Frage an Karamba Diaby von Dr. Frank H. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Diaby,
da sich bereits mehrere Bundespolitiker zu den im Kulturetat des Landes Sachsen-Anhalt vorgesehenen Kürzungen geäußert haben, möchte ich auch Sie um eine Stellungnahme bitten.
Wie Sie gehört haben werden, beschloss der Landtag im September 2011, einen Kulturkonvent einzusetzen, der als unabhängiges Expertengremium eine Analyse der Situation vornehmen und Empfehlungen erarbeiten sollte. Im Februar 2013 übergab der Kulturkonvent seinen Abschlussbericht an Kultusminister Dorgerloh (SPD) und empfahl u.a., den Kulturetat des Landes Sachsen-Anhalt zu erhöhen. Im Gegensatz dazu hat das Kultusministerium bislang keine einzige Empfehlung des Kulturkonvents umgesetzt und darüber hinaus geplant, die Theater- und Orchesterförderung um 7 Millionen Euro zu reduzieren. Diese Reduzierung würde die Theater, Oper und Orchester GmbH Halle (TOO) mit 3 Millionen betreffen.
Erste Berechnungen haben im Fall der TOO Halle ergeben, dass die Einsparungen nur durch eine Reduzierung der Gehälter um 25 Prozent oder alternativ durch die Schließung der Oper erreicht werden könnten. Ein anderes Szenario sieht vor, dass die TOO GmbH 2014 Insolvenz anmelden muss. Die Folgen wären dramatisch: Verlust an kultureller Substanz, gravierende finanzielle Einbußen für die Mitarbeiter, Schließung einer Sparte, Entlassungen.
Dazu habe ich nun folgende Fragen:
1. Wie bewerten Sie die Arbeit des Kulturkonvents und die Ignorierung seiner Empfehlungen durch das Kultusministerium?
2. Halten Sie die Kürzung des Kulturetats für gerechtfertigt?
3. Wie bewerten Sie die aufgezeigten Szenarien, um die geforderten Einsparungen in der TOO Halle zu erbringen?
4. Welche Möglichkeiten sehen Sie (auch auf Bundesebene), um den Kulturetat in seiner bisherigen Höhe zu erhalten oder zu erhöhen?
5. Werden Sie sich für die Verankerung des Staatsziels Kultur auf Bundesebene einsetzen?
Ich danke Ihnen für die Beantwortung dieser Fragen und verbleibe mit freundlichen Grüßen
F. Hirschinger
Sehr geehrter Herr Dr. Hirschinger,
gern komme ich Ihrer Bitte um Beantwortung Ihrer Fragen nach:
(1) Der Bericht des Kulturkonvents zeigt aus meiner Sicht in einer sehr eindrucksvollen Form, wie vielfältig die Kulturlandschaft in unserem Land ist. Die Arbeit des Kulturkonvents ist zudem einmalig in der Bundesrepublik, da der Bericht unter Einbezug der Kulturschaffenden erarbeitet wurde. Besonders wichtig finde ich persönlich, dass der Bericht nicht allein eine Bestandsaufnahme enthält, sondern gleichzeitig mit 160 Empfehlungen für die künftige Kulturpolitik unseres Landes aufwartet. Als Anknüpfungspunkte wird hier explizit auf die Schaffung von Kulturregionen hingewiesen, wonach kommunale Gebietskörperschaften über kooperative Strukturen kulturelle Einrichtungen gemeinsam tragen. Die Diskussion über den Umgang mit den Empfehlungen, wie sie seit dem Frühjahr gelaufen ist, sehe ich sehr kritisch. Hier wurde m.E. unnötigerweise viel Porzellan zerschlagen. M.E. sollte mit Blick auf die Kulturförderung ebenso verfahren werden, wie ich es für die Finanzierung der Hochschulen für nötig halte: Erst über die Strukturen und notwendigen Schwerpunktsetzungen diskutieren, dann über die Finanzierung. Und in diese Diskussion müssen die Empfehlungen des Kulturkonvents selbstverständlich einbezogen werden – ohne dass im Vorhinein festgelegt wird, dass sie eins zu eins umgesetzt werden müssen. Diesbzgl. hat sich die SPD-Landtagsfraktion dafür stark gemacht, dass die Gespräche über das Landeskulturkonzept 2025 mit seinen Förderschwerpunkten, dass durch das Kultusministerium im September 2013 vorgelegt werden soll, unter Einbezug der Kulturschaffenden und betroffenen Fachverbände vonstattengeht.
