Frage an Karamba Diaby von Herbert S. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Dr. Diaby,
die parlamentarische Versammlung des Europarates hat mit einstimmigem Beschluß vom 02.10.2015 (Resolution 2079 (2015) ("Equality and shared parental responsibility: the role of fathers"), die EU-Mitgliedsstaaten dazu aufgefordert, die Gleichstellung aller Eltern ab dem Zeitpunkt der Geburt des Kindes voranzutreiben, aus bestehenden Gesetzen alle Regelungen zu entfernen, die Eltern aufgrund ihres Standes ungleich behandeln, Doppelresidenz in ihre Gesetze aufzunehmen, in Ge-richtsverfahren auf Eltern dahingehend einzuwirken, daß ein Wechselmodell das beste Interesse des Kindes sei, ebenso in Gerichtsverfahren Mediationen nicht nur zu empfehlen, sondern auch tatsächlich zu veranlassen, mehr Mediatoren auszubil-den und einzusetzen (dazu wird auch explizit auf das "Cochemer Modell" verwiesen), sowie weitere Maßnahmen zur Gleichstellung aller Väter zu treffen, wodurch ja letztlich auch eine Gleichstellung von ehelichen und nichtehelichen Kindern erreicht wird. Wie bitte stehen Sie dazu? Was werden Sie tun, um die aktuelle Rechtslage in Deutschland entsprechend zu verbessern? Was werden Sie tun, um die aktuelle Situation in Halle, speziell dem Umgang beim Jugendamt Halle mit Müttern, Vätern und vor allem Kindern, zu verbessern?
Mit freundlichen Grüßen
Steinhaus
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Steinhaus,
vielen Dank für Ihre Anfrage zur Resolution 2079 (2015) der Parlamentarischen Versammlung des Europarates. Diese Resolution ist kein politischer Beschluss und hat damit für die Mitgliedstaaten auch keine bindende Wirkung. Warum die Bundesregierung derzeit nicht plant, die Resolution des Europarates zeitnah umzusetzen, wird folgendermaßen begründet:
Grundsätzlich gilt: Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 24. Juni 2015 entschieden, dass weder Art. 6 Abs. 2 GG noch die UN-Kinderrechtskonvention den Gesetzgeber dazu verpflichten, die Einräumung einer paritätischen Betreuung getrennt lebender Eltern als gesetzlichen Regelfall vorzusehen. Es ist eine primär von den Fachgerichten zu klärende Frage, ob derzeit nach dem entsprechenden Fachrecht die Anordnung einer paritätischen Betreuung möglich ist.
Unstreitig können die Familiengerichte in Deutschland bereits nach geltendem Recht auch einen erweiterten Umgang auf Grundlage von § 1684 Absatz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) anordnen, wenn dies im konkreten Fall unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Eltern dem Wohl des Kindes am besten entspricht (§ 1697a BGB). Was dem Kindeswohl entspricht, müssen die Familiengerichte – wie Sie wissen – in jedem Einzelfall entscheiden. Auf meine Anfrage hin wurde mir seitens des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) zudem versichert, dass die Debatte um die kontrovers diskutierte Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die gerichtliche Anordnung einer paritätischen Betreuung im Rahmen eines Wechselmodells bei vorhandenem Elternkonflikt dem Kindeswohl dient und ob es den gesetzlichen Regelfall darstellen kann, aufmerksam verfolgt wird. Da die Meinungsbildung zur Frage etwaigen Reformbedarfs hin zu einem Wechselmodell in einem so sensiblen Bereich wie dem Sorge- und Umgangsrecht eine empirische Grundlage voraussetzt, hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Studie zum Thema „Kindeswohl und Umgangsrecht“ in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse bilden für künftige Entscheidungen eine wichtige Voraussetzung.
Aus Sicht der SPD-Bundestagsfraktion füge ich folgendes hinzu: Wir stehen dem Wechselmodell grundsätzlich sehr positiv gegenüber und wollen es stärker fördern.
Bezüglich Ihrer Frage zur aktuellen Situation in Halle (Saale) und speziell dem Umgang des Jugendamtes Halle (Saale) mit Müttern, Vätern und Kindern: Insofern Sie diesbezüglich Handlungs- und Verbesserungsbedarf sehen, besteht die Möglichkeit, über den Stadtrat eine Anfrage an die hallesche Stadtverwaltung zu stellen. Auf www.abgeordnetenwatch.de äußere ich mich grundsätzlich nicht zu Einzelfällen. Vielen Dank für Ihr Verständnis.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karamba Diaby, MdB