Wie wird die CDU bei der wichtigen Wahl um einen AfD Verbotsverfahren nächster Woche abstimmen? Wie sehen Sie und die CDU die Gefahr der AfD? Bekommen Sie die Stimmen außerhalb mit?
Sehr geehrter Herr Wadephul,
nächste Woche soll doch die Diskussion über einen Verbotsverfahrens gegen die AfD geben.
Besonders jetzt wo die AfD sich mehr radikalisiert, muss endlich mal was kommen.
Wie lange möchte man noch warten? Das war genau der Fehler in der Weimarer Republik einfach zu warten.
Die Abschiebetickets gegen Menschen mit Migrationshintergründen, in Erlangen im Stadtrat vor kurzem, die Hetze gegen unsere Demokratie und andere Menschen, Dexit, Sympatiesierung mit Trump und Putin, die Verbindungen zu vielen rechtsextremen Organisationen siehe Lena Kotre, und mehr.
Viele Menschen fordern deshalb das Verbot der AfD, weil sie Angst vor einer AfD Regierung haben. Sie können mal gerne mit allen CDU Abgeordneten die Anzahl der AfD-Verbot-Fragen zählen.
Es würde auch für den Anfang ausreichen, wenn man sich erst Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt in Visier nimmt. So zeigt man auch, dass es in der Demokratie Grenzen gibt. Es muss eine rote Linie geben.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen herzlichen Dank für Ihr Schreiben hinsichtlich eines möglichen AfD-Verbotsverfahrens.
Ich verstehe Ihre Besorgnis über die Entwicklung der AfD sehr gut, und ich teile Ihre Auffassung, dass die ‚Alternative für Deutschland‘ eine ernsthafte Gefahr für unser Land darstellt. Diese Partei gibt sich öffentlich als bürgerliche Kümmerer-Partei, offenbart aber hinter den Kulissen ihr wahres Gesicht. In Berichten des Verfassungsschutzes und Recherchen der Medien zeigen sich immer wieder und auch immer mehr Indizien dafür, dass die AfD verfassungsfeindlich ist.
Aus guten Gründen haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes die Möglichkeit eines Parteiverbots in unserer Verfassung verankert. Aus ebenso guten Gründen gelten für ein solches Parteiverbot aber auch sehr hohe Hürden. Bei einem Verbotsverfahren ist höchste Sorgfalt angezeigt. Denn von einem Verbotsverfahren, das am Ende keinen Erfolg hat, würde einzig und allein die AfD profitieren. Bereits die aktuelle Verbotsdiskussion mobilisiert die Anhängerschaft der AfD und hilft ihr einmal mehr, sich als Opfer darzustellen.
In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion haben wir ausführlich und sachlich über den avisierten Gruppenantrag diskutiert, der auf die Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD abzielt und dabei sowohl die Rechtslage als auch den politischen Kontext fundiert und ausführlich abgewogen.
Die überragende Mehrheit unserer Fraktion hat sich anschließend gegen einen Beitritt zum Gruppenantrag zur Einleitung eines Verbotsverfahrens gegen die AfD entschieden. Dabei waren folgende Erwägungen für uns handlungsleitend.
Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Einschätzung bestätigt. Eine Einstufung als „Verdachtsfall“ ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer politischen Partei stellt. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots (noch) nicht erfüllt sind.
Das Verfahren zum Verbot einer politischen Partei dauert – selbst im Erfolgsfall –mehrere Jahre. Bei der NPD hat es vier Jahre gedauert. Selbst für den Fall eines erfolgreichen Verbotsantrags könnte sich die AfD weiterhin als vermeintliche „Märtyrer“ inszenieren.
Darüber hinaus fehlt dem Gruppenantrag die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung. Eine solche könnte nur durch das Bundesamt für Verfassungsschutz und die Landesämter für Verfassungsschutz erstellt werden - erst auf einer solchen Grundlage kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Überdies verlangt das Bundesverfassungsgericht, vor Einleitung eines Verbotsverfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der betroffenen Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie vermag allerdings nur die Bundesregierung respektive die Landesregierungen zu geben. Sie allein vermögen deshalb einen überzeugenden Beweisantrag zu erarbeiten.
Zudem müssen wir auch die möglichen Folgen eines Scheiterns des Verbotsantrags bedenken: Die AfD erhielte faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“, eine verfassungsgemäße Partei zu sein – dieses Risiko einzugehen, halten wir für nicht vertretbar.
Wir halten es für einen Trugschluss zu glauben, die Zustimmung zur AfD ließe sich „wegverbieten“. Die politischen Kräfte der demokratischen Mitte müssen die AfD stattdessen politisch und inhaltlich stellen. Wir wollen keine Symptombehandlung, sondern Ursachenbekämpfung: Die drängenden politischen Probleme Deutschlands müssen gelöst werden, um dem in der Bevölkerung weit verbreiteten Frust gerecht zu werden. Altbundespräsident Joachim Gauck bringt es auf den Punkt: Ein Verbotsverfahren würde „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“.
Nach intensiver Abwägung der rechtlichen und politischen Argumente sehen wir darum keine ausreichende Grundlage für ein erfolgreiches Verbotsverfahren. Die politische und inhaltliche Auseinandersetzung ist der geeignete Weg, um die AfD zu stellen. Die Lösung liegt in der Bewältigung politischer und gesellschaftlicher Probleme, nicht im Versuch eines Verbots.
Die AfD besitzt keine echten Lösungen für die Probleme in unserem Land. Sie verfolgt eine rein destruktive Politik, die unserem Land und unserer Gesellschaft schadet. Sie unterscheidet sich damit fundamental von unseren politischen Grundwerten und unserer Haltung als konstruktive Opposition. Unser Land braucht eine Politik, welche die Probleme im Land entschlossen angeht und dieser gefährlichen Entwicklung somit den Nährboden entzieht. Ein Parteiverbot als Lösung greift hier zu kurz.
Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion arbeiten jeden Tag dafür, die AfD inhaltlich zu stellen und das Vertrauen der Menschen in konstruktive und lösungsorientierte Politik wieder zu stärken. Wir bitten darum auch weiterhin um Ihr Vertrauen und Ihre Unterstützung, um gemeinsam klar Stellung gegen die AfD zu beziehen.
Mit freundlichen Grüßen
Johann Wadephul