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Jörg van Essen
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Frage von Daniel M. •

Frage an Jörg van Essen von Daniel M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr van Essen,

am Donnerstag werden Sie und Ihre Partei gegen die Anträge zur Gleichstellung der Lebenspartnerschaft stimmen, weil "Zu einer Koalition gehört immer die Verabredung, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen" (Berliner Zeitung).

Widerspricht das nicht in Ihren Augen dem Artikel 38 des Grundgesetzes, nach dem Abgeordnete "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen" sind?

Die Koalition macht in Sachen Gleichstellung nur so viel, wie es das Bundesverfassungsgericht vorschreibt. Ist es Ihnen und Ihrer Partei nicht mittlerweile zumindest unangenehm, die eigene Untätigkeit immer wieder vor Augen geführt zu bekommen?

Aus den Reihen der Union werden Homosexuelle immer wieder diffamiert - jüngst sogar als "schrille Minderheit" herabgewürdigt. Wo bleibt der #Aufschrei Ihrer Partei zu einer solch skandalösen Wortwahl?

Mit freundlichen Grüßen

Daniel Meik

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Meik,

haben Sie vielen Dank für Ihre Nachfrage zur Gewissensfreiheit der Abgeordneten.

Sie zitieren das Grundgesetz und auch die Berliner Zeitung korrekt, vermischen anschließend leider zwei unterschiedliche Ebenen, auf denen sich die Entscheidungsfindung der einzelnen Abgeordneten vollzieht.

Die oberste Maßgabe ist unbestritten der Artikel 38 GG, der die Freiheit des Mandates garantiert. Unterhalb dieser Freiheit wird jeder Abgeordnete sich seine Meinung zu der zu treffenden Fragestellung bilden. Dazu wird er die unterschiedlichsten Argumente bewerten und untereinander abwiegen. Am Ende dieses Prozesses steht dann eine Entscheidung, die der Abgeordnete für sich selbst frei und unabhängig getroffen hat.

Und eines dieser Argumente dabei ist das von mir in der Berliner Zeitung Genannte: dass man sich als Teil einer Koalition darauf verständigt hat, nicht mit wechselnden Mehrheiten abzustimmen. Diese Vereinbarung widerspricht in keiner Weise dem Artikel 38 des Grundgesetzes, sie wird aber neben zahlreichen anderen Argumenten für und gegen eine Entscheidung mit in die Meinungsbildung des Abgeordneten einfließen.

Wie eine solche Verabredung aus der Koalitionsvereinbarung durch den einzelnen Abgeordneten gewichtet wird, ist sicherlich individuell verschieden und muss in jeder Einzelfrage neu bewertet werden, vor allem wenn es sich um sog. Gewissensentscheidungen handelt.

Zum Thema Gleichstellung von Lebenspartnerschaften sind die Position der FDP und die Koalitionsvereinbarung klar. Was ansteht, ist die Umsetzung selbiger Koalitionsvereinbarung zur steuerlichen Gleichstellung und der Umsetzung des Bundesverfassungsgerichtsurteils zur Adoption. Das vollständige Adoptionsrecht für gleichgeschlechtliche Partnerschaften muss kommen. In dieser Legislaturperiode haben wir als Koalition in den Bereichen Erbschafts- und Grunderwerbssteuer und im Beamtenrecht bereits vollständige Gleichstellung erreicht. Zudem haben wir im Bundesbesoldungsgesetz die ehebezogenen Regelungen zum Familienzuschlag und zur Auslandsbesoldung auf gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften ausgedehnt.

Es werden nun innerhalb der Koalition Gespräche zu führen sein, zum Teil laufen diese auch schon. Und ich hoffe, dass diejenigen in der Union, die die gleiche Position vertreten wie wir in der FDP, zur ihrer Position stehen und Druck machen, damit sich die Haltung der Union ändert. Ich habe da große Hoffnung auch deshalb, weil sie von einer großen Mehrheit in der Bevölkerung getragen werden. Ich erinnere in diesem Zusammenhang gerne an frühere Äußerungen der CSU zur Frage der Wehrpflicht. Damals hat sich der bayerische Ministerpräsident strikt gegen eine Aussetzung gewandt. Eine Woche später hat er dann dafür plädiert. Das zeigt, dass die CSU manchmal in sehr kurzer Zeit zur Vernunft kommen kann. Ich würde mich freuen, wenn das bei diesem Thema auch so wäre.

Ich gehe fest davon aus, dass die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP noch in dieser Legislaturperiode einen gemeinsamen Gesetzentwurf vorlegen und verabschieden wird.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg van Essen