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Josef Winkler
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Frage von Horst B. •

Frage an Josef Winkler von Horst B. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Winkler,

Eine Frau mit sieben minderjährigen schulpflichtigen Kindern lebt von ihrem Ehemann getrennt. Sie erhält Unterhalt, der aufgrund einer Mangelberechnung aus der Düsseldor-fer Tabelle (rd. 50%) ermittelt wurde. Darüber hinaus erhält sie das Kindergeld sowie Wohngeld und Heizungskosten, die jedoch bereits bei der Bedarfsermittlung für mögli-che Sozialhilfe mindernd berücksichtig worden sind. Das so zur Verfügung stehende Haushaltseinkommen reicht aber nicht aus, um die Bedürfnisse der Kinder auch nur an-nähernd zu befriedigen! Verschärft hat sich die Lage ein Jahr nach der Trennung durch Einstufung in StKl I nach vorheriger Klasse III und zwischenzeitlich erhöhtem Eigenbe-darf des unterhaltspflichtigen Vaters. Das führte zu einer Minderung der Unterhaltsleis-tung und trägt unmittelbar zur Kinderarmut bei. Deshalb habe ich eine Unterstützung meiner Tochter in Form einer monatlichen Geldleistung (ohne gesetzliche Verpflichtung) vorgenommen.
Die steuerliche Berücksichtigung meiner Geldleistung als Unterstützung Bedürftiger wird mir jedoch von der Finanzverwaltung zu 7/8 verwehrt mit der Begründung des Beste-hens einer Bedarfsgemeinschaft (wie bei ALG II). Folge ist, dass sieben minderjährige Kinder mit ihrem vom Vater erhaltenen Unterhalt zuzüglich Kindergeld ihre leiblichen Mutter aushalten müssen.
Wie verträgt sich die Zielsetzung von Bundesregierung und allen politischen Parteien, Kinderarmut zu vermindern mit dem tatsächlichen Verhalten des Steuerfiskus durch
a) Steuererhöhung beim Unterhaltspflichtigen und
b) Verweigerung der Anerkennung als außergewöhnlicher Belastung beim Zah-lungswilligen ?
Stiehlt sich damit nicht der Staat bzw. die Gesellschaft aus der Verantwortung für die Jugend in diesem Staat ?
Sind hier nicht vielleicht doch noch Änderungen im Unterhaltsrecht, Steuerrecht und/oder Familienrecht angeraten ?
Was ist Ihre Meinung?

Mit freundlichen Grüßen
H.Brunkalla

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Sehr geehrter Herr Brunkalla,

Ihren Unmut können wir durchaus verstehen. Allerdings entsprechen die von Ihnen beschriebenen Auswirkungen den derzeit geltenden rechtlichen Regeln:

Zwar dürfen Unterhaltsleistungen bis zu einem Höchstbetrag von 7.680 Euro vom Unterhaltleistenden (in diesem Fall von Ihnen) steuerlich geltend gemacht werden, dabei sind aber die eigenen Einkünfte der unterstützten Person entsprechend abzuziehen, wenn sie 624 Euro im Kalenderjahr übersteigen. Denn sonst würde dies ja bedeuten, daß sowohl beim Unterstützer als auch beim Unterstützten das Existenzminimum (Grundfreibetrag) zweimal steuermindernd geltend gemacht werden könnte. Und das wäre ja auch ungerecht gegenüber allen anderen Steuerpflichtigen. Darüber hinaus bedeutet die Steuerklasse 1, daß eine Person als alleinstehend behandelt wird. Die Steuerklasse 3 wiederum bedeutet, daß eine verheiratete Person auch den Grundfreibetrag seines mit ihm zusammenlebenden Ehepartners geltend machen darf. Das ist natürlich erst einmal ein Vorteil für den Ehegatten, der ein deutlich höheres Einkommen hat. Es ist aber auch gleichzeitig ein Nachteil für den Ehegatten, der ein deutlich niedrigeres Einkommen hat, er muß dann nämlich die Steuerklasse 5 nehmen - und wird deutlich höher besteuert als in Steuerklasse 1. Aber diese Steuerklasseneingruppierung ist nichts anderes als die Vorgwegnahme der Wirkungen des Ehegattensplittings, das wiederum nur Eheleute gegenüber Alleinlebenden und anderen Eheleuten begünstigt, wenn die beiden Eheleute ein möglichst unterschiedliches Einkommen haben. Eheleute mit jeweils gleichem Einkommen werden grundsätzlich so besteuert wie Alleinstehende, deshalb ist die Steuerklasse 4 in der Wirkung mit der Steuerklasse 1 vereinbar. Für Geschiedene gibt es aber noch das Realsplitting, so daß begrenzt bis zu 13.805 Euro an Unterhaltsleistungen vom unterhaltsleistenden Ex-Partner an den anderen Ex-Partner steuermindernd geltend gemacht werden können, wenn sie denn tatsächlich auch gezahlt werden. Der Ex-Partner, der diese Unterhaltszahlungen erhält, muß diese dann natürlich versteuern. In der Wirkung ist das Realsplitting nämlich eine begrenzte Nachbildung des Ehegattensplittings.

Aber diese Zusammenhänge sind alle recht kompliziert und werden auch oft im Einzelfall als kaum nachvollziehbar und ungerecht empfunden. Deshalb wollen wir ja auch das Ehegattensplitting zur Individualbesteuerung weiter entwickeln, dann wären die unterschiedlichen Steuerklassen nämlich grundsätzlich überflüssig. Schließlich wollen wir auch anstatt Kindergeld und kindbezogenen Freibeträgen eine einheitliche Kindergrundsicherung mit zwei Säulen einführen, nämlich zum einen mit mehr und besserer Kinderbetreuung und zum anderen mit einheitlich 330 Euro im Monat für jedes Kind. Dieser Betrag würde entsprechend der Leistungsfähigkeit der Eltern besteuert. Armut würde wirksam bekämpft und vor allem Geringverdiener profitierten. Auch Familien, die derzeit von ALG II oder Sozialhilfe leben, würden die Kindergrundsicherung bekommen.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Winkler

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