Frage an Jürgen Osterlänger von Jörg L. bezüglich Verbraucherschutz
Die politischen Gremien in Brüssel sind ja sehr stark durch Lobbyisten beeinflusst und somit ist der Einfluss des einzelnen Bürgers durch die gewählten Vertreter (stark) geschwächt.
Welche Möglichkeiten sehen Sie, den "Volkswillen" stärker in der EU-Politik zum Ausdruck zu bringen?
Sehr geehrter Herr Leikam,
Sie sprechen ein sehr ernstes Thema an, das auch ernsthaft angegangen werden muss.
Die EU sieht keine Gewaltenteilung vor, obwohl diese das Fundament jeder Demokratie ist. Das von den EU Mitgliedsstaaten gewählte Europaparlament kann bei der Außen- und Verteidigungspolitik, der Atompolitik und bei grundsätzlichen Fragen der Wirtschaft nicht mitbestimmen. In keinem Bereich darf es Entwürfe für Richtlinien und Verordnungen einbringen. Es darf lediglich zusammen mit dem (Minister-) Rat über die Entwürfe abstimmen. Das ist für mich der erste fundamentale und skandalöse Knackpunkt, der scharf kritisiert werden und Frustration schaffen muss.
Heute sind etwa 80% aller neuen deutschen Gesetze lediglich die Umsetzung von EU-Vorgaben in nationales Recht. Diese Vorgaben erstrecken sich praktisch auf alle Bereiche des täglichen Lebens. Die Gesetzesvorlagen werden von Lobbyverbänden formuliert, da in der EU-Verwaltung die nötigen Fachleute fehlen. Das Gemeinwohl ist dadurch oft nicht im Vordergrund. Es dominieren wirtschaftliche Interessen.
Der Volkswillen kann und soll in einer lebendigen Demokratie nach dem Schweizer Vorbild durch Wahlen und Abstimmungen (= Volksentscheide) gestärkt werden und es sollte sich damit eine demokratische Kultur entwickeln, in der sich die Bürger ernst genommen fühlen. Jedes Erschweren der Hürden oder gar das fehlende Recht auf Volksentscheide (in Bayern gibt es das Recht, im Bund nicht) fördert die Politikverdrossenheit und vergrößert die Schar der Nichtwähler. Radikalen Strömungen, die auf einfache Antworten setzen, wird damit leichtfertig in die Hände gespielt.
Wenn wir in Deutschland den Verträgen von Lissabon einfach per Parlamentsbeschluss zustimmen anstatt das Volk in einer öffentlichen Debatte aktiv zu beteiligen, dann muss sich niemand über die negativen Folgen wundern. Die Verträge wirken wie eine Verfassung mit weitreichenden Folgen wie dem teilweisen Aushebeln des Grundgesetzes, einer weitere Entdemokratisierung und z.B. dem Festschreiben der neoliberale Wirtschaft. Die ÖDP hat übrigens mit 3 Klagen vor dem Verfassungsgericht dagegen geklagt, über die noch nicht entschieden ist.
Was für mich noch ein sehr wichtiges Thema ist: die Käuflichkeit der Politik und Parteien. Wenn wir es zulassen, dass Konzerne große Geldbeträge an Parteien spenden, darf man getrost annehmen, dass Gegenleistungen erfolgen. Gekaufte Politik oder legalisierte politische Korruption nenne ich das. Die ÖDP verbietet sich als einzige mir bekannte Partei per Parteisatzung die Annahme von solchen Spenden. Sie ist damit wirklich frei und allein dem Parteiprogramm oder dem gemeinwohlorientierten politischen Gewissen verpflichtet.
Wenn andere Parteien diesem Beispiel folgen würden, hätte wir wichtige Bausteine einer aktiven Bürgerdemokratie geschaffen und dem Frust entgegengewirkt.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Osterlänger