Heute sind so viele Menschen geimpft wie nie zuvor, dennoch wütet die Pandemie wie nie zuvor. Warum werden dabei die Studien ignoriert, dass die Impfung kaum Einfluss auf die Verbreitung hat?
Sehr geehrter Herr Baumgärtner,
Dass die Impfung trotz gutem Schutz vor schwerer Erkrankung die Ausbreitung des Virus kaum verhindert, bestätigte die Oxford-Studie im August, dann eine weitere Arbeit (The Lancet, 29. Oktober). Demnach wird die Weitergabe nicht relevant durch die Impfung beeinflusst, und beim Risiko, sich selber anzustecken, ist der Unterschied ernüchternd: In häuslicher Umgebung waren es 25% Geimpfte gegenüber 38% Ungeimpften, sie sich infizierten. Zudem fand kürzlich ein Team der renommierten Harvard-Universität in 68 Ländern keinen Einfluss der Impfung auf die Ausbreitung.
https://link.springer.com/article/10.1007/s10654-021-00808-7
Können Sie anregen, dass diese Erkenntnisse besser beachtet werden, damit effizientere Maßnahmen beschlossen werden (etwa Kontaktbeschränkungen und Testpflicht ohne Unterschied zwischen geimpft / ungeimpft)?
Wären diese Studien nicht auch wichtig bei der Diskussion um eine Impfpflicht?
Mit freundlichen Grüßen und besten Wünschen
Sehr geehrter Herr R.,
ich danke Ihnen für Ihre Nachricht und Ihre Hinweise, die mich natürlich prompt erreicht haben und die in meine politische Arbeit eingeflossen sind. Die lange Wartezeit auf eine Antwort bitte ich sehr zu entschuldigen.
Das Robert-Koch-Institut führt zu der Frage „Können Personen, die vollständig geimpft sind, das Virus weiterhin übertragen?“ in Zusammenhang mit der Delta-Variante Folgendes aus: „Daten aus Zulassungsstudien wie auch aus Untersuchungen im Rahmen der breiten Anwendung (…) belegen, dass die in Deutschland zur Anwendung kommenden Covid-19-Impfstoffe SARS-CoV-2-Infektionen mit der Delta-Variante (symptomatisch und asymptomatisch) in einem erheblichen Maße verhindern (…).Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person trotz vollständiger Impfung PCR-positiv wird, ist signifikant vermindert (…). Darüber hinaus ist die Virusausscheidung bei Personen, die trotz Impfung eine SARS-CoV-2 Infektion haben, kürzer als bei ungeimpften Personen mit SARS-CoV-2 Infektion. In welchem Maß die Impfung die Übertragung des Virus reduziert, kann derzeit nicht genau quantifiziert werden.“
Hinsichtlich einer Verbreitung des Virus durch geimpfte Personen im Zusammenhang mit Omikron teilt das RKI Folgendes mit: „Wie hoch das Transmissionsrisiko unter Omikron ist, kann derzeit noch nicht bestimmt werden. Es muss jedoch davon ausgegangen werden, dass Menschen nach Kontakt mit SARS-CoV-2 trotz Impfung PCR-positiv werden und dabei auch Viren ausscheiden und infektiös sind. Dabei können diese Menschen entweder Symptome einer Erkrankung (die zumeist eher milde verläuft) oder überhaupt keine Symptome entwickeln. Zudem lässt der Impfschutz über die Zeit nach und die Wahrscheinlichkeit trotz Impfung PCR-positiv zu werden nimmt zu.“
Daher empfiehlt das RKI: „Zusätzlich muss das Risiko, das Virus möglicherweise auch unbemerkt an andere Menschen zu übertragen, durch das Einhalten der Infektionsschutzmaßnahmen weiter reduziert werden. Daher empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) auch nach Impfung die allgemein empfohlenen Schutzmaßnahmen (Kontaktreduktion, Alltagsmasken, Hygieneregeln, Abstandhalten, Lüften) weiterhin einzuhalten.“ (vgl. https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/COVID-Impfen/FAQ_Transmission.html)
Ich teile Ihre Ansicht, dass dem politischen Handeln in dieser Pandemie fundierte wissenschaftliche Studien und Einschätzungen zugrunde liegen müssen. Die Bayerische Staatsregierung geht diesen Weg und wägt/wägte in der sich dynamisch wandelnden Pandemielage immer wieder ab, welche Maßnahmen aufgrund der aktuellen Lage erforderlich sind. Hinsichtlich der Omikron-Variante kann man nun mit einiger Zeit Rückschau feststellen, dass sich das Virus zwar rasanter verbreitet hat, aber die Verläufe milder ausgefallen sind. Dies lässt weitere Lockerungen zu wie sie die Staatsregierung beschlossen hat.
Hinsichtlich der Einführung einer Impfpflicht möchte ich vorausschicken, dass ich überzeugt bin, dass das Impfen gegen Corona eine gute Sache ist, dass es schützt und aktuell weiterhin der wichtigste Baustein raus aus dieser Pandemie ist. Dennoch ist die Entscheidung für oder gegen eine Impfung meines Erachtens eine sehr persönliche Entscheidung. Ich habe mich ganz klar für die Impfung entschieden: Ich bin geimpft und ich habe mich boostern lassen. Eine allgemeine Impfpflicht lehne ich nach aktuellem Stand ab, da Überzeugungsarbeit, Aufklärung und noch mehr niedrigschwellige Angebote der bessere Weg sind, um Menschen vom Impfen zu überzeugen. Eine allgemeine Impfpflicht würde den Menschen die persönliche Entscheidung nehmen und viel zu viel Druck in der Gesellschaft aufbauen.
Mit freundlichen Grüßen,
Jürgen Baumgärtner, MdL