Jürgen Weiler
PIRATEN
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Frage von Georg H. •

Frage an Jürgen Weiler von Georg H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Weiler,

die Resignation und Politikverdrossenheit ist inzwischen so groß, dass besonders viele junge Menschen diesen Bereich ganz ausblenden. Selbst an Land- und Bundestagswahlen nimmt nur jeder zweite teil. Unsere Regierung ist also nur von ca. 25% der Wahlberechtigten gewählt, weitere rund 25% waren dagegen und fast 50% war es egal, wer uns regiert. Anders die Schweiz, in der bei wichtigen Entscheidungen die Bürger das letzte Wort haben. Damit fährt man seit Jahrzehnten gut, während im übrigen Europa und anderswo eine Krise die nächste jagt. Es liegt auf der Hand, ohne direkte Demokratie hätte die Schweiz heute die gleichen Probleme (sie wäre der EU beigetreten, hätte den Euro, hohe Schulden usw.).

Meine Fragen an Sie:
1. Wie stehen Sie persönlich dazu, den Bürgern statt nur bei Wahlen auch bei wichtigen Sachfragen ein Stimmrecht zu geben?
2. Wird Ihre Partei die Einführung von Elementen der direkten Demokratie aktiv betreiben, passiv bleiben oder sogar verhindern?
3. Steht dieser Punkt bei den Piraten konkret auf der politischen Agenda für die kommende Legislaturperiode?

Ich wäre Ihnen dankbar für eindeutige Antworten. Dieses Thema ist von hoher Bedeutung, weil unser System zu einer Pseudo-Demokratie verkommen ist, die zu Stillstand, Resignation und Politikverdrossenheit führt. Das Land wird faktisch von finanzstarken Lobbyisten regiert, die sich der Medien (als Meinungsmacher) und Parteien (als ausführende Organe) bedienen. Natürlich nicht ohne Gegenleistung, eine Hand wäscht die andere.
Die Demokratie im Sinne des Grundgesetzes ("Alle Macht geht vom Volk aus") kann m. E. nur durch eine breite Beteiligung mündiger Bürger an politischen Entscheidungen überleben. Politiker und Parteien, die diesen positiven Ansatz für mehr Demokratie nicht unterstützen, sind für mich nicht mehr wählbar. Deshalb nochmals die Bitte um klare Antworten.

Beste Grüße
Georg Hartl

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrter Herr Hartl,

zunächst vielen Dank für Ihre Frage, die es mir ermöglicht, eines meiner Kernanliegen näher zu erläutern.

Zu 1.
Ich sehe es so, dass das Volk als Souverän seine Macht nicht nur durch Wahlen ausübt, sondern auch durch Abstimmungen. Genau so steht das im Artikel 20 unseres Grundgesetzes. Bisher hat die Politik aller Regierungen seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland es stets verstanden, durch juristische Interpretationen die faktisch nach meiner Meinung bereits im Art. 20 GG verankerte Durchführung von Volksentscheiden zu verhindern. In der Praxis bedeutet dies - in voller Übereinstimmung mit unserem Wahlprogramm - dass die Bürger in Volksabstimmungen direkt über Gesetze entscheiden können und so selbst Verantwortung übernehmen. Ich bin der Auffassung, dass sich damit die Ausbreitung der deutlich erkennbaren Politikverdrossenheit zuerst eindämmen und letztlich zurückführen lässt.

Zu 2.
Die Piratenpartei hat unter der Überschrift "Direkte Demokratie" folgende Forderungen verbindlich beschlossen:
- Ein im Parlament beschlossenes Gesetz soll nicht in Kraft treten, wenn die Bürger es in einer Abstimmung ablehnen (fakultatives Referendum).
- Wichtige EU-Reformen und Verfassungsänderungen müssen immer durch die Bürger in einer Abstimmung bestätigt werden (obligatorisches Referendum).
- Die Piratenpartei ist für die Einführung von Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden auf Bundesebene.
- Wir unterstützen die Ergänzung der Europäischen Bürgerinitiative durch unionsweite Bürgerbegehren und Bürgerentscheide im Bereich der EU-Gesetzgebung.
- Alle Verfahrenshürden müssen für die Bürger bei angemessenem Aufwand überwindbar sein.

Die Piratenfraktion im Bundestag wird die Erfüllung dieser elementaren Forderungen aktiv betreiben.

Zu 3.
Es wäre ziemlich vermessen, heute schon Auszüge der Agenda einer noch nicht gewählten Bundestagsfraktion der Piratenpartei zitieren zu wollen. Ich kann Ihnen aber versichern, dass ich für den Fall, Mitglied dieser Fraktion zu werden, die Einführung bundesweiter Volksentscheide ebenso intensiv betreiben werde, wie die umgehende Verabschiedung eines Gesetzes gegen Abgeordnetenbestechung im Sinne der UN-Konvention von 2003.

Gestatten Sie mir abschließend noch den Hinweis auf unser Wahlprogramm, wo Sie unsere Absichten und Forderungen im Detail nachlesen können. Sie können dies unter http://wiki.piratenpartei.de/Bundestagswahl_2013/Wahlprogramm online einsehen und/oder in einem von mehreren Dateiformaten auf Ihren Rechner bzw. Endgerät laden.

Ich hoffe, Ihnen mit meinen Antworten ein klares Bild meiner Position zu diesem Thema verschafft zu haben.

Mit freundlichen Grüßen

Jakob Jürgen Weiler