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Johannes Selle
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Frage von Birgit K. •

Frage an Johannes Selle von Birgit K.

Sehr geehrter Herr Selle,

der Bundestag berät derzeit die geplanten Gesetzesänderungen zur Regelung der Fracking-Technik in Deutschland. Die Regelungen sind nicht nur in der Bevölkerung, sondern - wie man der Presse entnehmen kann - auch in den Bundestagsfraktionen und CDU, CSU und SPD stark umstritten. Daher bitte ich Sie um Ihre Einschätzung des Gesetzesentwurfs und um Beantwortung meiner nachstehenden Fragen:

1) Der Bundesratsumweltausschuss hat im April einen Antrag verabschiedet, der ein Fracking-Verbot über das Bundesberggesetz vorsieht. Wie stehen Sie zu diesem Antrag?
2) Der Gesetzesentwurf sieht vor, Fracking in Kohleflöz- und Schiefergestein bis zu einer Tiefe von 3000 Metern zu verbieten. Halten Sie diese Grenzziehung für sinnvoll? Wenn ja, warum? Wenn nein, warum nicht?
3) Unter welchen Voraussetzungen hinsichtlich der Arbeitsweise und des Abstimmungsverhaltens (Merheits- oder Einstimmigkeitsprinzip) sind Sie für die im Gesetzesentwurf vorgesehene Expertenkommission?
4) Unterstützen Sie die Auffassung, dass die Aufsuchung, Gewinnung von Erdgas und Erdöl und die untertägige Versenkung von Lagerstättenwasseer aus Tiefbohrungen nur erteilt werden darf, wenn keine nachteilige Veränderung des Grundwassers zu besorgen ist? Bitte begründen Sie Ihre Auffassung.
5) Sind Sie für eine Einführung des Stand der Technik bei Tiefbohrungen und sollte jede Tiefbohrung einer wasserrechtlichen Erlaubnis bedürfen (wenn nein, warum nicht?)?

Vielen Dank für Ihre Antworten!

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Antwort von
CDU

Sehr geehrte Frau Königs,

haben Sie vielen Dank für Ihre Fragen zum Thema Fracking. Hierzu möchte ich Ihnen gerne meine Entscheidung gegen ein vollständiges Fracking-Verbot erläutern.
Eingangs ist es mir wichtig zu betonen, dass der Schutz der Umwelt und die Gesundheit der Menschen absoluten Vorrang haben.

Das Regelungspaket der Bundesregierung sieht umfassende Änderungen u.a. am Wasserhaushaltsgesetz, dem Bundesnaturschutzgesetz und dem Bundesberggesetz vor. Diese führen bereits zu einer massiven Verschärfung der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie:
- Fracking jeglicher Art soll in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz-und Heilquellenschutzgebieten sowie an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung vollständig verboten werden.
- Die Länder sollen darüber hinaus an weiteren sensiblen Trinkwasserentnahmestellen Verbote erlassen können, zum Beispiel zum Schutz von privaten Mineral- und Brauereibrunnen.
- In Nationalparks und Naturschutzgebieten soll die Errichtung von Anlagen zum Einsatz der Fracking-Technologie untersagt werden.
- Für jede Form von Fracking soll künftig eine umfassende Umweltverträglichkeitsprüfung mit umfassender Bürgerbeteiligung verpflichtend eingeführt werden.
- Die Wasserbehörden sollen künftig ein Vetorecht bei den Genehmigungen haben.
- Fracking-Gemische müssen künftig beim konventionellen Fracking „nicht wassergefährdend“ oder allenfalls „schwach wassergefährdend“ sein.
- Die eingesetzten Stoffe sollen zudem umfassend offengelegt werden.
- Beim Umgang mit Rückfluss und Lagerstättenwasser sollen strenge Vorgaben gelten. Eine Umweltverträglichkeitsprüfung soll auch hier Pflicht sein.
- Das Verpressen von Lagerstättenwasser soll künftig grundsätzlich verboten sein. Ausnahmen sollen nur in den Fällen möglich sein, bei denen der sichere Einschluss in druckabgesenkte kohlenwasserstoffhaltige Gesteinsformationen gewährleistet ist.
- Verschärft werden soll auch das Bergschadensrecht. So soll die Beweislast für mögliche Bergschäden auch bei der Erdgas- und Erdölförderung sowie bei Kavernenspeichern den Unternehmen auferlegt werden.

