Jürgen Weiler
PIRATEN
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Frage von Kirstin K. •

Frage an Jürgen Weiler von Kirstin K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag,

als Bundesbürgerin muss ich zur Zeit anscheinend davon ausgehen, dass meine Mail-Aktivitäten protokolliert werden und im schlimmsten Fall auch die Inhalte meiner Nachrichten gelesen werden. Ich empfinde das als Angriff auf meine ureigensten Persönlichkeitsrechte, die in einer Demokratie doch von den Volksvertretern geschützt werden sollten. Welche Maßnahmen wollen Sie dagegen ergreifen oder sind Sie mit der momentanen Situation einverstanden?

Mit freundlichem Gruß,
K. Krässel

Antwort von
PIRATEN

Sehr geehrte Frau Krässel,
die in Ihrer Frage enthaltenen Befürchtungen teile ich vollumfänglich. Von daher kann weder für mich persönlich noch für meine Partei von einem Einverständnis mit der momentanen Situation die Rede sein. An konkreten Schritten gegen den zunehmenden Überwachungswahn, mit dem unter dem Vorwand notwendiger Sicherheitsmaßnahmen unsere verbrieften Grundrechte ständig weiter ausgehöhlt werden, fordern wir Piraten sehr detaillierte Einzelmaßnahmen, die in unserem Grundsatz- und Wahlprogramm ausführlich beschrieben sind. [1]

In Kurzform:
Wir wollen die informationelle Selbstbestimmung durch Einführung eines Datenschutzrechtes stärken, die Medienkompetenz der Bürger fördern, die Datenschutzbehörden stärken, einen verantwortungsvollen Umgang mit Meldedaten sicherstellen, den Datenhandel - insbesondere auch den durch öffentliche Verwaltungen - eindämmen, die verdachtsunabhängige Datenspeicherung verhindern und die bereits vom Bundestag beschlossene Bestandsdatenauskunft wieder abschaffen.

Wir Piraten sind gegen die Verwendung von Überwachungssoftware und fordern hier Transparenz sowie die Quellcode-Offenlegung. Die Piratenpartei setzt sich ferner für die Erweiterung des Artikels 5 Abs. 1 GG um die zwei Worte „digitale Netzwerke“ ein. Unser Formulierungsvorschlag lautet:

Neu: Artikel 5 (1) „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk, Film und digitale Netzwerke werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Da Grundgesetzänderungen einer 2/3-Mehrheit des Parlaments bedürfen, wird es besonders spannend, hierzu das Abstimmungsverhalten der momentan im Bundestag vertretenen Parteien zu beobachten. (Natürlich vorausgesetzt, unser Antrag wird überhaupt jemals im Bundestag behandelt.)

Im Weiteren fordern wir Piraten, dass Betroffene von Überwachungsmaßnahmen informiert werden müssen.

Es bedarf eigentlich keiner besonderen Erwähnung, aber vollständigkeitshalber sei angemerkt, dass wir Piraten auch alle Arten verdeckter Eingriffe in informationstechnische Systeme (z. B. mittels Bundes- oder Staatstrojaner) ablehnen.

Zum Abschluß dieser Aufzählung noch eine Sache, die uns sehr am Herzen liegt: der Schutz der Privatsphäre muss durch Rücknahme der in den vergangenen Jahren vom Gesetzgeber beschlossenen Einschränkungen im Grundgesetz wieder hergestellt werden.

Im Zusammenhang mit dem durch die Vorgänge um die NSU bekannt gewordenenen Versagen der Verfassungsschutzämter sowohl des Bundes als auch der Länder ist nach Auffassung der Piraten u.A. die Existenzberechtigung dieser Behörden kritisch zu hinterfragen.

Ich möchte als letzten Teil meiner Antwort noch mein absolutes Unverständnis über das Schweigen und die Hinhaltetaktik unserer Bundesregierung zu den zwischenzeitlich bekannt gewordenen Abhör- und Überwachungsaktivitäten der USA und Großbritanniens (das sind unsere Bündnispartner!) zum Ausdruck bringen.
Die Bundesregierung hat wochenlang geschwiegen und sich erst geräuspert, als bekannt wurde, dass die Politiker selbst überwacht und abgehört wurden. Und dieses Räuspern erfolgte zudem kaum wahrnehmbar, nachgerade so, als würde es sich um eine lästige Pflichtmeldung handeln. Es kann einfach nicht angehen, dass die Überwachung der Bürger stillschweigend hingenommen, diejenige der Politiker aber mißbilligt wird. Im Übrigen sehe ich hohen Erklärungsbedarf darin, warum sich die Bürger noch an Recht und Gesetz halten müssen, die Politik aber gerade bei unseren Grundrechten großzügig darüber hinwegsehen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Jürgen Weiler

Quellen:
[1]
https://www.piratenpartei.de/politik/wahl-und-grundsatzprogramme/wahlprogramm-btw13/freiheit-und-grundrechte/