Frage an Johann Saathoff von Reinhard G. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Saathoff,
derzeit findet in Europa das Manöver Defender 21 statt, an dem ca. 30 000 Soldaten aus 26 Ländern teilnehmen sollen. Letztes Jahr wurde das Manöver Defender 20 wegen Corona abgebrochen. Wie sind die Soldaten (zum Teil ja auch Bundeswehrsoldaten), die dieses Jahr an dem Manöver teilnehmen, vor Corona geschützt?
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8541/
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8559/
Laut einem Artikel der Berliner Zeitung soll der ukrainische Präsident Selenskyi am 24. März ein Dekret unterzeichnet haben, in der er die Vorbereitung von Maßnahmen ankündigt, um „die vorübergehende Besetzung“ der Krim zu beenden.
https://www.imi-online.de/2021/04/12/minsker-abkommen-faktisch-gekuendigt/
Russland soll Militäreinheiten in die Nähe der Grenze verlegt haben. Das Manöver Defender 21 mit Beteiligung der Ukraine dürfte einer der Anlässe dafür sein. Oder auch der Anschlagsversuch auf den Präsidenten von Belarus.
https://www.mdr.de/nachrichten/welt/politik/lukaschenko-anschlag-auf-belarus-praesident-verhindert-100.html
Wie schätzen Sie die Situation ein? Sollte der Westen sich um Ausgleich bemühen und auch auf die Ukraine einwirken, zum Minsker Abkommen zurückzukehren und vom oben genannten Vorhaben Abstand zu nehmen? Sollte ihrer Meinung nach die NATO weiterhin mit der Ukraine Manöver im Schwarzen Meer durchführen? Für wie gefährlich halten Sie die Situation? Wie kann sie wirksam entschärft werden?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrter Herr Großmann,
Von Ende März an kam es zu großen russischen Truppenbewegungen in der Nähe der russisch-ukrainischen Grenze sowie auf der widerrechtlich von Russland annektierten Krim. Diese konnten in ihrer Art und Anzahl nicht als routinemäßig betrachtet werden. Mitte April hielten russische Kriegsschiffe und Kampfflugzeuge zudem Übungen im Schwarzen Meer ab, und Russland hat eine Sperrung von Seegebieten im Schwarzen Meer bis Ende Oktober ausgesprochen. Letzteres ist völkerrechtlich zumindest als problematisch zu bewerten.
Die Ukraine hat in dieser Situation wichtige Signale der Deeskalation gesetzt, indem sich Regierung wie militärische Führung des Landes zu einer Lösung des Donbass-Konflikts allein auf diplomatischem und politischem Weg bekannt haben.
In meiner Rede in der Aktuellen Stunde des Bundestags am 22.4. habe ich geäußert, dass mir diese Situation Sorgen machte, in der sich zehntausende russische Soldaten in Grenznähe zur Ukraine sowie auf der ukrainischen Krim befanden, ohne dass es dafür zu diesem Zeitpunkt von russischer Seite eine plausible Erklärung gegeben hätte. Diese Situation barg das Risiko, dass durch Missverständnisse eine militärische Eskalationsspirale in Gang geraten könnte – Zurückhaltung, Deeskalation und vertrauensbildende Maßnahmen waren geboten.
Die Ukraine hatte Russland auf Grundlage von Kapitel III des Wiener Dokuments über vertrauens- und sicherheitsbildende Maßnahmen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) frühzeitig dazu aufgefordert, Transparenz über seine unangekündigten umfangreichen Truppenbewegungen herzustellen. Diese internationale Verpflichtung obliegt Russland als OSZE-Mitglied – es ist ihr allerdings bis heute nicht in konstruktiver Weise nachgekommen. Russland bleibt aufgerufen, hier zur Kooperation zu finden – eine Eskalation einer solchen Situation kann aus meiner Sicht auch nicht im russischen Interesse sein.
Erst am 22.4. kündigte Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu den Abzug der entlang der ukrainischen Grenze sowie auf der Krim zusammengezogenen russischen Truppen an und sprach offenbar rückblickend von einer „Übung“. Am 29.4. meldeten die russischen Streitkräfte, ihre Truppen seien von der ukrainischen Grenze zurückgezogen worden und in ihre Heimatkasernen zurückgekehrt.
Zum wiederholten Male habe ich in meiner Rede am 22.4. ebenfalls dargelegt, dass der Konflikt im Donbass nur politisch und diplomatisch durch die vollständige Umsetzung der Minsker Vereinbarungen gelöst werden kann. Das Angebot Deutschlands und Frankreichs steht, das Normandie-Format – das neben diesen beiden auch die Ukraine und Russland einschließt – zu nutzen, um Deeskalation und Fortschritt in der Sache zu erreichen.
Zu Ihrer Frage zum Manöver Defender Europe 21 kann ich sagen, dass es in diesem einen Jahr seit dem abgebrochenen Manöver natürlich eine enorme Lernkurve in Bezug auf Hygienekonzepte gab und die Bundeswehr und die anderen Streitkräfte alles dafür tun werden, damit es nicht zu einer Verbreitung des Corona-Virus kommen wird. Für detaillierte Informationen wenden Sie sich bitte an das Bundesverteidigungsministerium oder die Bundeswehr.
Mit freundlichen Grüßen
Johann Saathoff