Frage an Johannes Remmel von Willi K. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Remmel!
1. Machen Sie mir bitte deutlich und klar, warum an meiner Abwasser-Leitung eine "Dichtheitsprüfung" (DHP), neu "Funktionsprüfung" durchgeführt werden muss,und der Bauer hinter meinem Haus Gülle auf seinem Feld verteilt. Ich wohne auf dem Land, bei uns ist das so.
Dagegen wird nichts unternommen, obwohl auch Ihnen bekannt sein dürfte, dass die stark mit Nitrat belastete Gülle viel mehr Schaden an Boden und Umwelt anrichtet, als meine häuslichen Abwässer, wenn die denn überhaupt einen Schaden anrichten.
2. Was haben der TÜV für mein Auto oder der Kaminkehrer mit meinen Abwasserleitungen zu tun, denn die zwei Dinge (nicht nur) bemühen Sie immer zur Begründung der DHP. Auto und Kamin sin zwei Objekte, von denen "unmittelbar" bei Benutzung Gefahren ausgehen können.
Wenn mit der DHP genau so große Gefahren wie bei Auto und Kamin (TÜV alle 2 Jahre, Kamin und Heizung jedes Jahr) abgewendet werden sollen, warum soll die DHP dann nur alle 20 oder 30 Jahre durchgeführt werden?
3.Der Vorsorgegrundsatz (ebenfalls von Ihnen immer bemüht), bedingt einige Dinge - und das wissen Sie genau - die grundsätzlich gegeben sei müssen, wenn er denn bemüht wird. So z.B.
- öffentlich zugängliche, wissenschaftlich belegte Begründungen, die eine Gefahrenabwehr "notwendig" machen
- Kosten und Nutzen müssen in einem adäquaten Verhältnis stehen, usw., usw..
All das habe ich von Ihnen nicht vernommen. Sagen Sie endlich etwas dazu.
4. Es nutzt auch nichts, wenn man solange sucht, bis man den "richtigen" Gutachter gefunden hat, der bestätigt, dass der § 61 a nicht gesetzwidrig ist. Das ist Auslegungssache der Juristen, denn es gibt ja bereits unterschiedliche Bewertungen.
Nur das Verfassungsgericht, kann den § 61 a kippen oder bestätigen. Warum schaffen Sie hier nicht ein für allenal Klarheit?
Mit freundlichen Grüßen
Willi Kappen
Sehr geehrter Herr Kappen,
ich bedanke mich für Ihre E-Mail über die Homepage von abgeordnetenwatch zur Funktionsprüfung von privaten Abwasserleitungen.
In Ihrer E-Mail bitten Sie um Erläuterung warum eine Funktionsprüfung bei privaten Abwasserleitungen durchzuführen sei, wo hingegen der Bauer Gülle auf seine Felder verteilen dürfe. Aus Ihrer Sicht sei eine Gefährdung durch Abwasserleitungen nicht erkennbar und es läge keine öffentlich zugängliche, wissenschaftlich belegte Begründung vor. Für Sie ständen Kosten und Nutzen in keinem adäquaten Verhältnis. Sie fordern Klarheit über die Verfassungsmäßigkeit des § 61a Landeswassergesetz.
Leider kann ich Ihrer Argumentation gegen die Funktionsprüfung nicht folgen und möchte meine Position zu dieser Thematik wie folgt begründen:
Die Funktionsprüfung von Hausanschlussleitungen schützt die Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer vor möglichen Nässeschäden ihres Hauses, die durch zu spätes Erkennen von sanierungsbedürftigen Abwasserleitungen entstehen können. Sie stellt auch sicher, dass keine Grundwasserschäden auftreten können und sie führt dazu, dass eintretendes Fremdwasser erkannt wird. Deshalb ist die Dichtheitsprüfung sowohl im Sinne der Hausbesitzerinnen und Hausbesitzer als auch der Umwelt.
Die Aufbringung von großen Mengen Gülle ist durch das Düngemittelgesetz und die Düngeverordnung des Bundes geregelt. Die Düngeverordnung regelt u. a. den Düngemittelbedarf und den Aufbringungszeitpunkt.
