Frage an Jürgen Heinen von Philipp M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Heinen,
wie schätzen Sie die derzeitige Drogenpolitik der Bundesregierung ein und welche Veränderung würde Sie in der Drogenpolitik vorantreiben wollen?
Vielen Dank und freundliche Grüße,
P. M.
Sehr geehrter Herr M.,
Die Große Koalition hat eine meiner Ansicht nach eine durchwachsene Bilanz in der Drogenpolitik.
Einerseits hat sie zwar nach vielen Jahren der Diskussion endlich eine Möglichkeit geschaffen, dass Krankenkassen Patientinnen und Patienten Cannabismedikamente (Blüten etc.) finanzieren. Das war ein Meilenstein, für den auch wir Grüne jahrelang gekämpft haben. Allerdings sind die Regelungen unzureichend, da einige Krankenkassen Patientinnen und Patienten noch immer Steine in den Weg legen können. Mit der Reform der so genannten Betäubungsmittelverschreibungsverordnung können Opiatabhängige besser und unbürokratischer mit Substitutionsmedikamenten versorgt werden. Sie können zum Beispiel auch eine bestimmte Menge des Medikamentes mit nach Hause nehmen.
Andererseits hat die Große Koalition alle Schritte, die zu einer Abkehr von der repressiven Drogenpolitik und einer Entkriminalisierung führen würden, rigoros abgelehnt. Sie hat mit dem so genannten Neue Psychoaktive Substanzen Gesetz neue Verbote eingeführt, obwohl klar ist, dass bereits die bestehenden Verbote nichts bewirken. CDU/CSU und SPD weigern sich, die Wirkungen der bestehenden Drogenpolitik auch nur zu evaluieren.
Die Bundestagsfraktion der CDU/CSU stellt außerdem die Interessen der Tabakindustrie vor den Jugendschutz. Sie blockiert einen Gesetzentwurf, der die Tabakwerbung im Interesse des Jugendschutzes einschränken würde.
Es ist ein Schwarzmarkt für illegale Drogen entstanden, auf dem keine Regeln gelten und Jugendliche und Kinder nicht geschützt sind. Das zeigt: Die repressive Drogenpolitik ist gescheitert. Drogenkonsumentinnen und -konsumenten zu verfolgen, bindet bei Polizei und Staatsanwaltschaften Personal. Personal, das beispielsweise bei der Aufklärung von Wohnungseinbrüchen oder beim Schutz vor Terrorismus fehlt.
Viele mit dem illegalen Drogengebrauch verbundene gesundheitliche Risiken wie gefährliche Infektionskrankheiten, Verunreinigungen und Überdosierungen sind eigentlich Folgen der Kriminalisierung, nicht der jeweiligen Substanzen. Verunreinigte, mehrfach benutzte Spritzen übertragen Infektionen, die Wirkstoffkonzentrationen schwanken zwischen fünf bis 60 Prozent, Dealerinnen und Dealer mischen unter die Drogen alle möglichen Substanzen von Glas über Mehl bis hin zu Blei, um das Volumen zu erhöhen und mehr Geld zu verdienen. Vor einigen Jahren war Heroin mit dem Milzbranderreger Anthrax versetzt. Kontrollen gibt es keine auf dem Schwarzmarkt. International hat die repressive Drogenpolitik Staaten wie etwa Mexiko und ganze Regionen in Afrika und Südamerika destabilisiert und zu schweren Menschenrechtsverletzungen geführt.
Grüne Drogenpolitik beruht auf den drei Säulen Prävention, Regulierung und Schadensminderung. Wir setzen auf glaubwürdige Prävention und wollen die Selbstverantwortung mündiger Erwachsener stärken. Kinder und Jugendliche schützen wir mit unserer Politik wirksam vor Drogen, die Werbung für Drogen soll beschränkt werden. Wer verantwortungslos Drogen wie Alkohol, Cannabis oder Tabak an Kinder oder Jugendliche verkauft, muss bestraft werden.
Wir wollen das Selbstbestimmungsrecht der Menschen schützen und die gesundheitlichen Risiken verringern, die mit dem – übermäßigen bzw. gesundheitlich riskanten – Drogenkonsum verbunden sind. Menschen, die Drogen gebrauchen, dürfen nicht länger kriminalisiert werden. Psychoaktive Substanzen sollen nach ihren gesundheitlichen Risiken reguliert werden. Ideologie ist fehl am Platz. Ausschlaggebend sollen allein die gesundheitlichen Risiken sein, die ein regelmäßiger Konsum dieser Substanzen mit sich bringt.
Abhängige und andere Menschen mit riskantem Drogengebrauch brauchen unsere Hilfe und unsere Akzeptanz. Ihnen sollen eine gute Gesundheitsversorgung und wirksame Behandlungsmöglichkeiten bereit stehen. Drogenkonsumentinnen und -konsumenten müssen sicher sein können, dass ihre Drogen nicht verunreinigt sind.
Folgende Veränderungen in der Drogenpolitik wollen wir GRÜNE vorantreiben:
1. Wir wollen den Schwarzmarkt für Cannabis austrocknen und die organisierte Kriminalität zurückdrängen. Dazu werden wir ein Cannabiskontrollgesetz einführen. Es ermöglicht die legale und kontrollierte Abgabe von Cannabis in lizenzierten Fachgeschäften. Erwachsenen Privatpersonen soll es zukünftig erlaubt sein, bis zu 30 Gramm Cannabis oder drei Cannabispflanzen zum Eigenbedarf zu erwerben und zu besitzen. Gleichzeitig wollen wir ein reguliertes und überwachtes System für Anbau, Handel und Abgabe von Cannabis schaffen. Dabei soll – im Gegensatz zu heute – der Verbraucher- und Jugendschutz sowie die Suchtprävention greifen.
2. Wir wollen keine neuen Verbote und Konsumentinnen und Konsumenten von Drogen nicht länger kriminalisieren. Damit werden auch Polizei und Staatsanwaltschaften entlastet. Es werden finanzielle Mittel frei, die für Prävention, Schadensminderung und bessere Therapieangebote eingesetzt werden können.
3. Wir wollen so genanntes Drugchecking ermöglichen. Dabei sollen Konsumentinnen und Konsumenten zum Beispiel in der Clubszene die Möglichkeiten erhalten, psychoaktive Substanzen auf gefährliche Inhaltsstoffe oder Beimengungen kontrollieren zu lassen. Damit werden die bestehenden gesundheitlichen Risiken dieser Substanzen zu einem Teil eingeschränkt, Vergiftungen oder Überdosierungen so reduziert.
4. Wir wollen eine gute Gesundheitsversorgung von Abhängigen gewährleisten und bedarfsgerechte Hilfsangebote ermöglichen. Dazu gehören auch Möglichkeiten zur Abgabe von sauberen Spritzen, um Infektionskrankheiten wie HIV oder Hepatitis zu reduzieren.
Mit freundlichen Grüßen
Jürgen Heinen