Frage an Johannes Schraps von Tim G. bezüglich Migration und Aufenthaltsrecht
Sehr geehrter Herr Schraps,
da ich bei der letzten Bundestagswahl in Hannover gewohnt habe und meine Ersstimme dort Ihrer Kollegin Fahimi gegeben hatte, habe ich mich kürzlich über abgeordnetenwtch sie gewandt: Frau Fahimi hat mich an Sie verwiesen. Es geht darum, dass der Visumsantrag meiner Schwiegermutter aus Russland entgegen der geltenden Rechtslage derzeit nicht bearbeitet wird. Ihr letztes Visum, das ihr jeweils für mehrere Jahre erteilt wird, ist im Oktober abgelaufen. Nun will man es ihr nicht erneuern, obwohl keiner weiß, ob man nicht in ein paar Wochen schon wieder reisen kann. Meine Kinder haben nun schon mehrere Jahre die Großeltern nicht gesehen, obwohl solche Besuche innerhalb Deutschlands möglich wären, zumal die Großeltern bereits geimpft sind. Deshalb die Frage:
Auf welcher rechtlichen Grundlage schränken die Behörden (Grenzpolizei, Auswärtiges Amt) eigentlich den Umgang mit engen Angehörigen aus dem Ausland stärker ein, als mit Angehörigen innerhalb des Landes? Gibt es ein Gesetz, dass ihnen dies erlauben würde? Schreibt Art. 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vor, dass derartige Einschränkungen nur auf gesetzlicher Grundlage erfolgen dürfen? Aus dem Auswärtigen Amt habe ich bisher keine Antwort bekommen können, auf welcher gesetzlichen Grundlage die dortigen Erlasse eigentlich beruhen. Meines Erachtens ist das alles grob rechtswidrig, weil es keine gesetzliche Grundlage für diese Einschränkungen gibt. Oder können Sie das aufklären? Oder können Sie als Abgeordnete auf die Behörden einwirken, damit Besuche von Angehörigen aus dem Ausland genau so beschränkt werden wie sie es innerhalb des Landes sind und kein Stück mehr? Sollten die Visumstellen nicht wenigstens für geimpfte Personen wie meine Schwiegermutter alsbald öffnen, nachdem der Minister Spahn angekündigt hat, dass man mit Impfung bald uneingeschränkt einkaufen kann. Aber seine Enkelkinder besuchen darf man dann immer noch nicht?
Mit bestem Dank und freundlichen Grüßen
Lieber Tim,
Hab zunächst einmal ganz herzlichen Dank für Deine Nachricht und die ausführlichen Erläuterungen. Ich freue mich, dass Du im Herbst bei den Kommunalwahlen auf der SPD-Liste kandidierst und hoffe, dass wir uns in diesem Rahmen dann auch mal persönlich über den Weg laufen. Ich habe Dein Anliegen an das Auswärtige Amt herangetragen und folgende Rückmeldung erhalten:
Seit Anfang Mai 2021 können die deutschen Auslandsvertretungen, auch die deutschen Auslandsvertretungen in Russland einschließlich des Generalkonsulats Nowosibirsk, wieder Anträge auf Erteilung von Visa für die mehrfache Einreise mit langer Gültigkeitsdauer gemäß Art. 24 Abs. 2 ff. Visakodex („Mehrjahresvisa“) bearbeiten; dies auch dann, wenn die Einreise nach Deutschland zu den angegebenen Zwecken im Rahmen der pandemiebedingten Einreisebeschränkungen derzeit noch nicht zulässig ist. Sobald die pandemiebedingten Einreisebeschränkungen aufgehoben sein werden, können mit diesen Mehrjahresvisa auch wieder Reisen nach Deutschland zu sämtlichen Reisezwecken unternommen werden.
Das Auswärtige Amt hatte die Auslandsvertretungen zuvor angewiesen, Visaanträge grundsätzlich nur dann zu bearbeiten und zu bescheiden, wenn auch die geplante Einreise des Antragstellers nach den geltenden pandemiebedingten Einreisebeschränkungen möglich ist; anderenfalls ist dem Antragsteller von einer (kostenpflichtigen) Antragstellung abzuraten oder, falls gleichwohl auf der Antragstellung bestanden wird, die Prüfung auszusetzen oder den Antrag abzulehnen. Die Ablehnung von C-Visa-Anträgen, um die es hier geht, kann dabei auf Ablehnungsgrund Nr. 2 gemäß Anhang VI zum Visakodex gestützt werden („Der Zweck und die Bedingungen des geplanten Aufenthalts wurden nicht nachgewiesen.“). Dies, da eine wesentliche Bedingung der Reise (Möglichkeit der Einreise nach Deutschland) aufgrund der Einreisebeschränkungen nicht gegeben ist.
Die Regelungen zur pandemiebedingten Beschränkung der Einreise Drittstaatsangehöriger nach Deutschland beruhen auf der Empfehlung des Rates der Europäischen Union „zur vorübergehenden Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU und möglichen Aufhebung dieser Beschränkung“ vom 30.06.2020 ((EU) 2020/912), die zwischenzeitlich mehrfach durch nachfolgende Ratsbeschlüsse abgeändert wurde („Ratsempfehlung“). Die Ratsempfehlung wurde in Deutschland mit Wirkung ab dem 02.07.2020 umgesetzt. Gemäß der Ratsempfehlung wollen die Mitgliedstaaten koordiniert und schrittweise die vorübergehende Beschränkung nicht unbedingt notwendiger Reisen in die EU für Personen aufheben, die in bestimmten Drittstaaten ansässig sind (diese Drittstaaten bilden die sog. „Positivliste“). Personen, die in Drittstaaten außerhalb der Positivliste ansässig sind (z.B. in Russland), dürfen außerdem seit dem 02.07.2020 aus wichtigem Grund nach Deutschland einreisen. In diesem Rahmen sind Einreisen in Drittstaaten ansässiger Personen nach Deutschland bereits in weitem Umfang zulässig, insbesondere auch Besuchsreisen von Kernfamilienangehörigen (Ehegatten, eingetragene Lebenspartner, minderjährige Kinder und Eltern minderjähriger Kinder), Besuchsreisen von Verwandten ersten oder zweiten Grades bei Vorliegen eines zwingenden familiären Grundes sowie Besuchsreisen unverheirateter Partnerinnen und Partner. Einreisen zu rein touristischen Zwecken oder sonstige Besuchsreisen, bei denen kein wichtiger Einreisegrund besteht, sind demgegenüber aus Gründen der Pandemiebekämpfung derzeit noch nicht zulässig.
Ich denke, dass die Beantragung der Langzeitvisa damit auch für die Schwiegereltern bzw. Großeltern wieder möglich sein sollte.
Dir erstmal noch gutes Vorankommen bei der Sanierung eures Hauses in Hohenbüchen und bis hoffentlich bald auch mal persönlich.
Herzliche Grüße
Johannes