Es dürfte unstreitig sein, dass eine Düngung landwirtschaftlicher Flächen grundsätzlich erforderlich ist. Hinsichtlich einer Gefährdung des Grundwassers unterscheidet sich die der Gülleaufbringung dadurch von der undichter Kanäle, dass bei der Aufbringung von Gülle eine belebte Bodenzone zur Verfügung steht.
Die Vorschriften der geltenden Düngeverordnung sind aus Sicht meines Hauses in einigen Punkten unzureichend, um Umweltrisiken, vor allem Stickstoffaustrag ins Grundwasser, effektiv verhindern zu können. Zur Reduzierung der Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft werden geeignete Maßnahmen durchgeführt. So setzt sich NRW als Teil seiner Gewässerschutzstrategie für eine Änderung der Düngeverordnung auf Bundesebene ein.
Zum Zustand privater Abwasserleitungen liegen eine Fülle von Untersuchungen vor. Ich verweise hierzu auf den Vortrag von Herrn Prof. Dr. Pinnekamp auf dem 3. Deutschen Tag der Grundstücksentwässerung, den Sie im Internet unter www.ikt.de abrufen können. Danach ist der Zustand der privaten Abwasserleitungen vielfach deutlich schlechter als der der öffentlichen Kanäle. Private Abwasserleitungen weisen bezogen auf die jeweilige Haltungslänge etwa 5 bis 6-mal so viele Schäden auf, wie die öffentlichen Kanäle. Das ist sicherlich auch darauf zurückzuführen, dass die Städte und Gemeinden ihre Kanäle bereits seit 20 Jahren regelmäßig überwachen und ggf. sanieren.
Nach den Vorgaben des § 61a Landeswassergesetz sind die Abwasserleitungen zunächst zu prüfen. Die mit dieser Prüfung verbundenen Kosten werden sich in der Regel in einer Größenordnung von 300 – 500 € bewegen. Diese kann in besonderen Fällen (z.B. großen Grundstücken) auch überschritten werden. Berücksichtigt man, dass diese Prüfung alle 20 Jahre zu wiederholen ist, so kann von einer unzumutbaren Belastung nicht gesprochen werden.
Erlauben Sie mir zur Verfassungsmäßigkeit des § 61 a Landeswassergesetz zur Funktionsprüfung folgendes auszuführen:
Der parlamentarische Beratungs- und Gutachterdienst des Landtags NRW hat mit Datum vom 03.02.2012 ein Gutachten zu § 61 a Landeswassergesetz herausgegeben. Das Gutachten wurde damals von der Fraktion „Die Linke“ im Landtag NRW im Hinblick auf die Regelungsbefugnis des Landes NRW erbeten. Das Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Landesgesetzgeber keine Regelungsbefugnis mehr hat, weil im Wasserhaushaltsgesetz des Bundes dies geregelt worden sei. Um für die zukünftige Landeswassergesetzgebung unter dem Aspekt der Regelungskompetenz Rechtsklarheit zu erhalten, hat das Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz eine externe rechtliche Bewertung in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass § 61a Landeswassergesetz verfassungskonform ist.
Zuletzt möchte ich Sie über den aktuellen Stand zum § 61a Landeswassergesetz informieren. Die Notwendigkeit, Abwasserleitungen funktionsfähig und in einwandfreiem Zustand zu halten, folgt aus bundesrechtlichen Vorgaben, unabhängig von konkretisierenden Vorschriften in Nordrhein-Westfalen.
Um Klarheit und Rechtssicherheit zu schaffen, sollen die Vorschriften zur Funktionsprüfung im Landeswassergesetz NRW zeitnah neu gefasst werden. Die Koalitionsfraktionen aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben das im Koalitionsvertrag ausdrücklich verabredet.
Die Neuregelung soll gleichermaßen bürgerfreundlich und praxistauglich sein sowie den Erfordernissen des Gewässerschutzes Rechnung tragen. Hierbei wird auch geprüft, inwieweit sachgerecht nach unter-schiedlichen Gefährdungslagen differenziert werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Johannes Remmel