Frage an Jörg van Essen von Hermann B. bezüglich Bundestag
Sehr geehrter Herr van Essen,
ich bin überzeugt davon, dass eine Partei, die schwerpunktmäßig die Nachteile unseres Föderalismus in der aktuellen Form (Kosten, pol. Handlungsunfähigkeit, primitives Machtstreben, Lechzen von Wahl zu Wahl usw.) mit der Forderung verknüpft hätte, aus 16 Bundesländern 6 Bundesländer zu machen, einen überaus hohen Zuspruch bei den Wählern gewinnen würde.
Der Föderalismus ist eine gute Sache.
Bei unserem real existierenden Föderalismus überwiegen allerdings die Nachteile gegenüber den Vorteilen (Gewaltenteilung) extrem.
Eine dem Bürger unverständliche und nicht abgeschlossene Föderalismusdidkussion versteht niemend und kann auch so nicht zum erfolgreichen Ende geführt werden. Die Ministerpräsidenten (zumindest ein großer Teil dieser 16er-Gemeinschaft) werden keinen Fitzel Macht abgeben.
Was spricht gegen eine Forderung, aus 16 Bundesländern 6 Bundesländer zu machen???
Klären Sie die Bürger über die Nachteile unseres föderalistischen Systems auf - Sie erhalten einen überaus großen Zuspruch und somit eine große Anzahl von zusätzlichen Wählerstimmen aufgrund der Forderung, dieses System zu ändern! (Tip für 2009)
Ich als frustrierter Wähler in Westdeutschland glaube allerdings, dass eine solch vrnünftige Forderung aufgrund von persönlichen Machtinteressen (man sägt nicht den Ast ab, auf dem man sitzt) nicht einmal eine Chance hat, öffentlich von einem Politiker vertreten zu werden.
Ich denke schon, Herr van Essen, dass Sie mir hier zustimmen werden. Sie sind doch einer der wenigen Politiker, der analysierend und logisch denkend in den Medien auftreten kann und nicht nur Schmalz redet.
Wie wär´s mit diesem Thema - aber so, dass der Bürger es auch versteht.
"Aus 16 wird 6"
MfG
H. Bisping
Sehr geehrter Herr Bisping,
zu Ihrer Zuschrift zum Thema Föderalismus, für die ich mich herzlich bedanke, möchte ich wie folgt Stellung nehmen:
Sie sprechen in Ihrer Anfrage ein wichtiges Problem an. Das föderale System in Deutschland bedarf einer umfassenden Neuordnung, um die bestehende Verflechtung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden zu beseitigen und so die Transparenz und Effektivität politischen Handelns deutlich zu steigern.
Die FDP fordert daher, dass die Verhandlungen über die dringende Aufgabe der Reform des Föderalismus zügig wieder aufgenommen werden. Dies sollte aus Sicht der Liberalen durch die Einsetzung eines - zahlenmäßig eher kleinen - Föderalismuskonvents geschehen, der auf der Arbeit der Föderalismuskommission aufbauen und sehr schnell Ergebnisse vorlegen könnte. Die FDP-Bundestagsfraktion hatte einen entsprechenden Antrag auf Einsetzung eines Föderalismuskonvents in den Deutschen Bundestag eingebracht und wird sich auch weiterhin für die Einrichtung eines solchen Konvents einsetzen.
Im Zentrum der Reform des Föderalismus muss eine sinnvolle Zuordnung der Kompetenzen unter Effizienzgesichtspunkten und nach der strikten Maßgabe des Subsidiaritätsprinzips stehen. Die jeweiligen Kompetenzbereiche müssen durch die staatliche Ebene geregelt werden, die in der Lage ist, die Aufgabe im Sinne der Bürger am effizientesten zu erfüllen. Die Zahl der durch den Bundesrat zustimmungsbedürftigen Gesetze muss durch klare Kompetenzaufteilungen stark reduziert werden. Bei einer Wiederaufnahme der Föderalismusreform sollte mehr Mut zu „Wettbewerbsföderalismus“ bewiesen werden. Es muss ein ideenreicher Wettbewerb in den verschiedensten Lebensbereichen, wie beste Standortfaktoren für Investitionen oder beste Ausbildungsangebote, entstehen. „Wettbewerbsföderalismus“ beinhaltet ein bislang unausgeschöpftes Potential durch Lernen vom Anderen, um die für die Bürgerinnen und Bürger beste Lösung zu erreichen. Föderalismus darf nicht Gleichmacherei, sondern muss Vielfalt bedeuten.
Neben der Neuaufteilung der Gesetzgebungskompetenzen muss eine wirkliche Neuordnung der Finanzströme zwischen Bund und Ländern erfolgen. Die FDP setzt sich hinsichtlich der Finanzierung von Vorhaben für die Verankerung eines echten Konnexitätsprinzips im Grundgesetz ein, nach dem Prinzip „wer bestellt, bezahlt“. Entscheidende Themenbereiche, wie eine Steuerautonomie für die Länder, dürfen bei einer Fortsetzung der Föderalismusreform nicht erneut ausgeklammert werden.
Einen weiteren wichtigen Punkt haben Sie in Ihrer Anfrage zum Kernthema gemacht: die Länderneugliederung. Das Thema Länderneugliederung darf bei einer Wiederaufnahme der Föderalismusreform nicht erneut tabuisiert werden. Nach meiner Auffassung ist allerdings die Anzahl der Bundesländer nicht das entscheidende Kriterium, sondern in erster Linie die Fähigkeit der Länder, weitgehend eigenständig zu existieren. Es kann nicht sein, dass einzelne Bundesländer auf Dauer „Kostgänger“ anderer Länder sind. Vor diesem Hintergrund muss der Länderfinanzausgleich reformiert werden. Der derzeitige Finanzausgleich verhindert Wettbewerb, da der Anreiz zur Steigerung der Finanzkraft des Landes fehlt. Nahezu jede positive Veränderung wird zugunsten anderer Länder wieder abgeschöpft.
Die FDP war im Übrigen die einzige Partei, die in der Föderalismuskommission die Initiative zum Thema Länderneugliederung ergriffen hat. Dabei hat sich, wie von Ihnen richtig vermutet, gezeigt, dass eine solche Forderung nicht von allen Seiten befürwortet wird. Die Vertreter der Liberalen haben sich in der Kommission dafür eingesetzt, das komplizierte Verfahren der Länderneugliederung zu erleichtern. Sollten einzelne Bundesländer über den Wettbewerb mit den anderen Ländern zu der Einsicht kommen, sie könnten aus Einsparungsinteressen oder Synergieerwägungen die ihnen obliegenden Aufgaben besser durch eine Verbindung mit einem anderen Bundesland erfüllen, müssen sie gesetzliche Voraussetzungen vorfinden, die eine Neugliederung überhaupt möglich machen. Die Freien Demokraten werden sich auch bei einem Neuanfang in der Föderalismusdebatte in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass die Länderneugliederung zum Thema gemacht wird.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg van Essen, MdB
Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion