Frage an Kai Dolgner von Frank W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dolgner,
wie ich im obigen Text lesen kann, sprechen Sie von gegenseitiger Rücksichtnahme, bezogen auf die Religionsausübung. Das kann ich als Demokrat grundsätzlich unterschreiben.
Wie stehen Sie denn aber zu dem öffentlichen Ruf des Muezzin. Wie Sie sicherlich wissen, ist dieser Ruf nicht direkt mit dem Läuten einer Kirchenglocke vergleichbar.
Wenn schon Michael Bertrams, oberster Verfassungsrichter in NRW, die Unvereinbarkeit der Scharia mit dem Grundgesetz feststellt, wie sieht es denn dann mit dem öffentlichen Gebetsaufruf aus? Denn der basiert auf dem Koran. Und der Koran ist nicht "interpretierbar". UND enthält die Scharia als wesentlichen Bestandteil.
Ihr Parteikollege und Bürgermeister unserer Stadt hält sich politisch bedeckt. Er verweist "nur" auf das Baurecht. Lärmemission etc. .
Doch von Ihnen erbitte ich eine klare Stellungnahme. Wie oben geschrieben, bin ich gerne Demokrat und nutze die Chancen der Demokratie, gerne auch die der Res Publica. Also, Herr Dr. Dolgner, setzen Sie sich für oder gegen den öffentlichen Ruf des Muezzin ein? Egal ob in Rendsburg oder anderswo in Deutschland?
Ihrer geschätzten Antwort entgegensehend,
Frank Weisner
Sehr geehrter Herr Weisner,
wie ich bereits geschrieben hatte, bevor meine Antwort hier wieder gelöscht wurde, weil der Fragestelle ein Mitbewerber war, glaube ich, dass die freie Religionsausübung ein hohes Gut ist. Die freie Religionsausübung sollte von gegenseitiger Rücksichtnahme geprägt sein. So hat zum Beispiel das Landgericht Arnsberg auch schon eine Kirche zur Verringerung der Glockenlautsstärke verurteilt. Auch der Ruf eines Muezzins müsste sich nach meiner Auffassung an die gültigen Lärmschutzbestimmungen halten, ein entsprechendes Lärmgutachten liegt nicht vor. Ich glaube, dass zunächst einmal der angebotene Dialog gesucht werden sollte. Der Inhalt des islamischen Gebetsruf ist christlichen Bekenntnissen und Gebeten (zumindest nach der Übersetzung in der Wikipedia) nicht unähnlich und nicht per se verfassungsfeindlich. Im Alten Testament findet sich übrigens z.B. die Steinigung für eine ganze Reihe von Delikten (z. B. Lev 24,6, Lev 24,23, Dtn 22,20-21, Dtn 22,23-24) und auch Luther predigte die Todesstrafe für Hexerei, alles Dinge die mit unserem heutigen Rechtsstaat völlig unvereinbar sind, genauso wie z. B. Strafen aus der Scharia. Das Grundgesetz, Strafgesetzbuch etc.gelten ausnahmslos und überall in Deutschland, religiöse Vorschriften (oder was Fundamentalisten dafür halten) jeder Religion, haben dahinter zurückzutreten. Ich kann den von Ihnen gesehenen Zusammenhang zwischen Gebetsruf und illegaler(!) möglicher Anwendung der Scharia nicht nachvollziehen. Ich wurde übrigens drei Straßen weiter unter Glockengeläut in der Kreuzkirche (lutherisch) getraut. Ich habe darin keinen Anspruch der Kirche gesehen, dass die biblischen Gesetze wieder Anwendung finden sollten, deshalb werde ich mich auch nicht grundsätzlich gegen den Ruf des Muezzins aussprechen, solange dieser in den oben gesteckten Rahmen der gegenseitigen Rücksichtnahme(z. B. nicht in den frühen Morgenstunden) bleibt.
Es liegt halt nicht im Ermessen eines Bürgermeisters (oder eines Landtagsabgeordneten), den Ruf eines Muezzins nach persönlichen Überzeugungen grundsätzlich zu verbieten oder zu erlauben. Die freie Regionsausübung ist im Grundgesetz Artikel 4 Absatz 2 garantiert und darf deshalb nur aus sehr gutem Grund eingeschränkt werden. Hier wäre es halt das Bundesimmissionsschutzgesetz. Herr Breitner hält sich also nicht "bedeckt", sondern er hält sich als gewählter Beamter an Recht und Grundgesetz, wie sie es von einem guten Demokraten erwarten können.
Mit freundlichen Grüßen
Kai Dolgner