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Karamba Diaby
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Frage von Lanare A. •

Frage an Karamba Diaby von Lanare A. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Dr. Diaby,

aus den Hauptnachrichten der ARD war am vergangenen Freitag zu erfahren, daß
es in Deutschland Hundertausende deutsche Obdachlose gibt. Man geht von 360.000 Menschen aus, die auf der Straße ihr Leben fristen müssen.
Genaue Zahlen gibt es nicht, da die Bundesergierung das Problem zwar kennt,
doch ignoriert. Experten vermuten eine mehr als vier mal so hohe Zahl von
Betroffenen.
Wie vereinbart sich das für Sie als Mitglied der gegenwärtigen Regierungs-
partei SPD mit dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland?
Warum ignoriert der Staat diese Menschen? Für alles und jedes gibt es Forschungsgruppen, Statistiken und Berichte. Dafür nicht. Warum?
Warum stellt Ihre Regierung keine besonderen Mittel zur Verfügung
für die Obdachlosen: für Wohnung, Kleidung, Essen und Trinken, ganz zu schweigen von Bildung, Versorgung im Krankheitsfall oder sonstige Teilhabe. Warum gibt es für die Obdachlosen kein "Wir schaffen das"?

MfG,

Lanare Anka

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Antwort von
SPD

Guten Tag Lanare Anka,

vielen Dank für Ihre Frage. Es ist richtig: Es gibt keine offiziellen Zahlen dazu, wie viele Menschen obdachlos sind. Laut Schätzung der BAG Wohnungslosenhilfe e.V. waren im Jahr 2014 335.000 Menschen ohne eine Wohnung – Tendenz steigend. Das ist eine erschreckend hohe Zahl. Hierin sind wir uns einig.

Die Gründe für Obdachlosigkeit sind allerdings sehr vielfältig: Sie reichen von fehlenden finanziellen Mitteln für die Miete über Abhängigkeiten (Drogen, Alkohol o.ä.), Überschuldung, Trennung von einem/r Partner/in, psychische Problemlagen bis hin zu einer bewussten Entscheidung für ein Leben auf der Straße. Fakt ist: Wohnungslose Menschen sind keine homogene Gruppe. Und so vielfältig die Gründe für die Obdachlosigkeit und die (individuellen) Problemlagen sind, so vielfältig sind auch die möglichen Lösungsansätze.

Im Gegensatz zu Ihrer Behauptung, der Staat/die Bundesregierung würde nichts dagegen tun oder sich um diese Menschen nicht kümmern, steht die Tatsache, dass es in Deutschland ein Hilfesystem gibt, dass auf gesetzlichen Grundlagen basiert. So gibt es bspw. einen Unterbringungsanspruch für alle Menschen, die unfreiwillig wohnungslos sind. Die Sozialbehörden sind verpflichtet, geeignete Unterkünfte in ausreichender Zahl für wohnungslose Menschen vorzuhalten. Das sind in vielen Städten und Gemeinden Obdachlosenheime, Häuser der Wohnhilfe oder auch Wohnungslosenunterkünfte. Ob ein Wohnungsloser eine solche Unterkunft nutzt oder nicht, bleibt ihm selbst überlassen. Es besteht hier das Recht, aber nicht die Pflicht.

Zudem hat sich in vielen deutschen Städten ein sehr ausdifferenziertes Hilfesystem entwickelt. Es reicht von sozialen Angeboten im niedrigschwelligen Bereich direkt in den Unterkünften über Beratungsstellen bis hin zu Streetwork, Kleiderkammern, Bahnhofsdiensten, Wohnungslosentagesstätten u.v.m. Sozialarbeiter(innen) unterstützen die Wohnungslosen bei der Überwindung der individuellen Problemlagen (Schuldnerberatung, Behördengänge, Klinikaufenthalte usw.). Die Unterstützung zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten mit besonderen Lebensumständen durch Sozialarbeiter(innen) ist ebenso gesetzlich vorgeschrieben (§ 67ff. SGB XII). Neben den entsprechenden Hilfen für wohnungslose Menschen werden in der Wohnungsnotfallhilfe auch präventive Hilfen für die Vermeidung von Wohnungslosigkeit geleistet. Und nicht zuletzt vermitteln die Sozialämter für mittel- und längerfristige Unterbringungen Unterkünfte in den Kommunen. Allerdings unterscheidet sich die Vielfalt an Angeboten von Kommune zu Kommune.

Wohnungslosigkeit ist ein leider sehr verbreitetes Phänomen und die Problemlagen sind oft sehr vielfältig; zumeist kommen auch mehrere Probleme zusammen, so dass es dem oder der Einzelnen nicht mehr ohne Hilfe gelingt, dem Teufelskreislauf zu entrinnen. Die Frage ist deshalb nicht, ob überhaupt etwas gemacht wird, sondern wo wir besser werden können und müssen. Ich sehe hier zwei Ansätze: Zum einen muss der Bund die Kommunen noch stärker finanziell entlasten, damit die Kommunen ihren sehr vielen Aufgaben im Rahmen der öffentlichen Daseinsvorsorge gerecht werden können. Hier hat die Bundesregierung in der laufenden Legislaturperiode bereits eine Vielzahl an Maßnahmen umgesetzt: Der Bund hat die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung übernommen. Das sind ca. 5,5 Mrd. Euro pro Jahr. Zudem entlasten wir die Kommunen zusätzlich derzeit jährlich um 1 Mrd. Euro, ab 2017 um 2,5 Mrd. Euro und ab 2018 um 5 Mrd. Euro. Das ist Geld, dass die Kommunen in Schwimmbäder, Straßen oder auch Sozialarbeit investieren können. Zudem haben wir für den Bau und Betrieb von Kitas weitere 750 Mio. Euro zur Verfügung gestellt. Ab 2017 werden 3,5 Mrd. Euro für die Sanierung von Schulen bereitstehen. Und nicht zuletzt: Wir haben einen Investitionsfonds für finanzschwache Kommunen in Höhe von 3,5 Mrd. Euro aufgelegt.

Zum anderen muss es uns noch besser gelingen, fach- und ressortübergreifende Maßnahmenplanungen umzusetzen. Wohnungslosigkeit entsteht – wie dargelegt – aufgrund komplexer Problemlagen. Diese können wir nur mit umfassenden Handlungsansätzen lösen. Dazu brauchen wir auch eine bessere Datenlage und müssen die Forschungen in diesem Bereich ausbauen.

Zu sagen, die Bundesregierung würde nichts unternehmen, wird den Tatsachen bei weitem nicht gerecht. Richtig ist aber: Wir können und müssen noch besser dabei werden, die Kommunen bei ihrem wichtigem Auftrag zu unterstützen.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Karamba Diaby, MdB

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