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Josef Winkler
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Frage von Hubert J. •

Frage an Josef Winkler von Hubert J. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Winkler.

Wie verschiedenen Pressemitteilungen und Veröffentlichungen der Bundeswehr zu entnehmen ist, plant die Bw ihre Aktivitäten im Norden Afghanistans auszuweiten. Neben KUNDUS und FEYZABAD soll ein weiteres PRT (vermutlich in MASAR E SHARIF für über 1000 Soldaten) entstehen. Kenner der sicherheitspolitischen Lage vor Ort gehen davon aus, dass solche BW-Aktivitäten nur mit Duldung und nach sog. korruptiver Landschaftspflege des regionalen Warlords DOSTUM zu machen sind.
Gen. Dostum wird in Berichten des Menschenrechtsauschusses des Bundestages als Kriegsverbrecher bezeichnet und der Tötung von mehreren Tausend Kriegsgefangenen mit verantwortlich gemacht.
Wie werden Sie abstimmen, wenn das am 13.Oktober 2005 ablaufende Mandat erweitert, bzw. verlängert werden soll und Sie Mitglied des deutschen Bundestages sind?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Jenni,

vielen Dank, dass Sie im Vorfeld der Bundestagswahl über den nationalen Tellerrand hinausschauen und mir die Gelegenheit geben, auf eine wichtige politische Frage zu antworten. Offensichtlich kennen und verfolgen Sie die Entwicklung in Afghanistan. Das begrüße ich sehr. Denn dann wissen Sie vermutlich auch um die großen Schwierigkeiten, mit denen dieses Land und die für den Wiederaufbau verantwortlichen Vereinten Nationen konfrontiert sind. Ich erlaube mir daher, etwas mehr als zwei Sätze zu schreiben.

Aufgabe der UN und der ISAF-Truppen ist es, die Zentralregierung beim Aufbau funktionierender staatlicher Strukturen zu unterstützen. Ich hatte vor einigen Monaten die Gelegenheit, die Arbeit der Bundeswehr vor Ort, d.h. in Kundus, Feyzabad und Kabul zu verfolgen. Ich war von den Leistungen der Soldatinnen und Soldaten sowie der Arbeit der deutschen Polizisten und zivilen Berater sehr beeindruckt. Ich glaube, dass ihre Unterstützung auch weiterhin gebraucht wird und dass ihre Hilfe in der Bevölkerung willkommen ist. Wie ich mich aber letztendlich im Oktober bei der anstehenden Verlängerung des Bundestagsmandats entscheiden werde, kann ich Ihnen zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht mitteilen. Noch fehlen wesentliche Informationen über die Änderungen des Mandats und die Rahmenbedingungen. Auch die afghanischen Wahlen - auch am 18. September - sind von großer Wichtigkeit.

Ein friedlicher Aufbau Afghanistans ist nach mehr als 20 Jahren Bürgerkrieg nicht leicht. Das von Ihnen angesprochene Problem der Warlords und Korruption betrifft einen Bereich, bei dem ich, ehrlich gesagt keine widerspruchsfreie Antwort parat habe. Le Monde Diplomatique skizzierte das Problem im Oktober 2004 wie folgt/: "//Ein Staat im eigentlichen Sinne existiert nicht, und das wird auch noch eine Weile so bleiben. Im Augenblick gibt es nur ein lockeres, äußerst labiles Bündnis zwischen verschiedenen Gebietsfürsten, politischen und religiösen Führern, die sich um Präsident Karsai scharen. Was sie zusammenhält, ist politischer Ehrgeiz, Geldgier/ ... /Unter den afghanischen Gebietsfürsten gibt es keinen, der nicht Blut an den Händen hätte. Sie alle haben je nach Lage mit den Russen, den Taliban, den Regionalmächten oder deren jeweiligen Gegnern kollaboriert. Heute sind es eben die Opiumgeschäfte und die guten Beziehungen zu den Stammesbrüdern, die im Chaos des globalisierten Afghanistan für Macht und Reichtum sorgen."/

In einem Land, das seit Jahrzehnten keine funktionierende zentrale staatliche Ordnung mehr kannte, in dem die Zivilgesellschaft ruinert wurde und in dem regionale und ethnisch geprägte Besonderheiten dominieren, ist die Zentralregierung darauf angewiesen, dass ehemalige Warlords freiwillig ihre Waffen abgeben oder zumindest ruhen lassen. Sie müssen für den friedlichen politischen Wiederaufbau des Landes gewonnen werden. Sie haben alle keine weiße Weste. Dies gilt auch für Dostum. Dostum, bzw. dessen kommandierendem General Malik, wird von westlichen Beobachtern vorgeworfen im November 2001 bei Mazar-i-Sharif ein Massaker unter den Taliban angerichtet zu haben. Dostum wurde im Dezember 2001 stellvertretender Verteidigungsminister und im Juni 2002 einer der vier Vizepräsidenten. Er hat bei der Präsidentschaftswahl im Oktober 2004 10 Prozent der Stimmen erhalten. Anfang des Jahres entging er nur knapp einem Selbstmordanschlag. Seit April diesen Jahres ist er Stabschef der im Aufbau befindlichen afghanischen Nationalarmee.

Das Problem ist also nicht so sehr, dass die Bundeswehr in "korruptive Landschaftspflege" einbezogen ist. Das halte ich für ausgeschlossen. Die Bundeswehr hat auch "nichts zu bieten". Das Problem ist, ob man das Land auf Grund der schieren Aussichtslosigkeit und den vielerorts fehlenden westlichen Standards sich selbst überlässt oder auf einen schrittweisen Prozess setzt. Dies betrifft auch die Frage, wie man mit Kriegsverbrechern umgeht. Aus bündnisgrüner und menschenrechtlicher Sicht ist klar: Kriegsverbrecher müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Aber wer sollte das tun? Eine juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen ist eine Herkulesaufgabe, der sich die internationale Staatengemeinschaft nur mit Unterstützung der Afghanen selbst widmen kann. Aber wer wirft dort den "ersten Stein"? Ich persönlich glaube, dass dies erst dann möglich ist, wenn es ein leidlich funktionierendes staatliches Gewaltmonopol und ein funktionierendes Rechtswesen in Afghanistan gibt. Die Parlamentswahlen am 18. September sind hierzu ein wichtiger Schritt.

Angesichts der afghanischen Probleme erscheinen unsere "innenpolitischen" Debatten lächerlich klein. Dennoch ist es nicht auch bei uns nicht gleichgültig, wer unser Land ab dem 18. September regiert. Sofern Sie noch unentschlossen sind, möchte ich Sie ermuntern: *Gehen Sie am 18. September zur Wahl.* Und falls Sie noch nicht wissen sollten, wem Sie Ihre Zweitstimme geben sollen, hätte ich einen Vorschlag: *Bringen Sie mehr Farbe in die Politik.* *Wählen Sie grün!*

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Josef Winkler

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