Frage an Jürgen Kucharczyk von Sonja W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kucharczyk,
es sollte der Politik doch zu denken geben, dass europäische Politik, wann immer das Volk dazu befragt wird, auf breite Ablehung stößt.
Erst durch die Niederländer und die Franzosen, nun durch die Iren.
Wie ich schon sagte, die Verträge sind eine schallende Ohrfeige an die Bürger der EU, und die Abstimmungsergebnisse der Referenden sind die passende Antwort der Bürger darauf. Eine besondere Frechheit ist die Behauptung, der Vertrag von Lissabon stärke die Demokratie- eher das krasse Gegenteil ist der Fall! Dies sagt sogar Roman Herzog, seines Zeichens ehemaliger Bundespräsident und oberster Verfassungsrichter - ich masse mir nicht an, ihm da zu widersprechen!
Ihr Argument, die parlamentarische Demokratie hätte 60 Jahre gut funktioniert, erscheint mir ein bischen schmal angesichts unserer überschäumenden Bürokratie - und angesichts der breiten Ablehnung des EU-Vertrags auch in Deutschland.
Umfragen zufolge wäre der Vertrag von Lissabon auch in Deutschland gescheitert, Sie aber haben dafür gestimmt. Gegen die mehrheitliche Volksmeinung sozusagen. Ist das etwa Demokratie?
Nein, es ist die Usurpation der politischen Amtsinhaber, welche den einstigen Souverän, das Volk, schleichend und in ermüdendendem Gesetzeskauderwelsch entmachtet haben. Die Folge: eine Politik der Oligarchen und Plutokraten.
Im Prinzip haben Sie meine Frage nicht beantwortet, denn der Hinweis auf die parlamentarische Demokratie entbindet die Politik nicht von einer moralischen Verpflichtung, das Volk zu befragen wenn Verträge mit Verfassungsrang zur Disposition stehen.
Auch verstehe ich nicht, warum Sie für den Vertrag gestimmt haben wenn Sie unser Grundgesetz für ausreichend gut befinden - warum dann eine übergestülpte EU-Verfassung durch die Hintertür?
Solch weitreichende Beschlüsse bedürfen doch erheblicher Erklärungen, die ich in Ihrer Antwort bisher vermisse und um die ich Sie hiermit nochmals bitte.
Mit freundlichen Grüßen,
Sonja Weil
Sehr geehrte Frau Weil,
ich bin der Überzeugung, dass der Vertrag von Lissabon die Demokratie in Europa stärken wird. Sie sind anderer Auffassung. Das respektiere ich und bitte Sie, dass Sie ebenfalls meine Ansicht respektieren. Und: Demokratie heißt nicht notwendigerweise, dass Volksentscheide zugelassen sind.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kucharczyk
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