Frage an Karamba Diaby von Nicolai D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Diaby
Der Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte sehr konkrete Vorschläge für eine erweiterte Gefährderhaft zu machen.
Auch diejenigen sollten inhaftiert werden, bei denen „die Herkunftsstaaten bei der Rückführung nicht kooperieren.
(siehe http://www.migazin.de/2017/01/09/maas-kuendigt-aenderungen-bei-haft-fuer-gefaehrder-an/ )
Bei der Einstufung als Gefährder handelt es sich laut Wikipedia um Personen bei denen kein konkreter Hinweis vorliegt, dass sie eine Straftat planen, aber bei denen „bestimmte Tatsachen die Annahme der Polizeibehörden rechtfertigen, dass sie Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen“ werden.
Es würden somit Menschen der Freiheit beraubt, wenn konkrete Hinweise fehlen, also nur aufgrund einer Vermutung.
Noch schlimmer wird es, wenn Menschen in Haft genommen werden sollen, weil das Herkunftsland nicht kooperiert. In diesem Fall würde jemand ohne eigenes Fehlverhalten der Freiheit beraubt.
Unser Staat würde sich somit Massnahmen ergreifen, die vermutlich Art. 11 Abs. 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen und der Europäischen Menschenrechtskonvention Artikel 6 Abs 2 wiedersprechen.
Ob es sich bei der obigen Definition der Gefährder um eine Gefahrenabwehr handeln kann erscheint mir mehr als zweifelhaft. Liegen dagegen konkrete Hinweise vor sollte die bestehende Rechtslag ausreichend sein.
Ich befürchte, dass solche Massnahmen bzw. deren Forderung unser Verständniss der freiheitlich demokratischen Grundordung untergräbt und den Weg zu einem Willkürstaat einleiten kann.
Wie stehen sie zu den Forderungen des Bundesjustizministers?
Sehr geehrter Herr Deutschmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Umgang mit Gefährdern/erweiterte Gefährderhaft. Tatsache ist: Viele islamistische Gefährder besitzen die deutsche Staatsbürgerschaft oder werden erst in Deutschland radikalisiert. Deshalb ist aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion zunächst die Präventionsarbeit von entscheidender Bedeutung. Wir wollen verhindern, dass sich Menschen radikalisieren. Salafistische, radikal-islamistische Moscheen müssen deshalb geschlossen und Hassprediger ausgewiesen werden. Genauso wichtig ist aber auch, dass wir die Zusammenarbeit mit den vielen friedlichen Moscheegemeinden deutlich verstärken. Für uns sind das keine Gegensätze, sondern zwei Seiten der gleichen Medaille.
Der Staat muss alles ihm Mögliche unternehmen, um Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Angesichts der Terrorgefahr handeln wir ebenso besonnen wie entschlossen. Wo es notwendig ist, schließen wir Rechtslücken. Daneben müssen aber Polizei und Sicherheitsbehörden besser ausgestattet und die Präventionsarbeit verstärkt werden. Diese drei Elemente sind die Säulen sozialdemokratischer Sicherheitspolitik.
Bereits heute steht fest: Ausreisepflichtige Gefährder müssen abgeschoben und bis zu ihrer Ausreise in Gewahrsam genommen werden können. Deshalb erleichtern wir die Abschiebehaft für Gefährder: Sie soll künftig bereits dann möglich sein, wenn von der Person nachweislich eine erhebliche terroristische Gefahr ausgeht. Zudem schaffen wir die gesetzlichen Grundlagen, um nicht-ausreisepflichtige Gefährder wirksamer zu überwachen. Die Herkunftsländer abgelehnter Asylbewerber müssen im Rahmen von Rücknahmeabkommen zudem stärker in die Pflicht genommen werden.
Die Einstufung als sogenannter „Gefährder“ wird grundsätzlich von den zuständigen Sicherheitsbehörden (Polizei, LKA) der Länder vorgenommen und basiert selbstverständlich auf Fakten. Die Bundesregierung spricht von „bestimmten Tatsachen“ (Bundestagsdrucksache 16/3570, S. 6) und definiert diese in Bundestagsdrucksache 18/10340 wie folgt: „Der Begriff ‚bestimmte Tatsachen‘ entspricht einer vielfach in der Strafprozessordnung (StPO) und den Polizeigesetzen des Bundes und der Ländern genutzten Formulierung im Rahmen von Eingriffstatbeständen. Tatsachen sind konkrete Geschehnisse oder Zustände, die sinnlich wahrnehmbar in die Wirklichkeit getreten und daher dem Beweis zugänglich sind. Durch die Voraussetzung der Tatsachen einerseits und der zusätzlichen Betonung der Bestimmtheit dieser Tatsachen andererseits, wird gewährleistet, dass sich die zu treffende Prognose nicht auf vage Anhaltspunkte, bloße Vermutungen oder Gerüchte, sondern auf eine hinreichend sichere Tatsachenbasis stützt, welche bereits ein gewisses Maß an Konkretisierung und Verdichtung erreicht haben muss.“
Die deutschen Sicherheitsbehörden testen zudem aktuell ein neues System, mit dessen Hilfe gefährliche Personen früher erkannt werden sollen. Mit Hilfe dieses neuen Systems, dass „Radar“ genannt wird, soll die Bewertung des jeweiligen Gefahrenpotenzials der entsprechenden Personen weiter objektiviert werden. Erste Tests verliefen erfolgreich.
Der Gesetzgeber ist dazu verpflichtet, mit Augenmaß die Balance zwischen Freiheit und Sicherheit immer wieder herzustellen. Dazu dienen die geplanten Maßnahmen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karamba Diaby, MdB