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Julian Eder
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Frage von Björn H. •

Frage an Julian Eder von Björn H. bezüglich Finanzen

Hallo Herr Eder,

Ihren Aussagen entnehme ich, dass Sie sich für die Regulierung der Mietpreise von öffentlicher Stelle einsetzen. Ich selber kenne viele Immobilieninvestoren, welche zusammen mehrere Hundert Wohneinheiten im gesamten Rhein-Main Gebiet besitzen und diese zu einem großen Teil an Studenten, Arbeitslose, Geringverdiener und Flüchtlinge vermieten.

Aus erster Hand habe ich erfahren, dass diese Investoren Ihre Bauprojekte beim Eintritt einer Mietpreisbremse einstellen werden, da die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben ist. Der Anteil von Privatinvestoren ist gerade in ländlichen Regionen, wie dem Wetteraukreis sehr hoch.

Wir gehen Sie damit um, dass Investoren bei der aktuell steigenden Nachfrage nach Wohnraum ihre Projekte einstellen werden, obwohl diese eigentlich dazu gedacht sind, das Gegenteil zu bewirken? - Schließlich ist durch eine Regulierung des Mietzinses die Attraktivität, sich als Investor (sowohl Privat, als auch Institutionell) für den sozialen Wohnungsbau einzusetzen, wesentlich geringer.

Viel Erfolg!

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Antwort von
DIE LINKE

Hallo Herr Hoffmann,

Man muss sich vom Wohnungs"Markt" verabschieden. Ein Markt versorgt Menschen mit notwendigen Waren. Der Wohnungsmarkt ist gescheitert - er kann die Menschen nicht mit Wohnungen versorgen.

Von allen Seiten wird uns eingeredet, dass niemand ohne einen Gewinnanreiz in den Wohnungsbau oder die Instandhaltung von Wohnungen investieren würde. Das ist falsch!

Richtig ist hingegen: Nur die profitorientierten Bauträger und Unternehmen würden nicht mehr investieren. Aber in anderen Bereichen des öffentlichen Lebens kommt die Allgemeinheit gut ohne deren Investitionen aus. Beispiele sind Bildung, öffentliche Sicherheit, Straßenbau, usw. Die sind überwiegend losgelöst von unmittelbaren Gewinnaussichten und werden als öffentliche Aufgabe angesehen. 

Was spricht dagegen, die Wohnungsversorgung als öffentliche Aufgabe anzusehen? Die Gegner dieses Denkmodells führen gerne die hohen Kosten ins Feld. Doch allein von den milliardenschweren Subventionen, die als  Kosten für die Unterkunft, als Wohngeld und als Steuergeschenke für Eigentümer Jahr für Jahr in die Taschen der Besitzenden fließen, ließe sich eine soziale Wohnungspolitik sehr wohl finanzieren. Vor allem langfristig würde ein dauerhaft mietpreisgebundener Wohnungsbestand die öffentlichen Haushalte sogar spürbar entlasten.

Beispiel dafür: WIEN. Zwischen 1918 und 1934 gelang es der damaligen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei einen Gemeindewohnungsbestand von 60 000 Wohnungen zu schaffen.  Das wurde aus den Einnahmen einer Wohnungsbau- und Luxussteuer finanziert. Statt 30% musste ein Arbeiterhaushalt nur noch 4% des Einkommens für Miete aufbringen. Bis heute hat der Bestand an Sozialwohnungen in Wien mietpreisdämpfende Wirkung.
Mit einer progressiven Besteuerung des privaten Immobilienbesitzes wurde der private Wohnungsmarkt soweit eingeschränkt, dass die öffentliche Hand Grundstücke preisgünstig ankaufen konnte, auf denen die Stadt baute.

Konkrete Vorschläge sind:

* Mit dem Ausbau des kommunalen und staatlichen Wohnungsbaus auf den Markt einwirken: 
250 000 Sozialwohnungen jedes Jahr errichten (es fehlen 5 Mio. in Deutschland).

* Festlegung von Quoten: 30% oder 50% Sozialwohnungen in jeden Bebauungsplan.

* Die Kommunen müssen selber bauen. Selber neue Wohnungsbaugesellschaften gründen. Stärkung der Wohnungsbaugesellschaften mit Zuschüssen - Beispiel: Main-Kinzig-Kreis.

* Kein Verkauf von Grund und von Wohnungen aus öffentlichem Eigentum.

* Förderung von Genossenschaften.

* Mieterrechte stärken.

Nur wenn die Immobilienbesitzer daran gehindert werden, ihren Besitz uneingeschränkt zu verwerten, können die Voraussetzungen für den Bau preisgünstiger Wohnungen geschaffen werden. Dafür bräuchte es mutige Politiker/innen, die sich mit der Immobilienwirtschaft anlegen. Die Politik sollte sich nicht fürchten, Investoren zu verschrecken. Denn nur da, wo es gelingt, profitorientierte Akteure aus der Wohnungsversorgung herauszuhalten, öffnen sich Türen für eine wirklich andere, sozial gerechte Wohnungspolitik.

Mit freundlichen Grüßen,

Julian Eder