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Joschka Langenbrinck
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Frage von Markus H. •

Frage an Joschka Langenbrinck von Markus H. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Hallo,

viele zugezogene Eltern stellen sich die Frage, auf welche Grundschule schicke ich mein Kind bzw. wie mache ich es, dass mein Kind auf eine der angesagteren Schulen nach Kreuzberg kommt.

Warum sind die Grundschulen in Neukölln so unattraktiv im Vergleich zu den (einigen) Grundschulen in Kreuzberg 36 und 61 ?

Lg
Dr. Markus Höhner

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Dr. Höhner,

vielen Dank für Ihre Frage.

Attraktivität liegt grundsätzlich im Auge des Betrachters. Da Sie Ihre Frage nicht konkretisiert haben, schildere ich Ihnen die rechtliche Situation und was der Bezirk Neukölln unternimmt.

Gemäß Berliner Schulgesetz ist es verschiedenen Grundschulen erlaubt, sich zu einem "Einzugsgebiet" zusammenzuschließen. Das Verwaltungsgericht Berlin hat jüngst entschieden, dass Grundschulkinder dabei ein Recht auf einen altersangemessenen Schulweg haben. Damit einher geht die Pflicht, dass dieser nicht länger als 1000 Meter sein darf. Es gilt das Prinzip "Kurze Beine, kurze Wege".

In der Regel verhält es sich so, dass diese Einzugsgebiete nicht bezirksübergreifend sind. Das heißt: in Neukölln lebende grundschulpflichtige Kinder gehen auf Neuköllner Grundschulen. Wer im Einzugsgebiet wohnt, hat einen Rechtsanspruch auf einen Platz in der nahe gelegenen Schule.

Das o.g. Urteil des Verwaltungsgerichts verpflichtet die Eltern dazu, ihre Kinder auf eine Grundschule anzumelden, die max. einen Kilometer von ihrer Wohnung bzw. ihrem Haus entfernt liegt. Nun gibt es natürlich fuchsige Eltern, die sich extra für die Grundschulanmeldung in die Nähe ihrer Wunsch-Grundschule mit ihrem Wohnsitz auf Papier ummelden, aber tatsächlich nicht umgezogen sind.

Das mag subjektiv nachvollziehbar sein, verstößt aber gegen das Gesetz. Deshalb hat ebenfalls das Verwaltungsgericht Berlin den Bezirken den Rücken im Kampf gegen diese Scheinanmeldungen gestärkt: verdichten sich die Hinweise auf eine Scheinadresse, dürfen Schulbehörden zusätzliche Nachweise über den tatsächlichen Wohnsitz des Kindes verlangen (z.B. Mietvertrag oder Vertrag mit dem Stromversorger).

Ich kriege häufig zu hören, dass Eltern ihre Kinder nicht auf eine bestimmte Schule schicken wollen, weil dort zu viele Migrantenkinder sind. Grundschulen sind aber ein Spiegelbild des sozialen Umfelds. Und Bildungsferne ist keine Frage der (kulturellen) Herkunft, sondern ein soziales Problem. Die Frage ist also vielmehr, was die Politik tun kann, um bildungsferne Kinder frühstmöglich zu fördern.

Hier hat sich in den letzten Jahren (Gott sei Dank) vieles getan. Kostenlose Kita, mehr Kita-Plätze, mehr Kita-Personal, kleinere Gruppen, kleinere Schulklassen, mehr Lehrer, Sprachförderung, u.v.m.

Sie schreiben sinngemäß, dass Sie Kreuzberger Grundschulen attraktiver finden als Neuköllner. Waren Sie denn schon einmal in einer Kreuzberger Grundschule? Die unterscheiden sich nicht wesentlich von Neuköllner Grundschulen.

Dass es Grundschulen in Neukölln gibt, die auf den ersten Blick nicht ganz so Bombe wirken, kann ich verstehen. Bei mir um die Ecke liegt die Hermann-Sander-Grundschule: über 90 % Schüler nichtdeutscher Herkunft, fast 100 % Lernmittelbefreiung der Eltern (also Hartz IV-Empfänger, Aufstocker, Geringverdiener). Aber mit einer Schulleiterin, die extrem und über das normale Maß hinaus engagiert ist und einige positive Steine ins Rollen gebracht hat. Mit dem Leiter steht und fällt vieles. Die Neuköllner SPD hat sich deshalb dafür ausgesprochen, dass neue Schulleiter einige vertraute Mitarbeiter in die neue Schule mitnehmen dürfen, um dort den angestaubten Muff in Angriff nehmen zu können.

