Frage an Jost de Jager von Klaus-D. S. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrter Herr de Jager,
der Bologna-Prozess erzeugt bundesweit eher zu- als abnehmend Frustration. Bei der hierzu gehörenden Frage, ob Gymnasien das Abitur in 13 Jahren (G9) anbieten dürfen, oder in 12 (G8) anbieten müssen, kehren viele Bundesländer reumütig zu G9 zurück.
ich habe den Eindruck, dass sich die CDU S-H in dieser Frage wieder stärker an der Haltung der FDP orientiert und G9 wieder positiver bewertet. Doch wie wird sich die CDU in einer großen Koalition zu G9 stellen, oder in Jamaika?
Das Vorgehen der Wentorfer CDU, die sich einer Anweisung des Kutusministeriums und der Wünsche der Schulkonferenz des Gymnasiums Wentorf (GW) und eines Bürgerbegehrens, G9 am GW zu ermöglichen, wenn auch mit fadenscheinigen Argumenten, bisher erfolgreich widersetzt hat, lässt hier Zweifel an der Treue der CDU zum G9 aufkommen.
Wird die CDU G9 zu einer Kernforderung möglicher Koalitionsverhandlungen machen?
Wird sich die CDU aktiv für eine höhere Verbindlichkeit, geringere Themenausschlüsse und bürgerfreundlichere Durchführungsbestimmungen für Bürgerentscheide einsetzen?
Gibt es eine Chance für G9 am GW?
Mit freundlichen Grüßen
K. Schwettscher
Sehr geehrter Herr Schwettscher,
vielen Dank für Ihre Anfrage an mich, die ich Ihnen gerne beantworte.
Unsere Abiturientinnen und Abiturienten sollen im nationalen und internationalen Vergleich bestehen können. Deshalb treten wir für den G8-Bildungsgang an den Gymnasien ein.
Was Ihre Frage für das Angebot bei Ihnen vor Ort betrifft, gilt das Schulgesetz. Dies räumt den Gymnasien auch die Möglichkeit des 9-jährigen Bildungsganges ein. Voraussetzung dafür ist, dass für den Schulträger bezüglich Sach- und Raumbedarf kein Mehraufwand entsteht und nicht mehr Personal benötigt wird. Über einen Wechsel, eine Veränderung der Schulform, entscheidet die Schulleitung im Einvernehmen mit der Schulkonferenz und dem Schulträger. Wenn kein Einvernehmen hergestellt werden kann, entscheidet das Ministerium.
Die CDU legt jedoch auf einen echten Schulfrieden wert und wird daher die bisherigen Entscheidungen zu G8 oder G9 vor Ort nicht in Frage stellen. Hat sich eine Schule entschieden das Abitur nach 9 Jahren anzubieten, dann wird sie das auch weiterhin tun können, wenn sie die entsprechenden Rahmenbedingungen erfüllt. Wir respektieren den Elternwillen vor Ort und wollen keine Unsicherheit in betroffenen Familien schaffen.
Ferner gehört es zum Verständnis der CDU Schleswig-Holstein, dass die Bürgerinnen und Bürger an politischen Entscheidungsprozessen teilhaben sollen und auch über förmliche Beteiligungsverfahren hinaus zur Konfliktlösung mit beitragen können. Dies bedeutet nicht, dass die Verantwortung in der repräsentativen Demokratie den Abgeordneten genommen werden soll. An Stelle einer Änderung der formalisierten Entscheidungsprozesse muss vielmehr als Ergänzung eine weitergehende Beteiligungs- und Kommunikationskultur treten.
Die CDU in Schleswig-Holstein hat bereits durch die Dialogforen für die Fehmarnbeltquerung oder auch die Forderung, eine Ombudsstelle für mögliche Konflikte um die erneuerbaren Energien einzurichten, gezeigt, dass sie einer weitergehenden Bürgerbeteiligung offen gegenübersteht und Konzepte für diese Beteiligung anbietet.
Auch in Zukunft wollen wir neue Arten der Beteiligungen entwickeln und anbieten. So können Schlichtungen, Schiedsverfahren und Mediationen zu einer größeren Akzeptanz demokratisch legitimierter Entscheidungen führen.
Mit besten Grüßen
Ihr
Jost de Jager