Frage an Kai Gehring von Carsten T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Gehring,
gilt der § 130 StGB nur in Anwendung gegen deutsche Neonazionalsozialisten oder gilt er auch für Deutsche als Gruppe, die wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe beschimpft, böswillig verächtlich macht oder verleumdet werden?
Ich habe in der Frankfurter Rundschau einen Artikel von Frau Kiyak gelesen, der mich als einheimischer Deutscher sehr verletzt. Ich fühle mich hier als Angehöriger der BRD persönlich beschimpft und verächtlich gemacht. Meine persönliche Meinung ist, dass der Artikel die deutsche Bevölkerung böswillig verächtlich macht und verleumdet.
Der Artikel beginnt mit der Überschrift: "Lieber deutscher Nazi!" und geht weiter mit "Kein Kopf ist gerollt, keine Republik erschüttert, kein Minister trägt für rechte Gewalt Verantwortung. Als Nazi, als Menschenhasser oder Minderheitenbespucker lebt man in diesem Land wie Gott in Frankreich!"
http://www.fr-online.de/meinung/kolumne-lieber-deutscher-nazi-,1472602,11445174.html
Der Artikel stellt alle Deutschen unter den "alten Generalverdacht" und ich habe mich persönlich schon bei der Redaktion beschwert und eine Entschuldigung verlangt!
Nun zu meinen Fragen:
- Gilt der § 130 StGB auch in einem solchen Fall wie oben beschrieben?
- Müssen wir uns immer noch unter Generalverdacht des Nationalsozialismus stellen lassen, weil wir Deutsche sind?
- Zu welchen Massnahmen, welcher Reaktion würden Sie raten?
- Wie sehen Sie als demokratische Abgeordnete die Art und den Inhalt des Artikels?
- Könnten Sie diesen Artikel in Ihrer Partei bzw. im Bundestag ansprechen und mir die Reaktion der anderen Abgeordneten mitteilen?
Vielen Dank für Ihre Antwort!
Mit freundlichen Grüssen
Diplom-Ingenieur
Carsten Thiemann
Sehr geehrter Herr Thiemann,
danke für Ihre Meinungsäußerung zur FR-Kolumne "Lieber deutscher Nazi!"
Eine Kolumne ist ein kurzer Meinungsbeitrag. Dieser kann durchaus in pointierter Form verfasst sein, um die inhaltliche Intention durch besondere Leseanreize zu verdeutlichen.
Im Fall der Kolumne, auf die Sie Bezug nehmen, skizziert die Verfasserin ihre Wahrnehmung, in Deutschland werde nicht genug gegen Nazi-Positionen getan. Ihre Ansicht mag der/die einzelne Leser/in nun teilen oder auch nicht - eine Volksverhetzung enthält sie jedenfalls nicht. Die heutige Formulierung des Paragraphen 130 StGB beruht auf der historischen Erfahrung, dass der Nationalsozialismus auch durch rechtliches Dulden von Hetzpropaganda ermöglicht wurde. Die Anwendung des Paragraphen setzt eine Äußerung, die direkt zu Hass, Gewalt oder Willkür aufstachelt, voraus. Eine pure Meinungsäußerung hingegen erfüllt keinen Straftatbestand.
Als demokratischer Abgeordneter betrachte ich das Recht der Meinungsfreiheit als ein hohes Gut. Ebenso wie Sie, gehöre auch ich zu den "einheimischen Deutschen", fühle mich aber durch die Kolumne von Frau Kiyak keineswegs verletzt. Im Gegenteil: Der dort geäußerten Kritik an den Aktivitäten von Neonazis sowie der impliziten Forderung nach einer konsequenteren Politik gegen Rechtsextremismus stimme ich zu.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Gehring