Frage an Joseph Wandl von Sarah M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Wandl,
interessiert beobachte ich den Wahlkampf der Parteien in Bayern. Anders als bei den anderen Parteien, finde ich die Berufe bei den Linken spanend, da von Zeitungen und Fernsehen ja immer gesagt wird, dass die Linke nur aus Arbeitslosen, frustrierten Arbeitern und Altkommunisten bestehen würde. Nach dem ich bei Kandidatenwatch die Profile der Linken-Bewerber durchgelesen habe, stelle ich fest, dass es Polizisten, Schulleiter, Dipl-Ing., Lehrer, Therapeuten, Mediziner, Facharbeiter etc. also eher untypische, teilweise völlig unerwartete (Polizist, Leherer), Berufe sind. Alle Verfassungsfeinde, laut bayerischer Staatsregierung.
Sie haben angegeben, dass Sie Schulleiter sind, also doch eher ein Kandidat für die CSU. Warum engagieren Sie sich jetzt mit ihrem Beruf ausgerechnet bei der Linken? Danke für ihre Antwort.
Hallo Frau Müller,
vielen Dank für Ihr Mail. Sorry, dass ich erst jetzt antworte, aber ich musste mich als alleinerziehender Vater in den letzten Tagen um Probleme meiner älteren Tochter (studiert in Essen) kümmern. Ich hab auch noch eine jüngere Tochter, die gerade Abitur gemacht hat. Alleinerziehend bei zwei erwachsenen Kindern, da ist das meiste im Unterschied zu den letzten 12 Jahren (vor gut elf Jahren ist meine geliebte Frau an Krebs gestorben) schon überstanden. Und trotzdem liegt darin ein Grund, warum ich zwangsläufig bei den LINKEN landen musste. Obwohl ich damals als Seminarrektor und Dozent an der Uni Passau in Sachen Verdienst und Flexibilität der Arbeitszeit günstigste Bedingungen hatte, war es verdammt schwer, meine beiden Mädchen durch Kindheit und Jugend zu bringen. Ich habe mich immer wieder gefragt, wie das alleinerziehende Väter mit ihrer starren Arbeitszeit und alleinerziehende Mütter mit meist niedrigerem Einkommen schaffen. Ganz zu schweigen von dem Allein-Sein bei den unzähligen Entscheidungen und Nöten. Da ist mir klar geworden, wie verlogen die schönen Reden unserer Politiker und wie groß das Versagen der Regierung ist.
Volljährig sind sie geworden meine beiden - die Probleme jedoch sind deswegen nicht verschwunden. Jetzt, da auch die Kleine studieren soll, stelle ich fest, dass ich als Vater selbst beim dem Einkommen eines Rektors überfordert bin. Zukünftige 4mal pro Jahr Studiengebühren zahlen, Studentenwohnung, Bücher, Busfahrkarten, Verpflegung und Dinge des täglichen Bedarfs, all das schaffe ich nur, weil ich selber wenig ausgebe und meine bescheidenen Ersparnisse für die Ausbildung der Kinder verwende. Mir ist dabei erschreckend klar geworden, dass immer mehr der begabten, aber leider ärmeren Kinder, die mich in meiner Schule mit hoffnungsfrohen Augen anblicken, kaum angemessene Lebenschancen haben. Wenn Sie erleben, wie erwartungsvoll diese Kinder auf uns, die wir Verantwortung tragen, blicken, können Sie nicht anders, als es zumindest zu versuchen, dass unsere Welt wieder ein humaneres und gerechteres Antlitz erhält.
