Frage an Julia Söhne von Manuel F. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrte Frau Söhne,
zunächst größten Dank, dass Sie sie sich bei dieser Aktion so vielen Fragen stellen.
Da ich erstmals bei einer Bundestagswahl noch unentschlossen bin, wen ich wählen werde, möchte ich gerne den meisten Kandidaten 6 einfache Fragen stellen. Auf verschiedenen Ebenen sehe ich unsere gesellschaftliche Entwicklung nämlich momentan gefährdet. Ich fürchte, dass meine Wahlentscheidung durch ein strategisches Vorgehen zur Vermeidung des schlimmsten Übels abgenommen wird und folglich im Erhalt der etablierten Strukturen endet.
1) Wie stehen Sie zu Verteuerung von fossilen Brennstoffen als Anreiz eines beschleunigten Umstiegst auf alternative Energieträger; insbesondere vor dem Hintergrund der begrenzten Zugänglichkeit zu diesen neuen Technologien für wirtschaftlich schwächer aufgestellte Bürger und Unternehmen?
2) Wie stehen sie zur Teilung bei der Krankenversicherung in öffentlich und privat und bei der Altersvorsorge in noch diversere Konstrukte? Was möchten Sie hier tun?
3) Wieviel sollte 1 kg Schweinehack kosten? Was sagen Sie zur derzeitigen Praxis der Fleischproduktion in Deutschland?
4) Was halten Sie vom Rundfunkbeitrag? Finden Sie dessen Höhe angemessen?
5) Wie glauben Sie, die zunehmende Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus zu lösen.
6) Sind wir in unseren internationalen Beziehungen richtig positioniert? Wo sollten wir stärker Position beziehen, wem sollten wir uns stärker annähern?
Vielen Dank für Ihre Antworten und beste Grüße,
Manuel Fischer
1. Ein steigender CO2-Preis ist ein wichtiger Baustein, um den Umstieg auf klimafreundliche Alternativen attraktiver zu machen. Doch brauchen wir dabei soziale Ausgleichsmaßnahmen, denn viele können diesen Umstieg aus eigener Kraft nicht stemmen. Die Mehreinnahmen aus der CO2-Bepreisung wollen wir daher gezielt für eine sozial abgewogene Klimapolitik einsetzen: Durch Förderprogramme und gesetzliche Regelungen werden wir verhindern, dass die Kosten für den Einbau klimafreundlicher Heizungssysteme oder steigende Heizkosten einseitig die Mieter:innen belasten. Eine Reform bei der EEG-Umlage soll erreichen, dass die Stromrechnung für die Bürger:innen trotz CO2-Bepreisung am Ende sogar sinkt. Durch Förderprogramme für den ÖPNV und im Bereich der E-Mobilität wollen wir den Umstieg auf klimafreundliche Mobilität für alle möglich machen.
2. Ich lehne diese Teilung ab und setze mich für die Einführung der Bürgerversicherung ein. Das bedeutet: Eine solidarische Finanzierung, gleich guter Zugang zur medizinischen Versorgung für alle und eine hohe Qualität der Leistungen. Für die Altersvorsorge gilt das gleiche wie für die Gesundheitsversorgung: Ein leistungsfähiges System braucht eine solidarische und stabile Finanzierung. Dafür müssen wir die Sondersysteme überwinden und auf lange Sicht die Gesamtheit der Erwerbstätigen – also auch Selbstständige, Beamt:innen, freie Berufe und Mandatsträger:innen – in die gesetzliche Rentenversicherung aufnehmen. Für mich gilt der Grundsatz: Gesundheit ist keine Ware und die Absicherung gegen Lebensrisiken darf anderen nicht dazu dienen, Profite zu machen.
3. Vor fast 20 Jahren wurde der Tierschutz als Staatsziel in das Grundgesetz aufgenommen – doch mit Blick auf die Praxis der Fleischproduktion in Deutschland ist vollkommen klar, dass wir diesem Ziel nicht gerecht werden. Dabei ist Ablehnung der industriellen Fleischproduktion in der heutigen Form nicht nur eine Frage des Tierwohls. Auch gegen die Folgekosten für die Gesellschaft wie nitratverseuchtes Grundwasser und gegen die Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter in der Fleischindustrie durch prekäre Arbeitsverhältnisse und fehlenden Arbeitsschutz müssen wir weiter und noch viel konsequenter vorgehen. Es ist klar, dass diese Maßnahmen zu höheren Fleischpreisen führen werden – doch das muss es uns wert sein.
4. Bei aller Kritik, die sich an den Programmen im Einzelnen sicher immer anbringen lässt: Insgesamt leisten die öffentlich-rechtlichen Sender einen ganz wichtigen Beitrag für eine vielfältige und unabhängige Presselandschaft, für Meinungs- und Informationsfreiheit. Das System der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren dient dabei als Garant gegen Abhängigkeiten von politischen und wirtschaftlichen Interessen. Den Rundfunkbeitrag halte ich daher für angemessen.
5. Bildung, Aufklärung, eine klare Sprache in der politischen Auseinandersetzung und eine lebendige Erinnerungskultur – all das sind wichtige Bausteine. Als Gemeinderätin habe ich mich gemeinsam mit vielen anderen über viele Jahre für die Einrichtung eines Dokumentationszentrums eingesetzt, in dem die Zeit des Nationalsozialismus dauerhaft aufbereitet und besonders für Schülergruppen präsentiert wird. Auch das Gedenken an die Opfer der Gewaltherrschaft soll dort künftig einen dauerhaften Ort erhalten. Aus meiner Tätigkeit im Gemeinderat weiß ich auch, wie wichtig ein zumindest minimaler Grundkonsens zwischen den demokratischen Parteien ist, um den Rechtsextremisten von der AfD keine Bühne für ihre Grenzüberschreitungen und Provokationen zu bieten. Bei allem muss uns leider klar sein, dass der Einsatz gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Antisemitismus keine einmal zu lösende Aufgabe ist, sondern tägliche Herausforderung für uns alle.
6. Die veränderte geopolitische Situation nach der Abwahl von Donald Trump bietet eine neue Chance für den Multilateralismus – also für eine Rückkehr zum Respekt für Internationale Zusammenarbeit, für geltende Verträge und internationale Organisationen. In dem Zusammenhang ist es interessant, die Frage zu stellen, wie sich das „wir“ in Ihrer Frage ausbuchstabieren lässt: Für mich als überzeugte Europäerin ist klar: „wir“ – das bedeutet „wir Europäer“. Denn als einzelner Nationalstaat hat Deutschland in der Welt kein Gewicht. Auch in der EU bietet der Moment nach viel langen Jahren lähmender Brexit-Verhandlungen die Chance, dass wir uns endlich wieder auf die künftigen Herausforderungen konzentrieren. Eine große Baustelle ist dabei die Nachbarschaftspolitik im Osten wie im Süden: Besonders die Partnerschaft zwischen Europa und Afrika wollen wir politisch und wirtschaftlich deutlich ausbauen und auf ein neues Level der Zusammenarbeit heben. Nicht das Thema Abschottung von Migration, sondern die Chancen der Zusammenarbeit sollten hier auch im Mittelpunkt der öffentlichen Diskussion stehen. Im Verhältnis zu schwierigen wirtschaftlichen und politischen Partnern wie Russland oder China müssen wir auch den Dialog über Interessens- und Wertekonflikte offen und ehrlich führen und dabei auch Menschenrechtsverletzungen zur Sprache bringen und klar verurteilen.