(2) Kürzungen sind immer problematisch. Angesichts der Haushaltslage, der Verschuldung des Landes, des verfassungsrechtlichen Verbots der Neuaufnahme von Schulden ab dem Jahr 2020 und des Auslaufens der Solidarpaktmittel ab 2019, ist die Landesregierung m.E. verpflichtet, einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen und gleichzeitig die immensen Schulden Sachsen-Anhalts abzubauen. Das stellt uns zum einen vor die Herausforderung, alle Ausgabenposten hinsichtlich ihrer Effizienz zu analysieren und gleichzeitig vor dem skizzierten Hintergrund von Schwerpunktsetzungen Förderstrukturen anzupassen. Aus meiner Sicht müssen aber die Bereiche Soziales, Bildung und Kultur Vorrang bei der Ausfinanzierung haben, denn diese Bereiche "investieren" in die wichtigste "Ressource" unseres Landes: die Menschen.
(3) Die aufgezeigten Szenarien sind aus meiner Sicht keine Lösung. Ich stimme Ihnen zu, dass der Verlust für Halle und die umliegende Region substanziell wäre. Deshalb setzte ich mich bereits derzeit in Gesprächen mit der Landtagsfraktion sowie als Stadtrat in meiner Fraktion dafür ein, eine langfristige Lösung zu erarbeiten. Und das heißt für mich, dass sich das Land vor allem mit Blick auf die Finanzierung von Oper und Orchester nicht aus der Verantwortung ziehen kann. Vergleiche mit den Strukturen in Magdeburg hinken hier m.E. außerordentlich, da die Ausgangssituation in beiden Städten völlig unterschiedlich waren – und sind. Nichtsdestotrotz sehe ich auch die Akteure der TOO in der Verantwortung, konstruktiv an einer Lösung im Sinne aller Beteiligten mitzuwirken. Das kann z.B. auch künftig eine Kooperation im Rahmen von Kulturregionen sein.
(4) Gleichzeitig müssen wir neben der Überprüfung der Ausgabenseite und der Neustrukturierung der Kulturförderung künftig die staatlichen Einnahmen auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene verbessern. Hier sehe ich meine Aufgabe als möglicher Bundestagsabgeordneter: Umsetzung einer gerechteren Steuerpolitik, die die Finanzsituation der Kommunen und Länder nachhaltig verbessert bei gleichzeitiger Entlastung von Land und Kommunen von Pflichtaufgaben (z.B. die Kommunen im Bereich der Sozialgesetzgebung); Abschaffung des Kooperationsverbotes im Bildungsbereich, wodurch die Länder in diesem Sektor nachhaltig aufgrund von Finanztransfers durch den Bund entlastet werden; Neuauflage eines Solidarpaktes, der gezielt bundesweit strukturschwache Regionen unterstützt. Wenn es uns gelingt, diese Punkte umzusetzen, würden Länder und Kommunen spürbar entlastet und hätten mehr Mittel u.a. für den Kulturbereich zur Verfügung. Hieran arbeiten wir als SPD.
(5) Ich werbe für die Verankerung des Staatsziels Kultur auf Bundesebene. Die SPD-Bundestagsfraktion hat dafür bereits am 11.09.2012 den „Entwurf eines Gesetzes zur Aufnahme von Kultur und Sport ins Grundgesetz“ (Drucksache 17/10644) eingebracht. Allerdings blockierte die Schwarz-Gelbe Bundesregierung die Entscheidung darüber bisher. Hier haben Sie mit Ihrer Stimmabgabe die Möglichkeit, zur anstehenden Bundestagswahl am 22. September ein Zeichen für die Kultur als Staatsziel zu setzen.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Standpunkte verdeutlichen. Ich bitte Sie, mit mir bzgl. dieser wichtigen Fragen in Kontakt zu bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Karamba Diaby