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Josef Winkler
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Till T. •

Frage an Josef Winkler von Till T. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Guten Tag!

Es ist schwer eine Themeneinordnung vorzunehmen, die "NSA-Affäre" umschließt sehr viele sensible Bereiche.
Wie stehen Sie und die Grünen generell zu der Abwägung Sicherheit/Freiheit?
Ich habe das Gefühl, selbst bei einer erneuten Regierung unter Rot/Grün würde sich an dem Kooperationsstatus, den der BND nun einmal mit der NSA oder der USA hat, nichts ändern. Traut sich niemand aus der EU den amerikanischen Freunden Grenzen zu setzen?
Die EU-Kommission hat die Befugnis entsprechende Gesetze zu verabschieden, die bei Nichteinhaltung Strafen in Höhe eines Prozentsatzes des Umsatzes in der weltweiten digitalen Sparte vorsieht.
Wie stehen Sie/die Grünen zur Gesetzgebung auf europäischer Ebene?

Wenn die EU künftig stärker in der Welt wahrgenommen werden möchte (und das mit einer Stimme und nicht durch multiple Einzelkämpfer), wie kann es die Grüne Partei/die Opposition zulassen, dass sich die USA als weltweiter Hegemon präsentiert? Es ist kein Geheimnis, dass die technologischen Möglichkeiten zur Überwachung des Internets und der digitalen Kommunikation vorhanden sind und genutzt werden, aber der Regierung die Chance zu geben sich bis zur Wahl mit Halbwahrheiten herauszureden darf nicht zugelassen werden. Von den Grünen höre ich zu diesem Thema zu wenig. Die Piraten mit ihrem Hang zur Netzpolitik müssen sich wohl vorerst keine Gedanken über Konkurrenz machen, oder??

Ich bin Erstwähler und überlege ob ich meine Erstimme Ihnen gebe. Überzeugen Sie mich!

Mit freundlichem Gruß, Till Thomas

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Thomas,

die aufgedeckten Überwachungsprogramme PRISM des US-amerikanischen Nachrichtendienstes NSA und TEMPORA des großbritannischen Nachrichtendienstes GCHQ gefährden meiner Einschätzung nach unseren freiheitlichen und demokratischen Grundrechtsschutz und damit Fundamente des Rechtsstaats. Betroffen sind nicht nur sensible private Daten, sondern auch für Wirtschaftsspionage interessante Geschäftsgeheimnisse und die Kommunikation von Verfassungsorganen. Mit Terrorismusabwehr hat das nichts zu tun.

Die grünen Forderungen in diesem Zusammenhang lauten: Deutschland muss mit allen verfügbaren Mitteln auf eine Beendigung dieser Überwachungspraxis hinzuwirken. Es ist zu prüfen, ob rechtliche Schritte gegen Großbritannien (Vertragsverletzungsverfahren beim Europäischen Gerichtshof oder Anrufung des Internationalen Gerichtshofes) und gegen die USA (Anrufung des Internationalen Gerichtshofes) eingeleitet werden können. Weiter ist eine mögliche Mitwisserschaft der Bundesregierung zu klären. Hier geht es um Angela Merkels politische Verantwortung, warum sie Cyberangriffe von „Freunden“ nicht auf dem Schirm hatte. Es muss auch geklärt werden, ob die bei uns verbotene Vorratsdatenspeicherung von einem befreundeten Geheimdienst ausgeführt wird, der dann Ergebnisse u.a. auch an unsere Dienste weiterleitet. Auf europäischer Ebene muss die gerade in Beratung befindliche EU-Datenschutzgrundverordnung umfassend gestärkt werden. Angesichts der Spionage in EU-Vertretungen sollte überlegt werden, ob die Verhandlungen zum Freihandelsabkommen TTIP ausgesetzt werden, ebenso wie andere existierende Abkommen (SWIFT, PNR, Safe Harbor).

Die Grünen sind in dieser Thematik höchst aktiv, mit allen Mitteln, die uns als Opposition zur Verfügung stehen:

· Im Parlamentarischen Kontrollgremium ( http://www.gruene-bundestag.de/medien_ID_4387997/videos_ID_4387007/abgeordnete/stroebele/abgeordnete_filter/stroebele/medium/parlamentarisches-kontrollgremium ),

· mit Anträgen ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/141/1714146.pdf ),

· mit schriftlichen Fragen an die Bundesregierung (z.B.: http://www.stroebele-online.de/show/6914137.html ),

· in Pressestatements (z.B.: http://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen_ID_2000147/2013/juli/die-verantwortung-liegt-im-bundeskanzleramt_ID_4389474.html oder http://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen_ID_2000147/2013/juli/merkels-vorratsdatenspeicherung-ist-mit-grundrechten-nicht-vereinbar_ID_4389442.html oder http://www.gruene-bundestag.de/presse/pressemitteilungen_ID_2000147/2013/juni/usa-betreiben-unvorstellbar-umfassende-spionageaktion_ID_4389313.html ),

· in der Presse (insbesondere unser netzpolitscher Sprecher der Bundestagsfraktion Konstantin von Notz und Jan Philipp Albrecht, grünes Mitglied des Europaparlaments),

· in Reden ( http://www.gruene-bundestag.de/parlament/bundestagsreden/2013/juni/internetueberwachung_ID_4389249.html oder http://www.gruene-bundestag.de/parlament/bundestagsreden/2013/juni/internetueberwachung_ID_4389250.html ),

· im Netz (z.B. http://www.gruene-bundestag.de/themen/datenschutz/spaehangriffauf-die-menschenrechte_ID_4389225.html ),

· mit Fachgesprächen,

· auf Demos ( http://www.gruene.de/meine-kampagne/stop-watching-us.html ).

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will den Grad der Bedrohung der Freiheit und der nationalen Sicherheit offenbar nicht wahrnehmen. Es sind keinerlei wirksame Aktivitäten zur Aufklärung oder zur Eindämmung ersichtlich. Im Gegenteil: Aus der CDU/CSU kommen teilweise bereits Wünsche nach ähnlichen Programmen (Vorratsdatenspeicherung) der Totalüberwachung für deutsche Nachrichtendienste.

Bei der Abwägung von Sicherheit und Freiheit muss stets die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Die gesamte Gesellschaft unter Generalverdacht zu stellen – noch dazu mit höchst zweifelhaftem Nutzen für die Sicherheit, ist indiskutabel. Dieser Grundsatz muss genauso auch für Nachrichtendienste gelten: Die mutmaßliche Aushebelung nationaler Gesetze durch den internationalen Austausch von Erkenntnissen zwischen den Diensten gehört strikt unterbunden. Die notwendige Kooperation der Nachrichtendienste muss auf rechtsstaatlicher Basis erfolgen.

Herzliche Grüße

Josef Winkler

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