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Frage von Kai V. •

Frage an Jörg van Essen von Kai V. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Herr von Essen,

bezugnehmend auf die Bundestagssitzung zum Thema „Rechtliche Regelung der Beschneidung minderjähriger Jungen“ habe ich zwei Fragen zu Ihrer Rede, in der sie betonen:
„Beschneidung ist etwas anderes als Verstümmelung. Es gibt einen Unterschied zwischen der Beschneidung von Jungen und der vorsätzlichen sexuellen Verstümmelung von Frauen. Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir mit unserem Antrag das deutliche Signal setzen, dass wir solche Verstümmelungen nicht hinnehmen wollen. Das möchte ich, nachdem die Kollegin Lambrecht das bereits getan hat, noch einmal nachdrücklich unterstützen.“

Die Beschneidung von Mädchen wurde durch die Weltgesundheitsorganisation klassifiziert. Bei Typ I Female Gender Mutation, (auch „Sunna“/„Sunnah“ genannt) handelt es sich um die „teilweise oder vollständige Entfernung des äußerlich sichtbaren Teils der Klitoris und/oder der Klitorisvorhaut“.

Diese Form ist im Islam in der Hadith von der Beschneiderin beschrieben und geht von einer „nur“ teilweisen Kürzung der Klitorisvorhaut aus. Schafiitische Glaubensanhänger sehen diese als Verpflichtung an.

Laut Urologen ist die Klitorisvorhaut vom Aufbau und Funktion der männlichen Vorhaut gleich. Der Eingriff bei Jungen ist im Vergleich hierzu umfangreicher und schmerzhafter, weiterhin mit mehr Einschränkungen verbunden, wie z.B. der erschwerten Selbstbefriedigung (der ursprüngliche Grund für diese Praxis in den USA).

Hierzu nun meine Fragen:
1. Wird sich die FDP auch für eine Beschneidung von Mädchen/Frauen aussprechen, oder ist diese bereits erlaubt, oder sind weiterhin nur Jungen als nicht schützenswert eingestuft?
2. In wie weit wird es Gutachten und Expertiesen geben (der Gesundheitsausschuss wird nicht mit einbezogen) um zu prüfen in wie weit Beschneidungen Jungen in ihrem weiteren Leben einschränken, zu Gesundheitsrisiken und zu seelischen Problemen. Oder sind diese Erkenntnisse bei Einschnitten in Grundrechte unnötig?

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Vogelpohl,

wie Sie aus meiner Rede im Bundestag richtig zitieren, ist die Beschneidung von Jungen ganz strikt von der Genitalverstümmelung von Frauen zu unterscheiden. Auf diese Unterscheidung verweise ich mit Nachdruck.

Zu Ihren Fragen:

1. Die Verstümmelung von Frauen, die ausschließlich zur Einschränkung des weiblichen Sexualempfindens vorgenommen wird, stellt in Deutschland eine strafbare Körperverletzung dar. Das ist richtig und auch gut so. Die FDP-Bundestagsfraktion hat nie eine gegenteilige Ansicht vertreten. Im Gegenteil hat sie sich für die Schaffung eines gesonderten Straftatbestands zur Klarstellung der Strafbarkeit weiblicher Genitalverstümmelung eingesetzt. Diese Frage ist nicht mit der Beschneidung von Jungen zu vergleichen.

2. Beide Geschlechter sind selbstverständlich in gleichem Maße schützenswert. Jedoch sind ausführliche medizinische Gutachten zur Frage der Auswirkungen männlicher Beschneidungen nicht erforderlich. Die Beschneidung stellt zwar einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Kindes dar. Dies ist jedoch ein routinemäßiger medizinischer Eingriff, der keine bedeutende Gefahr für die Gesundheit des Kindes darstellt.

In diesem Rahmen bitte ich Sie auch folgende Gesichtspunkte zu beachten:
Die Entscheidung über die Erziehung des Kindes obliegt grundsätzlich den Eltern des Kindes. Das gilt auch gerade für die Religion des Kindes. Nur bei einem Missbrauch ihres Erziehungsrechts ist der Staat verpflichtet, dieses für die Eltern auszuüben. Ein Verbot der Beschneidung verhindert den Eintritt des Kindes in die Religionsgemeinschaft als solches und betrifft nicht nur die Art und Weise der Religionsausübung. Die jüdischen und muslimischen Eltern lassen ihr Kind beschneiden, um ihr Kind in ihre Religionsgemeinschaft aufzunehmen. Der Akt der Beschneidung gilt im jüdischen Glauben als Eintritt in den Bund mit Gott. Sie ist daher eine entscheidende Voraussetzung für die Teilnahme am religiösen Leben und damit für die Möglichkeit, das Judentum zu praktizieren. Im muslimischen Glauben hat die Beschneidung einen vergleichbaren Stellenwert. Eine Strafbarkeit der Beschneidung in Deutschland könnte zu einer familiären Ausgrenzung des Kindes führen, da es bis zu einem gewissen Alter außerhalb der elterlichen Religionsgemeinschaft aufwachsen würde. Aufgrund des fehlenden Zusammengehörigkeitsgefühls ist die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, dass das Kind seelische Schäden davon trägt. Zudem setzt man das Kind einer viel größeren gesundheitlichen Gefahr aus, indem man die Beschneidung unter Strafe stellt. Denn dadurch wird die Beschneidung nicht unterlassen. Die Eltern könnten vielmehr gezwungen sein, ihre Kinder von nicht medizinisch ausgebildeten Personen im Ausland beschneiden zu lassen. Die damit für das Kind verbundenen gesundheitlichen Risiken können nicht im Sinne des Kindes sein.

Die historische Verantwortung Deutschlands im Umgang mit dieser Frage spielt zudem eine entscheidende Rolle. Muslimisches Leben in Deutschland wäre massiv eingeschränkt, jüdisches Leben sogar unmöglich. Beide Religionsgruppen wären in der Ausübung ihrer Religion gehindert. Nach meiner Auffassung kann und wird man dies unter keinen Umständen zulassen. Insbesondere in Anbetracht unserer geschichtlichen Verantwortung muss die Ausübung jüdischen Glaubens in Deutschland möglich sein.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg van Essen, MdB