Frage an Jürgen Kucharczyk von Klaus K. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Kucharczyk
Bekanntlich nehmen trotz sinkender Geburtenraten bei stetig gestiegenen Schutzanstrengungen, Kindesmisshandlungen und Vernachlässigungen weiter zu, deren Ursachen in Fachkreisen hinlänglich bekannt sind, jedoch noch immer nicht zu entsprechenden Konsequenzen geführt haben.
Ein Grund, weshalb bis heute bisherige Schutzanstrengungen unsere Kinder vielfach zu spät erreichen, bzw. erst richtig greifen, wenn das Kind zuvor bereits in den sprichwörtlichen Brunnen gefallen ist.
Eine effektive Abhilfe erkenne ich in der Einführung eines länderübergreifenden Schulfaches, oder Umgestaltung bestehender Lehrpläne, mit dessen Hilfe Kinder langfristig in drei nachvollziehbaren Stufen,
1. gewaltpräventiv lernen, was Gewalt ist. Welche Folgen sie hat und wie man ihr sinnvoll und gewaltvermeidend begegnet.
Es hätte zudem den unschlagbaren Vorteil, dass sich Kinder bereits frühzeitig selbst als Opfer erkennen und schneller Hilfe abrufen könnten.
2. Vermittlung von Eigen- und Sozialverantwortungsbewusstsein.
Wie z.B. im verantwortungsbewussten Umgang mit der eigenen Sexualität, oder gemeinsinnfördernde Werte zu vermitteln, die sofern sie später einmal Personen in führende Positionen von Wirtschaft, Politik und Sozialwesen bekleiden, ein sozialverantwortliches Handeln generieren sollten.
3. Elternvorbereitung.
In diesem Rahmen stelle ich mir die Vermittlung pädagogischer Kenntnisse vor, die jungen Menschen befähigt, ihren künftigen Kinder nicht nur liebevoll, sondern auch mit notwendiger Fachkompetenz zu begegnen. Denn nachweislich tragen in erster Linie persönliche Defizite, wie auch fehlende Erziehungskenntnisse von sorgeberechtigten Eltern/teilen zum Leid vieler Kinder bei.
Würden Sie solch eine Zielsetzung unterstützend aufgreifen? Oder können Sie mir einen Rat geben, an welche Stellen so eine Idee getragen werden müsste, damit sie ernsthaft geprüft wird? Etwa durch Petitionsanträge an die jeweiligen Landesregierungen?
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Klüber
Berlin, 26. Februar 2008
Sehr geehrter Herr Klüber,
für Ihre E-Mail danke ich Ihnen.
Ihrem Vorschlag, ein Schulfach mit den Inhalten Gewaltprävention, Eigenverantwortung und Elternvorbereitung kann ich Positives abgewinnen. Sie erkennen zu Recht, dass die Ursachen von Gewalt gegen Kinder und Jugendliche vielfältig sind. Wenn jungem Leben unaussprechlich Grausames geschieht oder es gar endet, dann wird wohl immer ein Rest Unerklärbarkeit bleiben und wir werden auch mit engmaschigen Kontrollen nicht jede schreckliche Tat verhindern können. Von Seiten der Politik muss nichtsdestotrotz alles getan werden, um die Anzahl der Gewalttaten zu reduzieren bzw. Gefahren für das Wohl der Kinder frühzeitig zu erkennen. In gleichem Maße ist auch die Gesellschaft gefordert (Familie, Freunde, Nachbarn, Behörden wie die Jugendämter). Ein Schulfach mit den von Ihnen geschilderten Inhalten könnte dabei nützlich sein. Ich kann allerdings nicht einschätzen, inwieweit der Lehrinhalt pädagogisch vermittel- und umsetzbar wäre. Wie Sie wissen, sind die Obliegenheiten über das Schulwesen in der Kulturhoheit der Länder verankert, so dass die Bundespolitik hier nicht „von oben“ etwas bestimmen kann, da die konkrete Umsetzung in den Ländern und in den Kommunen ansteht. Daher mein Vorschlag an Sie: Leiten Sie ihre Idee doch an das Bayrische Staatsministerium für Unterricht und Kultus weiter. Ich wünsche Ihnen, dass Sie dort Ansprechpartner finden, die Ihnen mit Hinweisen zur Seite stehen.
Wie muss eine menschenwürdige Gesellschaft ihre Kinder vor Vernachlässigung und Misshandlung schützen? Mit der Klarstellung von Kinderrechten in der Verfassung können wir die Bedingungen, unter denen unsere Kinder aufwachsen, weiter verbessern und den Kinderschutz stärken. Die Behörden wären noch stärker in der Pflicht, Präventionsarbeit zum Wohle der Kinder zu leisten und gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder herzustellen. Leider stellt sich bis zum heutigen Tage die CDU/CSU quer und blockiert die Aufnahme von Kinderrechten in die Verfassung.
Die SPD-Bundestagsfraktion und ich wollen, dass 100 Prozent der Kinder an den Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen. Die Schaffung eines verbindlichen Einladungswesens durch immer mehr Bundesländer ist genau der richtige Weg. In Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein treten entsprechende Kinderschutzgesetze noch im Frühjahr 2008 in Kraft. So können Eltern, die ihre Kinder nicht zur Vorsorgeuntersuchung bringen, ausgemacht werden. Ebenso wichtig ist der Abbau der Einkommensarmut durch Mindestlöhne, die die Existenz sichern. Ich könnte noch viele Maßnahmen nennen, z.B. den in der konkreten Umsetzung befindlichen Ausbau der Kinderbetreuung für unter Dreijährige, ich will aber an dieser Stelle aus Platzgründen enden.
In Übrigen gibt es in meiner Heimatstadt Remscheid ein Schulprojekt, welches sich „Streitschlichter“ nennt. An der städtischen Albert-Einstein-Gesamtschule werden Schülerinnen und Schüler in dieser Hinsicht ausgebildet, um das Gewaltpotenzial an der Schule zu reduzieren.
Sehr geehrter Herr Klüber, für Rückfragen stehe ich Ihnen gern zur Verfügung und würde mich freuen, wenn Sie mich hinsichtlich der weiteren Entwicklung Ihrer Idee auf dem Laufenden halten könnten.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Kucharczyk MdB