissenschaftliche Studien aus dem In- und Ausland heranziehen.
2) Zu Ihrer Frage, ob eine Infizierung und Weitergabe des Virus durch geimpfte Personen möglich bleibt, empfehle ich Ihnen folgenden Artikel ((https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/122713/RKI-Virusuebertragung-durch-geimpfte-Personen-unwahrscheinlich ), der auch auf eine Studie aus Israel Bezug nimmt.
Dort heißt es: "Weder eine Impfung noch ein negativer Antigenschnelltest bieten eine 100-prozentige Gewähr dafür, dass eine Person nicht mit SARS-CoV-2 infiziert ist. Die Impfung schützt die meisten, aber nicht alle Personen vor einer Ansteckung. Und wer sich infiziert hat, kann das Virus an weitere Personen weitergeben." Somit bleibt in der Tat ein Restrisiko der Ansteckung und Übertragung trotz Impfung.
3) Ihre Frage: "Steht das nicht im Widerspruch zu bisherigen Aussagen? Sollten nicht verfassungsrechtlich bedenkliche Maßnahmen mit zweifelhafter Wirksamkeit, wie beispielsweise nächtliche Ausgangssperren, für alle Bürger zurückgenommen werden?
Ohne zu wissen, auf welche Aussagen Sie Bezug nehmen, war mein Eindruck, dass Vertreter:innen der Bundesregierung sowie der Wissenschaftsorganisationen immer darauf hingewiesen haben, dass noch nicht alle Wirkungen der Impfstoffe vollständig erforscht sind sowie darauf, dass kein Impfstoff eine vollständige Sicherheit vor Ansteckung und Weitergabe des Virus bietet. Auch die Frage, wie hoch der Schutz bei Mutationen ist, wurde bisher nie mit dem Anspruch einer abschließenden Klärung beantwortet. Auch die Wissenschaft und die Politik befinden sich hier in einem Lernprozess, in dem neue Erkenntnisse auch zu neuen oder veränderten Strategien führen können.
Die Maßnahmen, die zuletzt im Rahmen der sog. Bundesnotbremse" bzw. bei der Reform des Infektionsschutzgesetztes beschlossen wurden, waren bei Erlass des Gesetzes aus meiner Sicht sinnvoll und pandemiebedingt nötig.
In Anbetracht der steigenden Infektionszahlen traf den Staat nämlich eine Schutzpflicht, zu handeln. Eine Überlastung des Gesundheitssystems musste verhindert werden, damit eine medizinische Versorgung der Bürgerinnen und Bürger weiterhin gewährleistet werden konnte.
Wir sind uns als Politiker darüber bewusst, dass die Einschränkungen, die wir im Infektionsschutzgesetz vereinbart haben, nach den langen schwierigen Monaten in der Pandemie für alle Menschen in Deutschland eine weitere Belastung darstellen. Doch sie waren notwendig, um die Gesundheit von uns allen bestmöglich zu schützen und den Erfolg der Impfkampagne abzusichern.
Denn: Seit Mitte März hatte sich der Anstieg der Fallzahlen beschleunigt. Die Virusvarianten, die mittlerweile in Deutschland dominierten, waren deutlich infektiöser und verursachten schwerwiegendere Krankheitsverläufe und langfristige Folgen. Die bisher unterschiedlichen Maßnahmen in den einzelnen Bundesländern konnten den rasanten Anstieg der Infektionszahlen nicht verhindern. Wir mussten darum als Bundesgesetzgeber entschlossen handeln. Das ist dann auch passiert.
Sehr geehrter Herr Großmann,
wie Sie richtig schreiben, gehörte dazu auch eine Ausgangsbeschränkung. Zwischen 22 und 5 Uhr gilt eine nächtliche Ausgangsbeschränkung. Ausnahmen sind vorgesehen, u.a. zur Berufsausübung, zur Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen oder zur körperlichen Bewegung (bis Mitternacht).
Die "Notbremse" gilt allerdings bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 100 Neuinfektionen und darüber. Da die die Impffortschritte erheblich sind und die Inzidenzwerte nun immer weiter runter gehen, sind Lockerungen möglich und vielerorts bald Realität.
Ich persönlich freue mich darüber, wenn natürlich - und da gebe ich Ihnen Recht - Vorsicht geboten bleibt, da Ansteckungen nicht komplett ausgeschlossen werden können.
Trotzdem halte ich die Argumentation der Bundesjustizministerin, die Geimpften mehr Freiheiten einräumen will, für richtig. Denn: Grundrechtseinschränkungen müssen immer auch verhältnismäßig bzw. angemessen sein. Die Gefahr der Ansteckung und Übertragung ist so stark reduziert, dass ich Lockerungen für sinnvoll erachte.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen beantworten konnte und stehe Ihnen für Rückfragen gern jederzeit zur Verfügung.
Bleiben Sie gesund und alles Gute!
Nette Grüße
Dr. Karamba Diaby