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Jörg van Essen
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Frage von Fernando A. •

Frage an Jörg van Essen von Fernando A. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Jörg van Essen,

meine Frage richte ich an Sie in ihrer Funktion als Mitglied des Ältestenrates. Immer wieder fällt mir auf, dass von 622 Sitzen des Plenums, sehr viele verlassen wirken. Es erscheint mir unmöglich, dass eine solche große Anzahl an MdB zur selben Zeit ihre Notdurft verrichten. Um meiner These ein wenig mehr Aussagekraft zu verleihen, verweise ich auf folgende Bilder:

http://www.patrick-kurth.de/uploads/im-plenum-aufgenommen-1a.jpg

http://www.martin-gerster.de/pics/mg_berlin_plenum.jpg

http://thomasmitsch.files.wordpress.com/2010/02/kopie-von-100226-aktion-schilder-im-plenum-02-200dpi.jpg

http://www.die-bpe.de/images/bundestag/bundestag23.jpg

Deshalb möchte ich gerne wissen, wie die gewählten Vertreter unseres Volkes, unsere Interessen durch Abwesenheit vertreten/ schützen wollen oder können? Wie wird diese Zeit von den entsprechenden MdB genutzt? Welche Belege liegen dafür vor? Ein reibungsloser Ablauf ist deshalb in meinen Augen nicht gewährleistet. Wie auf der Homepage des Bundestages beschrieben, ist dies eine der Aufgaben des Ältestenrates; genau dafür zu sorgen. Auf welche Art und Weise, versuchen Sie als Mitglieder, diesen Zustand zu verhindern?

Zu meiner Schulzeit, gab es ein Klassenbuch, indem alle Vorkomnisse erfasst wurden. Eine ähnliche Art von Dokumentation wird es bestimmt auch im Bundestag geben. Da Politiker im öffenlichen Dienst stehen, werden jegliche Arten von Daten auch veröffentlicht werden müssen. Dazu ein Zitat des Bundestages: "Dem deutschem Volke" Leider habe ich auf keinerlei Website des Bundes eine Veröffentlichung entdecken können. Deshalb bitte ich um Angabe, wo dieses Anwesenheitsverzeichnis einzusehen ist.

Vielen Dank für Ihre Antwort.
Mit freundlichen Grüßen

Fernando Aust

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Aust,

Ihre Beobachtung ist richtig. Im Plenum des Bundestages sind tatsächlich oft viele Plätze nicht besetzt. Die Haupttätigkeit der Abgeordneten besteht aber entgegen Ihrer Vermutung nicht darin, sich im Plenarsaal ‘den Hintern platt zu sitzen‘, sondern aktiv Gesetzgebungsarbeit zu leisten. Wäre Ihre These, dass die Abgeordneten vollständig im Plenarsaal sitzen müssen, zutreffend, müssten der chinesische Volkskongress oder die Volkskammer der früheren DDR die besseren Parlamente sein. Diese waren und sind nämlich immer bis auf den letzten Platz besetzt. Die Abgeordneten hatten bzw. haben aber kein Büro und auch keinerlei Einfluss auf den Gesetzgebungsgang. Sie mussten und müssen nur abnicken, was Ihnen die Regierung vorlegt. Je weniger Einfluss ein Parlament hat, desto mehr Abgeordnete sitzen im Plenum.

Parlamente mit Einfluss wie der Bundestag beraten Gesetzgebungsvorlagen intensiv. Deshalb finden parallel zu den Plenarsitzungen eine Fülle von weiteren Veranstaltungen statt. So tagen Untersuchungsausschüsse immer parallel zum Plenum ebenso wie der Ältestenrat des Bundestages. Ich selbst beispielsweise kann am Donnerstag von Mittag an durch die Sitzung des Ältestenrates und die danach folgende Sitzung des 1. Ausschusses am Nachmittag und frühen Abend nie im Plenum sein und komme trotzdem meinen Pflichten als Abgeordneter nach.

Für die Plenardebatte gilt folgende Regel: die ersten beiden Tagesordnungen am Donnerstag gelten als Kernzeitpunkt. Dort wird wegen der besonderen Wichtigkeit der Themen auf eine hohe Präsenz Wert gelegt. Bei den Fachdebatten am Donnerstag Abend und Freitag Vormittag sollen die jeweiligen Fachpolitiker anwesend sein, was auch sinnvoll ist. Ein Finanzpolitiker beispielsweise muss nicht bei einer Debatte der Umweltpolitiker über die Wasserqualität der oberen Donau anwesend sein. Er nutzt seine Zeit besser, wenn er zeitgleich Gespräche mit Fachleuten oder mit einer der vielen Besuchergruppen im Bundestag führt, um so die Sorgen der Menschen zu erfahren.

Im Übrigen sagt die Verfassung klar und eindeutig, dass Abgeordnete frei von Weisungen sind. Unser Grundgesetz verbietet deshalb den Vergleich mit weisungsabhängigen Schülern und damit die Anlegung eines Klassenbuches.

Zum Schluss eine Bemerkung: Ich frage alle meine Praktikanten, was sie im Bundestag am meisten überrascht hat. Die Antwort ist immer gleich: „Ich hätte nie gedacht, dass hier so viel gearbeitet werden muss“.

Mit freundlichen Grüßen
Jörg van Essen, MdB