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Karamba Diaby
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Frage von Henning T. •

Frage an Karamba Diaby von Henning T. bezüglich Verkehr

Sie haben bereits in ihrer Antwort zur PKW-Maut ausführlich dargestellt, wieso Sie für die PKW-Maut gestimmt haben, obwohl sie sie eigentlich kritisch sehen. Im Zusammenhang mit der PKW-Maut soll nun gleich das ganze Straßennetz privatisiert und zu diesem Zwecke das Grundgesetz umfassend geändert werden (von 13 Änderungen ist die Rede). Geht das nicht ein bisschen zu weit?
Sie schreiben in besagter Antwort, dass man die PKW-Maut als Zugeständnis der SPD sehen muss, während die CDU bei dem Mindestlohn Zugeständnisse machen musste. Warum sucht sich die SPD dann aber bevorzugt die CDU als Koalitionspartner? Bei früheren Bundestagswahlen (ich glaube beispielsweise 2005) hätte die SPD mit den Grünen und der Linken durchaus eine Mehrheit gehabt. Da hätte die SPD für den Mindestlohn überhaupt keine Gegenleistung bringen müssen. Dann hätte wahrscheinlich die SPD heute auch noch mehr Sitze im Bundestag.
Überhaupt muss ich sagen, dass Abgeordnete laut Grundgesetz allein ihrem Gewissen verpflichtet sind. Dass sich Politik ganz der Parteilogik unterwirft, ist vom Grundgesetz nicht vorgesehen. Sehen sie Wege, die praktisch existierenden Fraktions- und Koalitationszwänge zu durchbrechen?

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Sehr geehrter Herr Thielemann,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Die anstehenden Änderungen im Grundgesetz haben nichts mit der PKW-Maut zu tun. Der Umfang der geplanten Änderungen hängt mit der Komplexität der Bund-Länder-Finanzbeziehungen und dem ausverhandelten Gesamtpaket zusammen. Z.B. ist es nötig, den Art. 104c GG einzufügen, um das geplante 3,5-Mrd.-Euro-Schulsanierungsprogramm umsetzen zu können. Der Bund kann damit zumindest finanzschwache Kommunen bei der Sanierung von Schulen und Sporthallen unterstützen. Und mit der Änderung des Art. 90 GG und der Einfügung des Art. 143e GG sichern wir zudem zwei weitere Privatisierungsschranken verfassungsrechtlich ab: Damit sind keine Beteiligungen an der Verkehrsinfrastrukturgesellschaft und keine Teilnetz-ÖPP möglich, aber wir ermöglichen ein früheres Ende der Auftragsverwaltung (vor dem 31. Dezember 2020). Zu den geplanten Änderungen haben im federführenden Ausschuss Anhörungen stattgefunden. Leichtfertig werden weder im Bundestag noch im Bundesrat Verfassungsänderungen vorgenommen. Aber auch über 2020 hinaus muss die Bund-Länder-Finanzarchitektur auf tragfähige Füße gestellt sein.

Zum Thema R2G: Der bevorzugte Koalitionspartner der SPD ist BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auf Bundes- und Landesebene hat sich die Zusammenarbeit bereits vielfach als sehr konstruktiv erwiesen und in vielen Bereichen bestehen inhaltliche Schnittmengen. Allerdings haben die letzten Wahl gezeigt, dass dieses Bündnis derzeit nur bedingt mehrheitsfähig ist. Mittlerweile braucht es aufgrund der Parteienvielfalt meist einen dritten Partner für Bündnisoptionen neben der sogenannten Großen Koalition.

Die Partei DIE LINKE ist hierbei durchaus eine Alternative. Gerade auf Landesebene hat sich gezeigt, dass DIE LINKE zu konstruktiver Regierungsarbeit fähig und willens ist. Konstruktiv heißt für mich hier kompromissfähig. Für die Bundesebene hat die SPD 2013 beim Parteitag in Leipzig klar die Voraussetzungen für eine Koalition mit DIE LINKE benannt: „verlässliche“ parlamentarische Mehrheit, „verbindlicher“ Koalitionsvertrag, „verantwortungsvolle“ Außenpolitik. Diese drei Bedingungen wären auch 2013 nicht erfüllt worden.

Ja, es gibt in der Bundespolitik Schnittmengen mit der Partei DIE LINKE (z. B. Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften, Mindestlohn, Arbeitnehmerrechte) – aber nach wie vor insbesondere in der Außen- und Bündnispolitik (z. B. NATO-Mitgliedschaft, Sanktionen gegenüber Russland) auch weiterhin großen Dissens. Dieser wäre vermutlich spätestens in der Frage, wie die Bundesregierung zum Konflikt in der Ukraine steht, zu Tage getreten. Ich verweise hier exemplarisch auf den Besuch von Abgeordneten der Bundestagsfraktion DIE LINKE in der Ostukraine.

Ein Aspekt wird mit Blick auf ein mögliches Bündnis mit DIE LINKE zudem immer wieder vergessen: Aufgrund der Erfahrungen bis 1989 hadern immer noch viele Menschen (insbesondere in Ostdeutschland) mit DIE LINKE. Man mag dazu stehen, wie man will, aber wegdiskutieren und kleinreden sollte man das Unbehagen vieler Menschen beim Thema SED-Nachfolgepartei, Umgang mit der eigenen Vergangenheit, Parteivermögen usw. nicht.

Stabile Mehrheit/stabile Regierungsarbeit heißt, dass auch bei Abstimmungen die getroffenen Vereinbarungen gelten. Der Koalitionsvertrag regelt, dass die Koalitionsfraktionen einheitlich abstimmen und dass wechselnde Mehrheiten ausgeschlossen sind. In der Praxis hieß das bereits mehrfach, dass Themen weiterverhandelt werden mussten, bis eine Lösung gefunden wurde, der die Mitglieder der Koalitionsfraktionen zustimmen konnten. Diese Regelungen im Vertrag sollen die Arbeitsfähigkeit der Regierung gewährleisten. Eine ähnlich lautende Vereinbarung gibt es nicht zuletzt auch im Koalitionsvertrag in Thüringen zwischen DIE LINKE, SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Karamba Diaby, MdB

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