Frage an Johann Wadephul von Thomas H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Wadephul,
Ende Juni fand im Bundestag die erste Lesung des Jahressteuergesetzes 2013 statt. Das Gesetz soll unter anderem die Abgabenordnung ändern. Vereinen, die im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als extremistisch aufgeführt werden, soll laut Gesetzentwurf die Gemeinnützigkeit entzogen werden, ganz egal ob die Vorwürfe berechtigt sind oder nicht. Bereits seit 2009 existiert eine Regelung zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit, doch bislang konnten betroffene Vereine sich gegen den Entzug der Gemeinnützigkeit wehren, indem sie bei den Steuerbehörden Widerspruch einlegten. Doch dieses Widerspruchsrecht soll nun wegfallen. Außerdem droht der Organisation eine Steuerrückzahlung, die bis zu 10 Jahren zurückreichen kann.
Soweit als Einführung damit Sie wissen wovon ich rede.
Es ist doch sehr bedenklich, das es in Zukunft möglich sein soll, einem Verein "dessen Nase dem Staat nicht passt" einfach als verfassungswidrig einzustufen. Frei nach dem Motto: Besser 1000 Unschuldige erschossen als einen Verbrecher laufen zu lassen. Ob das stimmt oder nicht, spielt keine Rolle mehr. Der Verein müsste dann einen langwierigen Prozess gegen den Verfassungsschutz führen, anstatt wie bisher einfach Einspruch erheben zu können. Dies würde für kleine Vereine das aus bedeuten, die sich einfach mal regierungskritisch äußern wollen, die deswegen aber nicht automatisch verfassungsfeindliche Absichten haben.
Kann es das wirklich sein? Wir prangern Putin an wegen seiner "demokratischen" Beschneidung der Meinungsfreiheit durch absurde Gesetze, sind aber auf dem selben Weg der Bevölkerung einen offenen Meinungsaustausch zu verbieten. Es wäre nett wenn Sie mir sagen ob sie diesen Gesetzesvorschlag unterstützen würden.
Mit freundlichen Grüssen
Hillmann Thomas
Sehr geehrter Herr Hillmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage über abgeordnetenwatch.de vom 01.08.2012.
Im Jahressteuergesetz 2013 ist eine Neuregelung der Zuerkennung der Gemeinnützigkeit vorgesehen. Dort heißt es in Art. 10:
"Körperschaften, die sich aktiv gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung wenden und den Bestand, die Sicherheit und die Funktionsfähigkeit des Bundes oder eines der Länder beeinträchtigen oder beseitigen wollen (§ 4 Bundesverfassungsschutzgesetz), können nicht als gemeinnützige Körperschaft anerkannt werden und von Steuervergünstigungen profitieren. Dies gilt auch, wenn eine Körperschaft dem Gedanken der Völkerverständigung zuwiderhandelt (§ 51 Absatz 3 Satz 1 AO). Ist deshalb eine Körperschaft im Verfassungsschutzbericht des Bundes oder eines Landes als verfassungsfeindlich aufgeführt, ist ihr die Anerkennung als gemeinnützige Körperschaft zu versagen.
Die Überprüfung, ob eine Körperschaft trotz einer Nennung in einem Verfassungsschutzbericht doch die Anforderungen nach § 51 Absatz 3 Satz 1 erfüllt, muss nach Streichung des Wortes "widerlegbar" in Satz 2 nicht mehr durchgeführt werden. Sollte eine Körperschaft ihrer Ansicht nach zu Unrecht in einem Verfassungsschutzbericht aufgeführt worden sein, so obliegt es ihr, sich dagegen in einem gerichtlichen Verfahren zur Wehr zu setzen.
Körperschaften, bei denen der bloße Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit besteht und die nur als Verdachtsfall in einem Verfassungsschutzbericht erwähnt wurden, ist nicht auf Grund des Verdachtes die Gemeinnützigkeit zu versagen. Allerdings ist einem solchen Fall die Voraussetzung des § 51 Absatz 3 Satz 1 AO und damit das Vorliegen von Bestrebungen nach § 4 Bundesverfassungsschutzgesetz durch das zuständige Finanzamt inzident zu prüfen."
Ihre Sorgen, dass rechtsstaatliche Grundprinzipien der Freiheit und der freien Meinungsäußerung gefährdet seien, teile ich nicht. Vor dem Entzug der Steuervorteile entscheiden die Verwaltungsgerichte über Einstufung der Vereinigungen als extremistisch. Wenn eine Gruppierung von den Verwaltungsgerichten als eine solche eingestuft wird, kann geklagt werden. Die Finanzämter sind in diesem Falle zum Abwarten des Urteils verpflichtet.
Auch das Prinzip der Verhältnismäßigkeit ist nicht verletzt. Die bloße Aufführung einer Körperschaft in einem Verfassungsschutzbericht führt nicht zu einem zwingenden Entzug der Steuervergünstigung, sondern bietet lediglich Anlass zu einer weitergehenden Ermittlung durch die Finanzbehörden.
Weitere Details finden Sie in der Antwort der Bundesregierung (Verlust der Gemeinnützigkeit von Vereinen bei Auflistung in Verfassungsschutzberichten) in der Drucksache des Deutschen Bundestages 17/10291.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Johann David Wadephul, MdB