Es ist mir auch sehr klar geworden, dass ich als armer Bayerwaldbub mit Eltern aus der einfachen Arbeiterschaft heute überhaupt keine Chance mehr auf eine akademische Bildung und einen entsprechenden Beruf hätte. Dabei ist unser Land nicht ärmer geworden. Ganz im Gegenteil. Nur bei mir ist, wie bei den meisten - vor allem in unserer abgehängten ostbayerischen Region - in der Summe nichts angekommen. Das ist es auch, was ich meinen früheren Parteifreunden (ich war 20 Jahre in der CSU, sogar in der Ortsvorstandschaft und Kreisdelegierter) vorwerfe. Sie reden die Lebenssituation des Volkes schön und spielen den Reichtum jenen in die Hände, die ohnehin schon soviel haben, dass sie nicht mehr wissen, in welche Steuersparmodelle und Stiftungen sie ihre Millionen und Milliarden vor dem Volk, mit dessen Hilfe sie diese erworben haben, in Sicherheit bringen. Dabei wissen sie wohl, dass diese Gelder einer Gemeinschaft nur nutzen, wenn sie wieder in den Wirtschaftskreislauf zurückfließen. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass diese Politiker entweder zu dumm sind, diese Zusammenhänge zu erkennen, oder aber ganz bewusst mit jenen sympathisieren, von denen finanzielle Unterstützung für Partei und Person kommt. Wie anders ist es sonst zu erklären, dass sie, wie am 16. Juni bei einer Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung geschehen, dem Augsburger Weihbischof Losinger heftig applaudieren, wenn er mit einem Zitat von Papst Johannes XXIII sagt: "Ursprung, Träger und Ziel jeden wirtschaftlichen Handelns ist der Mensch." Verstehen die den Satz gar nicht? Oder beginnt für sie der Mensch erst ab einem bestimmtem Einkommen? Oder wollen sie mit ihrem Applaus die Tatsache überdecken, dass sie einen Großteil der Menschen dem Profitsystem opfern? Vielleicht denke ich als Doktor der Philosophie für diese Machtmenschen zu illusorisch. Für mich steht der freie und selbstbestimmte Mensch im Vordergrund. Ich möchte keinen Überwachungsstaat mit Videoüberwachung in meiner Wohnung, keine Online-Durchsuchungen, kein Nummernschild-scanning, kein mehrfaches Fotografiert werden an den Mautbrücken auf der Autobahn oder, was ich als zukünftige Möglichkeit aus der Entwicklungsabteilung von Audi gehört habe, kein funkgesteuertes Abschalten meines Fahrzeuges. Die Welt für unsere Kinder sollte eher freier werden, wenn wir, wie Schleiermacher es sagt, zu einem Steigen im Wechsel der Generationen kommen wollen.
Dazu bedarf es aber statt animalisch agierender Zeitgenossen, des personalisierten, humanen sowie rational gebildeten Menschen. Nicht raffiniert gut reden und dann verdeckt zum eigenen Vorteil das Böse tun, sondern das Wahre, Gute und Schöne, wie es unsere Bayerische Verfassung betont, im Herzen tragen. Und damit bin ich eigentlich bei dem inhaltlichen Hauptgrund, warum ich bei den LINKEN gelandet bin: Die Bildung.