Was tut der Bezirk Neukölln für eine weitere Verbesserung der (Grund-)Schullandschaft?

Wir haben in den letzten neun Jahren 150 Millionen Euro in die Sanierung unserer Schulen investiert. Und wir werden auch die nächsten Jahre mit der dringend notwendigen Sanierung fortfahren.

Besonders wichtig ist das Lernklima unter den Schülern und die Einbindung der Eltern in den Schulalltag ihrer Kinder, deren Engagement - nicht selten und Hand aufs Herz - ausbaufähig ist. Sie erreichen wir mit 15 Schulstationen in unseren (Grund-)Schulen. Ebenso wichtig ist ein sicheres Lernen. Deshalb haben wir den Wachschutz vor 15 Neuköllner (Grund-)Schulen eingeführt. Seit dem ist keine Gewalt mehr von außen in die Schule hineingetragen worden.

Die Neuköllner Volkshochschule ist bundesweit einer der größten Anbieter von Sprach- und Integrationskursen. Viele tausend Menschen mit Migrationshintergrund haben das Angebot bereits wahrgenommen (bzw. waren dazu verpflichtet), ihre Deutschkenntnisse zu verbessern. Nur so ist es den Eltern möglich, auch an dem so wichtigen Sozialleben in der Schule ihrer Kinder teilzunehmen.

Die Neuköllner SPD hat den Campus Rütli ins Leben gerufen, auf dem die Schüler von der Kita bis zum Übergang in Ausbildung oder Studium (hoffentlich...) betreut werden. Ein Projekt mit Vorbildcharakter. Zudem haben wir mit dem Albert-Schweitzer-Gymnasium in Nord-Neukölln das erste Ganztagsgymnasium Berlins gegründet, dessen Beispiel viele andere gefolgt sind.

Im 5. Lebensjahr jedes Kindes gibt es einen verpflichtenden Sprachtest. Werden Sprachdefizite festgestellt, ist Sprachförderung obligatorisch. Ich persönlich bin dafür, schon früher den Sprachtest durchzuführen, um mögliche Defizite noch frühzeitiger anzugehen.

Nicht jeder Schüler kommt mit dem (leider vorhandenen) Frontalunterricht zurecht. Hier greift das Produktive Lernen (paar Tage in der Schule, paar Tage in einem Kooperationsbetrieb). Dieses sog. Duale Lernen muss noch weiter gestärkt werden. Ebenso bin ich für die Beibehaltung von Teach First in Berliner und Neuköllner Schulen, für eine Pflicht neuer Lehrer, erst einmal in soziale Brennpunkte zu gehen und für eine Deutschpflicht auf den Schulhöfen - was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Sie kann aber nur zusammen mit den Schülern umgesetzt werden. Deshalb soll sie von den Schulkonferenzen beschlossen werden.

Darüber hinaus möchte ich Sie auf meine Antwort auf die Frage vom 13. August hinweisen, in der ich geschildert habe, dass die Neuköllner SPD über den eigenen Tellerrand hinaus schaut und dass wir einen Paradigmenwechsel anstreben: weg von der individuellen Förderung (Überweisung von Geld auf das Konto der Eltern), hin zur institutionellen Förderung (Stärkung der staatlichen Einrichtungen mit Verbesserung des status quo: Ausbau des Ganztagsangebots von Kita und Schulen, Kita-Pflicht für alle Kinder, freie Heilfürsorge, Lernmittelbefreiung für alle, kostenloses Mittagessen, mehr und besser ausgebildete Erzieher, mehr Lehrer, mehr Sozialpädagogen, kleinere Gruppen/Klassen, u.v.m.).

Das alles kostet eine Stange Geld. Deswegen setzen wir uns dafür ein, das Kindergeld zu kürzen und die vielen freiwerdenden Milliarden Euro zweckgebunden in die oben beschriebene Stärkung der institutionellen Förderung zu investieren. Das würde die Situation in Kitas und (Grund-)Schulen erheblich verbessern.

Ich könnte die Liste unendlich fortführen. Aber das war sicher nicht die Intention Ihrer Frage. Ich hoffe Ihnen aber verdeutlicht zu haben, dass es viele Faktoren gibt, weshalb eine Grundschule so ist, wie sie ist. Und Ihnen zugleich aufgezeigt habe, dass die Politik nicht tatenlos zuschaut. Aber gewisse Entwicklungen brauchen Zeit.

Mir ist dabei besonders wichtig, dass man die Situation in den (Grund-)Schulen nur verbessern kann, wenn mit der Förderung bildungsferner Kinder früher begonnen wird.

Freundliche Grüße

Joschka Langenbrinck