Anders als bei der o. g. konventionellen Gasförderung gibt es in Deutschland noch keine Erfahrungen mit der Gasförderung in sogenannten unkonventionellen Lagerstätten, also in Schiefer- und Kohleflözgestein. Deshalb ist in den Regierungsentwürfen geregelt, dass zum jetzigen Zeitpunkt und mit dem derzeitigen Wissensstand kein kommerzielles unkonventionelles Fracking in Deutschland möglich ist. Für Schiefer-, Ton-, Mergel- und Kohleflözgestein oberhalb 3000-Metern Tiefe wurde ein generelles und unbefristetes Fracking-Verbot vorgesehen. Lediglich eine eng begrenzte Zahl von wissenschaftlich begleiteten und überwachten Probebohrungen ist unter strengsten Umweltanforderungen möglich.
Nach 2018 sollen in absoluten Ausnahmefällen Fördergenehmigungen erteilt werden können. Die Voraussetzungen hierfür sind jedoch äußerst streng gefasst:
- eine unabhängige Expertenkommission aus sechs Mitgliedern (davon drei Umweltinstitute) muss den beantragten Einsatz der Fracking- Technologie in der jeweiligen geologischen Formation mehrheitlich als grundsätzlich unbedenklich einstufen,
- die Kommission zur Bewertung wassergefährdender Stoffe beim Umweltbundesamt muss die verwendeten Fracking-Gemische als nicht wassergefährdend einstufen und
- alle sonstigen umfassenden öffentlich-rechtlichen Zulassungsvoraussetzungen (d.h. insbesondere zum Wasser-, Boden-und Umweltschutz) müssen vorliegen.
Die endgültige Entscheidung über die Genehmigung liegt ausschließlich bei den zuständigen Bergbau- und Wasserbehörden der Länder. Diese sind also an das Votum der o.g. unabhängigen Expertenkommission nicht gebunden.
Sollte eine Fracking-Maßnahme unter all diesen Voraussetzungen genehmigt werden, so gelten hier die im Bereich der konventionellen Erdgasförderung neu eingeführten strengen Auflagen ebenfalls vollumfänglich. Insgesamt sind die vorgesehenen Umwelt- und Trinkwasserschutzmaßnahmen also bereits im Regierungsentwurf sehr weitreichend.

In den letzten Wochen haben die Koalitionspartner diese Vorschläge der Bundesregierung ausführlich im Parlament beraten. Die CDU/CSU-Fraktion konnte in diesen Gesprächen ihre Forderungen nach weiteren Schutzvorkehrungen für Umwelt und Wasser fast vollständig durchsetzen. So wurden folgende weitere Verschärfungen der Anforderungen an den Einsatz der Fracking-Technologie gegenüber den Regierungsentwürfen vereinbart:
- Klarstellung, dass auch Brunnen, aus denen Wasser zur Verwendung in Lebensmitteln gewonnen wird, ebenfalls in die Ausschlussgebiete für Fracking einbezogen werden sollen.
- Einschränkung des Bestandsschutzes für die bestehenden Genehmigungen zur Verpressung von Lagerstättenwasser, um zu erreichen, dass die Verpressung aufgrund bestehender Genehmigungen schneller beendet wird.
- Konkretisierung des Standes der Technik (also die beste zum Zeitpunkt verfügbare Technik) bei der Verpressung von Lagerstättenwasser,
- Aufhebung der bisherigen Unterscheidung zwischen Fracking zur Erdgas- oder Erdölförderung. Es sollen jeweils die gleichen strengen Anforderungen gelten.
- Streichen der aus unserer Sicht willkürlichen 3000-Meter-Grenze, unter der Fracking unter strengen Auflagen möglich wäre. Damit wird Fracking in unkonventionellen Lagerstätten auch unterhalb von 3000 Metern verboten.
- Einführung einer zusätzlichen Regelung, nach der Vorranggebiete für die künftige Gewinnung von Trinkwasser über die Raumordnung durch die Länder als Ausschlussgebiete gesichert werden können.
- Begrenzung der wissenschaftlichen Erprobungsmaßnahmen auf die für den Erkenntniszuwachs unbedingt notwendige Anzahl
- Nochmalige Ausweitung der Bergschadenshaftung nun auch auf Schäden durch Erderschütterungen.

Der Schutz von Gesundheit, Umwelt und Trinkwasser bleibt oberstes Gebot. Gleichzeitig muss der gesetzliche Rahmen für die Erdgasförderung schon aus verfassungsrechtlichen Gründen einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn offen halten sowie die seit Jahrzehnten praktizierte konventionelle Erdgasförderung in Deutschland auch weiterhin ermöglichen.

Risiken und Chancen des Fracking werden durch unsere Bundesregierung sensibel abgewogen. Voraussetzungen sind transparente und offene Verfahren, die die Menschen vor allem aus den betroffenen Regionen einbeziehen. Die Ängste müssen wir ernst nehmen.

Deutschland ist Vorreiter für die Entwicklung erneuerbarer Energien. Unser Ziel ist, dass die Energiegewinnung sicher, bezahlbar und umweltfreundlich ist. Für den Energiemix der nächsten Jahrzehnte kann die heimische Erdgasversorgung ein wichtiger Bestandteil hinsichtlich der Versorgungssicherheit und der Preisstabilität sein.

Mit einem pauschalen Verbot würden wir die technologische Entwicklung und Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse unmöglich machen.

Deutschland hat Reserven für 130 Jahre, wenn wie bisher 10% des Gases aus heimischer Produktion kommt. Fracking wird schon lange durchgeführt und schafft 20.000 Arbeitsplätze. Nebenbei bemerkt, braucht man Fracking-Technologie auch bei der Geothermie und der Heilwasserförderung.

Mit freundlichen Grüßen
Johannes Selle