Als ehemaliger Akademischer Rat für Schulpädagogik, Lehrbeauftragter für Grundschuldidaktik und Managementtraining, Seminarrektor für angehende Hauptschullehrer und jetzt Rektor von zwei Grund- und einer Hauptschule erlebte und erlebe ich soviel Unwissenheit und dummer Ideologie in Sachen Bildung seitens der Staatsregierung. Anstatt das, was man über Kinder und ihr Lernen, über pädagogische und unterrichtliche Formen seit langem weiß, ernst zu nehmen und Schule danach zu gestalten, rettet man zum x.ten Mal mit irgendwelchen Schlagwörtern die Hauptschule, verkürzt das Gymnasium, redet die überwiegend rückständige berufliche Bildung (von der Öffentlichkeit meist unbeachtet) schön und ignoriert den Qualitätsverlust sehr vieler Hochschulbereiche. Letzteres bekomme ich sehr deutlich im Bereich der Lehrerbildung, wo häufig die Nähe zur CSU oder dem Ministerium Qualität ersetzt. Dies gilt im übrigen mindestens genauso für das allgemeine Schulwesen. Neben dem Bedienen von Seilschaften nach dem Muster der SED werden Innovationen und vor allem Vor- und Querdenker blockiert, um nur nicht an der Ideologie des dreigliedrigen Schulsystems rütteln zu müssen. "Sie dürfen alles tun, so lange es nicht gegen die Dreigliedrigkeit geht", gab unser zuständiger Schulaufsichtsbeamte den versammelten Schulleitern mit auf den Weg. - Als käme es darauf an. Die kapieren nicht, dass es als erstes um den Menschen, um das Kind geht. Aus der Zwangs- und Sortieranstalt Schule mit seiner Organisation nach dem von Kaiserin Maria-Theresia vorgegebenem Muster des Militärs muss eine echte Stätte des freien und selbstmotivierten Lernens mit vielfältigen Angeboten, fördernden Hilfen und professioneller Lernberatung werden. Die Gleichmacherei bei welcher der Bildungsrasenmäher über die Köpfe fährt, einige skalpiert und andere überhaupt nicht erreicht, ist ein menschenverachtendes Konzept, dass sich fatal auswirkt für Gesellschaft und Volkswirtschaft. Jeder Lehrer kann beobachten, wie durch das Zurechtstutzen aus freudig die Schule beginnenden neugierigen und lernhungrigen Kindern angepasste Schulkonsumenten werden. Das Leuchten der Kleinen ist schnell verflogen, wenn sie alle auf Kommando für vorbestimmte Sachthemen, Rechenaufgaben und selbst Malen oder Singen motiviert sein sollen. Das schafft auch kein Erwachsener. Dazu kommt, dass man laufend vom Lehrer "bequatscht" wird. Die Folge ist das sprichwörtliche "Sich Zurücklehnen" in der Erwartungshaltung "Was macht er denn heut?" Und wenn man mal was macht, weiß man von vornherein, dass der Lehrer irgendwas immer zum Herummäkeln hat. Dies liegt schon im vom System her vermittelten falschen Berufsverständnis des Lehrers. Der Päd. Psychologe Rolf Oerter hat das neulich so ausgedrückt: "Die Schule ist der einzige Ort, wo man für seine Arbeit bestraft wird."
Warum sollen wir Schule nicht zu einem Bildungsladen machen, bei dem der Schüler eine Grundversorgung (Fundamentum) auf allen Lerngebieten zwingend erhält und dann je nach Leistungsfähigkeit, Motivation und individueller Situation - sein Additum- hinzufügt. Attraktive Angebote für vielfältigste Begabungen, angemessene Arbeitsmittel und Medien, Lernanreize, Lernberatung und -betreuung auch durch pädagogische Kräfte außerhalb der Lehrerschaft, selbstbestimmtes und selbständiges Lernen/Arbeiten in positiven Lernwelten, Aufbrechen der Jahrgangsstufen mit der Möglichkeit, voraus zu eilen und auch im Folgejahr das noch nicht Geschaffte weiter lernen zu dürfen, Abschaffung der Probearbeiten zu einem bestimmten Termin und dafür individuell beweisen zu können, dass man es kann, nachdem man gelernt hat, Lernen dürfen wann und mit wem man will (und sei es der Opa am Wochenende), direkte Leistungsvorlage statt verrechneter Zensuren, die nicht einmal vor dem Komma stimmen - und noch so viel mehr könnte uns helfen, dass jeder Bildung aktiv als eigene Aufgabe angeht, sich individuelle Begabungen zu unser aller Nutzen entfalten und Persönlichkeiten gestärkt und Optimismus in die Lebenswelt getragen wird.
