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Jutta Paulus
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Martina B. •

Sie haben an der Abstimmung "Lockerung der Regeln für neue Gentechnik" am 7.02.2024 nicht teilgenommen. Wieso fehlen Sie bei einer solch wichtigen Abstimmung?

Das Ergebnis war knapp - sogar ein Abgeordneter der Fraktion GRÜNE / EFA hat für die Lockerung der Gentechnikregeln gestimmt !
www.abgeordnetenwatch.de/eu/9/abstimmungen/lockerung-der-regeln-fuer-neue-gentechnik?vote[yes]=yes&vote[abstain]=abstain&vote[no_show]=no_show&constituency=All&fraction=All&page=2
Ich finde bei dem Thema Gentechnik und Nanotechnik sollten alle Grünen Abgeordneten teilnehmen, weil es dabei um Alles geht.
Das Parlament beginnt damit nun die Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten über die endgültige Form des Gesetzes. Werden Sie bei kommenden Abstimmungen zu dem Thema anwesend sein und gegen Gentechnik und Nanotechnik abstimmen?
Oder sind Sie für Gentechnik und Nanotechnik?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau B. (aus Datenschutzgründen schreibe ich den Namen nicht aus)

vielen Dank für Ihre Frage.

In der Tat habe ich bei der Abstimmung zu den "new genomic techniques" NGT nicht konsistent entlang der Fraktionslinie gestimmt und bei der Schlussabstimmung gar nicht mitgestimmt. Das hat folgenden Hintergrund:

Ich bin Naturwissenschaftlerin und fühle mich den wissenschaftlichen Erkenntnissen und Schlussfolgerungen verpflichtet. Der wissenschaftliche Konsens zu den im Gesetzesentwurf adressierten Genveränderungen ist überwältigend. Ich verweise hier stellvertretend auf die gemeinsame Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, der Union der deutschen Akademien der Wissenschaften und der Deutschen Forschungsgemeinschaft:
https://www.leopoldina.org/publikationen/detailansicht/publication/wege-zu-einer-wissenschaftlich-begruendeten-differenzierten-regulierung-genomeditierter-pflanzen-in-der-eu-2019/ 

Die zur Abstimmung stehenden genetischen Veränderungen unterliegen engen Begrenzungen. So ist beispielsweise festgelegt, dass das Erbgut an maximal 20 Stellen verändert worden sein darf. Zum Vergleich: In jedem Weizenkorn gibt es pro Generation ungefähr 200 zufällig auftretende Mutationen. Außerdem ist die Art der Veränderungen beschränkt: eine Resistenz gegen Herbizide unterliegt in jedem Fall dem "alten" Gentechnikrecht mit aufwändiger Zulassung. Unter NGT fallen per definitionem nur Pflanzen, die nicht von solchen unterschieden werden können, die durch die klassische Zucht entstanden sind. Bei der klassischen Zucht wurden und werden übrigens radioaktive Stoffe und mutagene Substanzen eingesetzt, die Abertausende von Mutationen auslösen. Die Samen, die diese Behandlung überleben und aufgehen, werden dann auf brauchbare Eigenschaften untersucht. Diese Schrotschussmethode wird weder von Bündnis 90/Die Grünen noch von den Bioverbänden kritisiert. Wird aber "mit dem Skalpell" gearbeitet, so wird das als Teufelszeug gebrandmarkt. Diese Logik leuchtet mir nicht ein. 

Ich stecke also im Dilemma zwischen wissenschaftlicher Überzeugung und Parteitagsbeschluss.

Deshalb habe ich - anders als Damian von Boeselager, Mitglied der Partei VOLT, der dafür gestimmt hat - bei der Schlussabstimmung nicht mitgestimmt.

Ich hoffe, meine Begründung ist einleuchtend, auch wenn Sie meine Ansicht nicht teilen.

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