Frage an Jutta Niemann von Ralf G. bezüglich Staat und Verwaltung
Sehr geehrte Frau Niemann,
während der nun fast ein ganzes Jahr dauernden Corona-Einschränkungen hat sich gezeigt, dass der Landtag von Baden-Württemberg weitgehend aus dem Bewusstsein der Bevölkerung verschwunden ist. Kritiker sprechen sogar von einer Selbstentmachtung des Landtags.
Beim Thema Corona tritt in der Wahrnehmung vieler Menschen nur noch Ministerpräsident Kretschmann in Erscheinung. Viele Menschen haben das Gefühl, dass die Bundeskanzlerin, einige Bundesminister und die Ministerpräsidenten der Länder alleine über die Einschränkungen von Grundrechten in der Bundesrepublik Deutschland entscheiden. Die Spitzenpolitiker der jeweiligen Regierungsparteien haben sich vom Wahlvolk und den normalen Abgeordneten abgekoppelt. Viele Bürgerinnen und Bürger fühlen sich bei grundlegenden Bedürfnissen und der Wahrnehmung von Grundrechten nicht mehr ernst genommen.
1. Welche Maßnahmen wollen Sie im Falle Ihrer Wahl in den Landtag ergreifen, damit der Landtag seiner gesetzgeberischen Aufgabe und seiner Kontrollfunktion gegenüber der Regierung gerecht wird?
2. Waren die baden-württembergischen Landtagsabgeordneten seit den Corona-Einschränkungen im März 2020 tatenlos und haben sich von der Exekutive weitgehend "kaltstellen lassen"?
3. Wofür brauchen wir den Landtag und die Landtagsabgeordneten noch, reichen nicht auch ein Ministerpräsident und ein paar Landesminister?
Über eine Antwort mit konkreten Beispielen würde ich mich freuen.
Mit freundlichen Grüßen
Ralf Garmatter, Kirchberg an der Jagst
Sehr geehrter Herr Garmatter,
Beteiligung, Debatte und Transparenz sind für mich unverzichtbare Elemente der Demokratie. Die Corona-Pandemie ist auch für unsere demokratische Verfahren und Regeln eine Herausforderung.
Der Landtag von Baden-Württemberg hat als erster Regelungen getroffen, um das Parlament stärker in die Entscheidung zur Corona-Pandemie mit einzubinden. Auf Vorschlag von unserer grünen Fraktion und der CDU haben wir im Juli ein „Gesetz über den Erlass infektionsschützender Maßnahmen“ verabschiedet. Es legt fest, dass der Landtag innerhalb von 24 Stunden über eine neue Verordnung informiert werden muss. Die Zustimmung des Landtags braucht die Landesregierung zwingend für hohe Einzelausgaben zur Pandemiebekämpfung. Außerdem haben wir festgelegt, dass der Landtag zustimmen muss, wenn Verordnungen länger als zwei Monate gültig sein sollen. Lehnt der Landtag ab, läuft die Verordnung nach vier weiteren Wochen aus.
Seit dem Sommer war ich über die regulären Sitzungen des Landtags hinaus sechs Mal zu einer kurzfristig anberaumten Sondersitzung in Stuttgart. Dort wurden die jeweiligen Beschlüsse der Konferenz der Ministerpräsidenten diskutiert und auch Beschlüsse dazu gefasst. Am Freitag, den 5. März kommen wir Parlamentarier*innen wieder zu einer solchen Sondersitzung zusammen.
Im Jahr 2020, also während der Corona-Pandemie, haben wir Abgeordnete neben der Corona-Politik, darunter z.B. der Festlegung des Finanzrahmens für landeseigene, branchenspezifische Hilfsmaßnahmen eine Vielzahl von neuen Gesetzen und Initiativen vorbereitet, debattiert und verabschiedet, so das äußerst wichtige und umfangreiche Klimaschutzgesetz, das Gesetz für mehr Artenvielfalt, eine neues Grundsteuergesetz, ein Zweckentfremdungsverbotsgesetz für Wohnraum, die Emission von „Green Bons Baden-Württemberg“ , die Einführung eines Lobbyregisters und, und, und…
Die parlamentarische Demokratie war also auch unter Corona aktiv und handlungsfähig. Es kann nicht die Rede davon sein, dass das Parlament nicht gebraucht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Jutta Niemann