Mir kommt es manchmal so vor, als wolle das unser System gar nicht wirklich. Als wolle man Menschen schon früh abrichten, verängstigen, frustrieren, gehorsam und unterwürfig machen, instrumentalisieren für ein Funktionieren im Dienste derer, die davon profitieren. Meiner Meinung nach ist das der sich immer stärker herauskristallisierende "neue Geldadel", der auf eine Renaissance eines modernen Feudalismus hinarbeitet. - Der aus meiner Heimatgemeinde stammende Kabarettist und Schauspieler Otfried Fischer hat das vor einigen Monaten als er in einem Interview gefragt wurde, ob ihm die CSU wegen des drohenden Mehrheitsverlustes leid tue, sinngemäß wie folgt beantwortet: Es habe so kommen müssen, dass eine Partei für soziale Gerechtigkeit und eine humane Gesellschaft eintritt, da nun der Westen nicht mehr beweisen müssen, dass er das bessere und menschlichere System habe. Bei einem meiner ersten Auftritte für die LINKE kam ein Arbeitsloser, der mittlerweile Mitgli
ed bei uns ist auf mich zu mit den Worten: "Da sieht man, wie weit die es schon getrieben haben, wenn sogar Leute wie Sie dagegen aufstehen." Und das trifft es genau auf den Punkt. Ich hatte in den letzten Jahren wie viele im Land die Nase voll von den Politikerköpfen in Presse, Funk und Fernsehen. Hab oft weggeschaltet, wenn wieder so ein Quatschkopf auf dem Bildschirm erschien und mir Mehrwertsteuererhöhung, Riesterrente, Arbeitslosenzahlen, Hartz IV, Kriegseinsätze, Diätenerhöhung, Korruption, ?.. schön reden wollte. Meine jüngere, sehr scharf analysierende und für ihr Alter schon viel zu ernüchternd hinter das System blickende Tochter gab den letzten Anstoß: "Papa, wenn wir in diesem Land frei leben und eine Chance haben wollen, darfst nicht abschalten und schimpfen - du musst dich einmischen und handeln." Ich wollte und will kein Politprofi sein, der nach Schule und Studium seine Karriere in Partei, Machtapparat und danach in den Vorstandsetagen der globalisierten Konzerne seine Millionen scheffelt. Ich will einfach Querdenker, Verkünder unangenehmer Wahrheiten, solidarischer Fürsprecher für die Schwächeren, die Kinder, aber auch für Tiere und die Bewahrung unseres einzigen Planeten, kurzum Stachel für die saturierten Machtbonzen und gedankenlosen Egoisten sein. Dazu ist es meines Erachtens unverzichtbar, der verbrauchten CSU die Mehrheit zu entziehen, am besten so weit, dass sie auch nicht mehr mit den sich anbiedernden Liberalen und "freien" Wählern regieren können. Denn dann passiert wieder nichts für die Menschen, nichts für die Weiterentwicklung in Richtung humane, freie und gerechte Welt - und schon gar nichts für unsere Kinder und deren Bildung. Sollte ich nach dem Willen der bayerischen Wähler mehr Einfluss erhalten, so werde ich mich nicht scheuen, auch konkret zu handeln. Und dies vor allem im Bereich der Bildung im beschriebenen Sinne. Handeln aber auch für eine größere Offenheit, mehr
Ehrlichkeit und als eines der ersten Dinge öffentlich machen, was unsere Regierung mit all dem vorhandenen Reichtum macht. Auch meine ich, sollten alle Bürger wissen, welche Politiker in welchen Gremien und Aufsichtsratsposten wie viel Geld kassieren und wessen Interessen sie wirklich vertreten.
Als unverbrauchter Kandidat und lebenserfahrener Seiteneinsteiger möchte ich gerne auch für alle, die angesichts des Einheitsbreies unserer Politbonzen gar nicht mehr wissen, wen Sie wählen sollen, eine ehrliche Alternative sein. Aufgrund des sonderbaren bayerischen Wahlsystems bin ich dabei auf eine möglichst breite Unterstützung meiner niederbayerischen Mitbürgerinnen und Mitbürger angewiesen. Nur wenn wir ein überdurchschnittliches Wahlergebnis erzielen, kann ein in einem kleineren Regierungsbezirk ein Kandidat ins Maximilianeum einziehen.
Viele Grüße
Joseph Wandl, Direktkandidat Passau-Ost, Liste 9, Platz 6 (Niederbayernliste)