Joseph Wandl
DIE LINKE
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Frage von Gerhard R. •

Frage an Joseph Wandl von Gerhard R. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrter Herr Wandl,

in der Schule werden Kinder, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, weil sie entweder einer anderen Religion/Konfession angehören oder weil sie nicht getauft wurden, oftmals diskriminiert.
Korrekt wäre es, den Ethikunterricht parallel zum Religionsunterricht anzusetzen, aber oft findet er am Nachmittag und manchmal sogar an einer anderen Schule statt. Halten Sie das für gerecht?

Gerhard Rampp

Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Rampp,

danke für Ihre Frage. Ich kann sehr gut verstehen, wenn Sie es für ungerecht halten, dass konfessionslose oder nicht-katholische Kinder bei der stundenplanmäßigen Organisation des Religions-/Ethikunterricht benachteiligt werden. Dies ist, wenn ich die Verhältnisse an meiner Schule ansehe, auch nicht zu leugnen. Während der katholische Religionsunterricht nicht nur fester Bestandteil des Stundenplans ist, sondern häufig sich die Planung auch noch nach den Ortspfarrern oder den auf mehrere Schulen verteilten Katecheten richten muss, beginnt die Benachteiligung bereits bei den evangelischen Kindern. Sie werden z.B. bei uns am Mittwochnachmittag über die Landkreisgrenze in einen benachbarten Schulort gefahren und haben dort zwei Unterrichtsstunden zusammen mit den Kindern aus allen Jahrgangsstufen meiner Schule in denen Protestanten sind sowie den Kindern aus den Klassen der Nachbarschule in denen ebenfalls evangelische Schüler sitzen. Wie Sie wissen, gibt es aber in manchen Klassen (3. und 4. Jahrgangsstufe) regulär drei Religionsstunden pro Woche. Den betreffenden, durch die Landschaft gekarrten Schülerinnen und Schülern wird so eine Stunde vorenthalten. Beschwert darüber hat sich allerdings noch niemand. Wenn, dann über die Tatsache, dass sie vormittags Wartestunden haben und durch einen zusätzlichen Nachmittag gegenüber den Katholiken bestraft werden.
Beim Ethikunterricht sieht es nicht viel anders aus. Den halten wir wenigstens in unserer Schule ab. In der Regel nehmen bei uns konfessionslose Schülerinnen und Schüler sowie Zeugen Jehovas daran teil. Ein thailändisches Mädchen gehört dem hinduistischen Glauben an. Wir haben wenigstens die Grundschüler und die Hauptschüler getrennt als jeweils eine Ethikgruppe organisiert (zwei Unterrichtsstunden) und den Unterricht so gelegt, dass zeitgleich in allen Grundschul- bzw. Hauptschulklassen der katholische Religionsunterricht parallel zum Ehtikunterricht liegt. Das geht nur, wenn man genügend Religionslehrer und/oder nicht in allen Klassen Ethikschüler hat. Es bringt auch organisatorische Nachteile für die Planung des übrigen Unterrichts. Wir nehmen diese in Kauf, um nicht den Kindern diese Benachteiligung aufzubürden.
Dabei müsste es gar nicht so sein. Wenn Sie die Lehrpläne kennen, wissen Sie, dass sich die katholischen, evangelischen Lernziele und Inhalte nur unwesentlich von denen des Ethikunterrichts unterscheiden. Ich selbst unterrichte katholische Religion und als Doktor der Philosophie mit Vergnügen das Fach Ethik. Die entsprechende Bildung stellt einen fundamentalen Beitrag der heranwachsenden Generation für eine positive moralische und soziale Entwicklung der jungen Menschen dar - zumindest, wenn daraus nicht eine frömmelnde und z.T. verdummende Indoktrination im Sinne eines antiquiert-fundamentalen Katechismusunterrichts der jeweiligen Konfession wird. Wir hatten bis vor einigen Jahren so einen Dorfpfarrer. Aber auch, wenn diese lehrplankonform unterrichten, so wachen vor allem die beiden christlichen Konfessionen eifersüchtig darauf, dass nicht der Konkurrent Einfuss auf seine "Schäfchen" nimmt. Da muss schon mal der Hauswirtschaftsunterricht verlegt werden, weil
der evangelische Pfarrer darauf besteht, dass alle zu seinem Unterricht kommen. Dabei machen sie, wie gesagt, eigentlich beide dasselbe. Mit den übrigen Konfessionen gibt es hingegen keine Probleme. Sie sind bei uns zahlenmäßig unbedeutend. Zeugen Jehovas und Anhänger des Islam sorgen ja ohnehin in der außerschulischen Zeit für eine, in ihren Augen angemessene religiöse Unterweisung.
Eine sinnvolle Lösung Ihres Problems wäre es, für alle Schüler eine religiös-philosophische Grundbildung, unabhängig von der jeweiligen Konfession im Unterricht zu realisieren. Die Lehrpläne gäben das bereits heute her. Und das, was Katholiken, Protestanten, Islamisten ihrem Nachwuchs vertiefend vermitteln wollen, das könnten sie auch darüber hinaus (z.B. Firm- oder Konfirmationsunterricht) realisieren. Das Miteinander der verschiedenen Konfessionen wäre doch ein wertvolles soziales Ziel, dass wir zum Wohle der Menschen in einer modernen heterogenen und offenen Gesellschaft verwirklichen könnten. Schließlich behaupten sie ja alle, dass es nur einen Gott gibt. Und wenn das stimmt, so kann es sich nur um ein und denselben Gott handeln. Warum sollte die nachwachsende Generation nicht gemeinsam ökomenische Formen religiösen Feierns lernen und praktizieren? Vielleicht verschwinden dann irgendwann die religiös motivierten Verletzungen der Menschenrechte und vielleicht sogar die religiös motivierten Konflikte und Kriege. Aber ich weiß, Visionen sind das eine, Konkordatsverträge das andere. Also werden wir noch geraume Zeit mit den von Ihnen bemängelten Nachteilen leben müssen.

Viele Grüße
Joseph Wandl