Frage an Johannes Saalfeld von Clemens R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Saalfeld,
wo sehen Sie im Moment die größten Hürden für mehr Bürgereinfluss auf die Alltagspolitik in MV und in welcher Priorität würden Sie diese beseitigen wollen?
Können die heutigen technischen Möglichkeiten einen Beitrag leisten?
mfg, Clemens Rostock
Sehr geehrter Herr Clemens Rostock,
vielen Dank für Ihr Frage! Der Ausbau der Bürgerbeteiligung liegt mir sehr am Herzen.
Problematisch sind erstens immer noch die sehr hohen Quoren für Volks- und Bürgerentscheide. Deshalb gab es seit 20 Jahren noch keinen erfolgreichen Volksentscheid in Mecklenburg-Vorpommern. Das wollen wir ändern, indem wir die Unterschriften- und Zustimmungsquoren halbieren. Nur für die Änderung der Landesverfassung soll weiterhin eine qualifizierte Mehrheit vorgeschrieben bleiben.
Zweitens scheitern auf kommunaler Ebene viele Bürgerbegehren und Bürgerentscheide, weil sie nicht formal den Anforderungen der Kommunalverfassung und der Durchführungsverordnung der Kommunalverfassung entsprechen. Das wirkt auf die Bürgerinitiativen sehr frustrierend, denn die Zulässigkeit wird immer erst nach der umfangreichen Unterschriftensammlung geprüft. Deswegen wollen wir Grüne einen sogenannten Bürgerantrag einführen. Der Bürgerantrag ist eine Vorstufe zum Bürgerbegehren, aber mit niedrigerem Unterschriftenquorum. Erfüllt man das niedrige Quorum, bekommen die Initiatoren die Möglichkeit, ihren Antrag in der Gemeindevertretung zur Abstimmung zu stellen. Dafür wird die Zulässigkeit geprüft. Wenn nun die Gemeindevertretung den Antrag ablehnt, dann können die Initiatoren mit einem vorab geprüften Antrag die umfangreiche Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren beginnen.
Drittens brauchen wir eine Reform unseres Bau- und Planungsrechtes. Für Laien sind die verschiedenen Planungsverfahren kaum durchschaubar. Ob für einen Bebauungsplan nach dem Baugesetzbuch, für eine Straßenplanung nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz, die Errichtung einer Mastanlage oder eines Kraftwerks nach dem Immissionsschutzgesetz oder einen Braunkohleabbau nach dem Bundesberggesetz - es gelten jeweils unterschiedliche Verfahren. Bei Bebauungsplänen werden die "Anregungen und Bedenken "der Bürgerinnen und Bürger von der Verwaltung "abgewogen" und von der beschließenden Gemeindevertretung kaum noch in die Entscheidungsfindung einbezogen. Die Bürgerbeteiligung erschöpft sich meistens in reinen Informationsveranstaltungen und Klärung von unbedeutenden Detailfragen. Stattdessen muss es in Zukunft auch Debatten über echte Alternativen geben. Dafür gäbe es viele Möglichkeiten, etwas in der Kommunalverfassung unseres Landes zum Besseren zu verändern.
Beste Grüße
Johannes Saalfeld