Warum verfolgen die Grünen nicht offen und konsequent auch Menschenrechtsverletzungen durch die USA an?
Sehr geehrter Herr Pahlke,
Baerbock und die Grünen prangern lautstark und öffentlich Menschenrechtsverletzungen Russlands und des Iran an.
Dazu 2 Fragen:
1. Warum prangern Baerbock und die Grünen nicht ebenso beharrlich, lautstark und öffentlich die gravierenden Menschenrechtsverletzungen der Amerikaner in Guantanamo an??
quelle: https://www.amnesty.de/informieren/aktuell/vereinigte-staaten-von-amerika-17-jahre-guantanamo-bedrohung-fuer-die
2. In der Opposition haben sich die Grünen und Baerbock laut für die Freiheit von Julian Assange stark gemacht, dem für die Offenlegung von Verbechen der US Regierung gegen die amerikanische Verfassung und internationale Staaten nun lebenslange Haft droht, was auch einiges über das Demokratieverständnis der USA aussagt.
Warum setzen sich, jetzt in Regierungsverantwortung, Baerbock und die Grünen nicht ebenso lautstark und öffentlich für Assange ein?
Würden Sie Fr. Baerbock, als Außenministerin, auffordern für Assang aktiv zu werden?
Heike R.
Sehr geehrte Frau R.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift und Ihr Engagement für Menschenrechte weltweit.
Den grünen Menschenrechtsparlamentarier*innen und mir liegt das Thema der Menschenrechtsverletzungen in dem Gefangenenlager von Guantánamo sehr am Herzen.
Seit 20 Jahren werden dort Gefangene ohne strafrechtliche Anklage, ohne Anrufung ordentlicher Gerichte sowie ohne angemessene anwaltliche Verteidigung ihrer persönlichen Freiheits- und Sicherheitsrechte beraubt. Menschenrechte und Grundfreiheiten, wie das Recht auf ein faires Verfahren und richterliche Haftprüfung, werden nicht beachtet. Zudem werden in Guantánamo Verhörmethoden angewendet, die Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichkommen. Solch ein Umgang mit Gefangenen missachtet Menschenrechte und steht im Widerspruch zu internationalem Völkerrecht.
Die Ampel hat auf grüne Initiative hin im Oktober 2022 dazu den Antrag „Unterstützung für die Schließung des Gefangenenlagers in Guantánamo Bay nach 20 Jahren“ verabschiedet. Ich begrüße die Ankündigung des Weißen Hauses, das Lager Guantánamo noch während der Amtszeit von US-Präsident Biden zu schließen.
Die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, und somit auch ich, verfolgen außerdem den Fall von Julian Assange seit langem mit großer Aufmerksamkeit und Sorge.
Julian Assange, Gründer der Plattform Wikileaks, kann seit mehr als elf Jahren nicht mehr in Freiheit leben. Seit April 2019 ist er im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh in Großbritannien inhaftiert, wo er auf die Entscheidung des Vereinigten Königreichs über seine von den Vereinigten Staaten von Amerika beantragte Auslieferung wartet. Wegen seiner Veröffentlichungen, einschließlich der Aufdeckung von US-Kriegsverbrechen im Irak und in Afghanistan, drohen ihm in den Vereinigten Staaten bis zu 175 Jahre Haft.
Wie viele Menschenrechtsorganisationen sind auch wir sehr besorgt über den Abschreckungseffekt, den eine Auslieferung und ein Gerichtsverfahren in den USA für Pressefreiheit weltweit haben könnten. Es braucht international mehr Schutz für Plattformen wie Wikileaks, für Whistleblower*innen und Journalist*innen und nicht weniger. Eine freie Presse und Kontrolle von Regierungshandeln sind Grundvoraussetzung für das Funktionieren von Demokratien. Die Auslieferung Julian Assanges wäre ein fatales Symbol für Presse- und Medienschaffende weltweit. Wir halten sie deswegen für falsch.
Darüber hinaus fürchten wir um die Gesundheit von Julian Assange, der sich derzeit in Einzel- und Isolationshaft befindet. Die nationalen Parlamente aus 46 europäischen Staaten haben sich für die Bewertung elementarer Menschenrechtsfragen mit ihrer parlamentarischen Versammlung des Europarats ein Gremium gegeben, das genau diesem Zweck dient. Wir weisen ausdrücklich auf die Resolution 2317 dieses Gremiums und die dort enthaltenen Forderungen hin.
Anlässlich des Internationalen Tags der Pressefreiheit am 3. Mai 2022 habe ich gemeinsam mit 36 anderen Bundestagsabgeordneten einen interfraktionellen Brief an britische Abgeordnete geschrieben, indem sie ihre Sorgen geäußert haben und, die britischen Kolleg*innen dazu aufgefordert haben, sich für Julian Assange einzusetzen und ihnen unsere Unterstützung in der Sache angeboten.
Auch positionierte ich mich dazu deutlich öffentlich bei Twitter und Instagram. Ich setze mich für die Pressefreiheit von Julian Assange ein und dafür, dass er nicht in die USA ausgeliefert wird.
Die in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbrieften Menschenrechte, zu deren Achtung und Umsetzung sich auch das Vereinigte Königreich verpflichtet hat, müssen im Mittelpunkt der endgültigen Entscheidung von Innenministerin Suella Braverman stehen.
Natürlich bin ich und ist die Fraktion zu beiden Themen auch mit der Außenministerin Annalena Baerbock im Austausch.
Mit freundlichen Grüßen
Julian Pahlke