Frage an Johann Saathoff von Nick B.
Sehr geehrter Herr Saathoff,
Bundesrat und Bundestag haben in der vergangenen Woche in erster Lesung über das Fracking-Gesetzespaket beraten. Insbesondere für Niedersachsen ist dieses Gesetzespaket relevant und könnte mittel- bis langfristig Fracking in den unkonventionellen Erdgasvorkommen des Landes ermögliche. Als ordentliches Mitglied im für Teile des Gesetzespakets zuständigen Wirtschaftsausschuss bitte ich Sie daher, mir einige Fragen zu diesem Thema zu beantworten:
1) Unter welchen Voraussetzungen halten Sie den Einsazt der Fracking-Technik zur Gewinnung von Erdgas und Erdöl in Deutschland für richtig und notwendig?
2) Die Frage, ob in Deutschland Fracking zur Gewinnung von Erdöl und Erdgas eingesetzt wird ist von gesellschaftlicher und politischer Relevanz. Sollte die Letztentscheidung über eine solche Frage nicht beim Bundestag liegen?
3) Stellt die geplante 3000-Meter-Grenze angesichts geowissenschaftlicher Erkenntnisse und Annahmen eine sinnvolle Regelung zum Schutz von Umwelt, Grundwasser und Gesundheit dar?
4) Ist der Einsatz der Fracking-Technik in Sandstein tatsächlich sicherer als in Schiefer- oder Kohleflözgestein? Wenn ja, worin liegen die Unterschiede?
5) Warum sollte es Ihres Erachtens in Deutschland Erprobungsvorhaben zum Einsatz der Fracking-Technologie geben und wie viele sollten das sein?
Vielen Dank für Ihre Antworten
Sehr geehrter Herr Büscher,
haben Sie vielen Dank für Ihre Anfrage vom 13.05.2015 zum Thema "Fracking".
Zunächst erlaube ich mir einige allgemeine Anmerkungen zu machen. Nach geltendem Recht ist Fracking zur Erdgasgewinnung in Deutschland derzeit erlaubt. Dabei wird nicht zwischen "konventionellem" und "unkonventionellem" Fracking unterschieden. Mit dem von Umwelt- und Wirtschaftsministerium vorgelegten Gesetzentwurf wird das geändert.
Im Rahmen der parlamentarischen Beratungen werde ich mich gemeinsam mit meinen Kolleginnen und Kollegen der SPD-Bundestagsfraktion dafür einsetzen, dass der Schutz der Umwelt, der Gesundheit und des Trinkwassers absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben und daher besonders geschützt werden müssen.
Zu ihren Fragen möchte ich folgendes ausführen:
Als Fürsprecher der Erneuerbaren Energien halte ich das "unkonventionelle Fracking" zur Förderung von Schiefer- und Kohleflözgas zu wirtschaftlichen Zwecken derzeit für nicht verantwortbar. Zudem bin ich der Überzeugung, dass es zur Wahrung der Versorgungssicherheit aktuell nicht notwendig ist. Unser Ziel muss es sein, die Erneuerbaren Energien so auszubauen, dass wir in Deutschland eine nachhaltige, preiswerte und vor allem sichere Energieversorgung gewährleisten.
Selbstverständlich wird die Letztentscheidung beim Deutschen Bundestag liegen, unabhängig davon ob es eine Expertenkommission geben wird.
Das konventionelle Fracking zur Erdgasförderung wird in Deutschland seit mehr als 40 Jahren angewendet. Es erfolgt in Sandstein in größeren Tiefen und damit weit unterhalb der Grundwasservorkommen. Hierbei wird Frackflüssigkeit in wesentlich geringeren Mengen eingebracht als beim unkonventionellen Fracking. Das Gas steigt meist nach der Bohrung ohne zusätzlich eingebrachten hydraulischen Druck an die Oberfläche. Deshalb wird Frackflüssigkeit hierbei eher bei der Förderung von Restvorkommen der jeweiligen Bohrung und bei weniger durchlässigem Gestein eingesetzt.
Unkonventionelles Fracking wird in Deutschland nicht angewendet, dementsprechend liegen auch keine Erfahrungswerte vor. Wie Sie richtigerweise ausführen, sieht der Gesetzesentwurf ein Verbot des Frackings in Kohleflöz- und Schiefergestein bis zu einer Tiefe von 3000 Metern vor.
Auch für das konventionelle Fracking sieht der Gesetzentwurf Änderungen vor. Die Anwendung der Fracking-Technologie soll weiterhin erlaubt sein, allerdings werden die Anforderungen verschärft und ergänzt. Das Fracking wird in sensiblen Gebieten wie Wasserschutz- und Heilquellenschutzgebieten, an Seen und Talsperren zur Trinkwassergewinnung sowie an Wasserentnahmestellen der öffentlichen Wasserversorgung verboten.
Wie bereits eingangs erwähnt, hat der Schutz des Trinkwassers und der Natur absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen. Insbesondere im Einzugsbereich von öffentlichen Wasserentnahmestellen oder der unmittelbaren Verwendung in Lebensmitteln muss eine Schädigung des Grundwassers deshalb ausgeschlossen werden (wasserrechtlicher Besorgnisgrundsatz). Die Einführung des wasserrechtlichen Besorgnisgrundsatzes halte ich daher für richtig und wichtig.
Außerdem muss aus meiner Sicht der Umgang mit Lagerstättenwasser problematisiert werden, das bereits heute im Rahmen der Erdgasförderung eine wichtige Rolle spielt. Unternehmen sollten beispielsweise dazu verpflichtet werden im Umgang mit Lagerstättenwasser stets den aktuellen Stand von Wissenschaft und Technik einzuhalten. Eine Verpressung darf nur dann vorgenommen werden, wenn diese als unbedenklich charakterisiert werden kann und keine negativen Auswirkungen zu erwarten sind.
Bei Vorhaben zur Erdöl- und Erdgasförderung wird zusätzlich eine Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung für alle Frackingmaßnahmen – ob konventionell oder unkonventionell – sowie für die Entsorgung von Lagerstättenwasser eingeführt.
Erprobungsmaßnahmen dienen dazu Erfahrungswerte über die Auswirkungen auf Umwelt und Untergrund zu sammeln. Diese wissenschaftlich begleiteten Erprobungen werden allerdings nur unter der Voraussetzung möglich sein, dass die verwendete Frackflüssigkeit nicht wassergefährdend ist. Wir gehen von weniger als zehn Erprobungsverfahren aus.
Abschließend möchte ich noch eine grundsätzliche Anmerkung anfügen. Falls generell davon ausgegangen wird, dass die Gasversorgung auch in den nächsten Jahren eine Rolle spielen wird, kann es uns in dieser Diskussion nicht egal sein, dass gleichzeitig gefracktes Gas aus dem Ausland bezogen wird.
Lieber Herr Büscher,
all die von Ihnen aufgeworfenen Fragen werden wir in den kommenden Wochen im Rahmen des parlamentarischen Verfahrens intensiv beraten.
Mit freundlichen Grüßen
Johann Saathoff, MdB