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Frage von Arne J. •

Frage an Jörg van Essen von Arne J. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr van Essen,

ich habe Fragen zu den laut neuem Koalitionsvertrag von CDU/CSU und FDP geplanten Lockerungen des Sexualstrafrechts für Jugendliche, nachdem dieses 2008 deutlich verschärft wurde.

Sie waren ja bei der Debatte über die deutsche Umsetzung des EU-Rahmenbeschlusses 2004/68/JI "zur Bekämpfung des sexuellen Mißbrauchs und der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornografie" einer der entschiedensten Kritiker innerhalb Ihrer Partei gegenüber den schwarz-roten Gesetzentwürfen. Es wäre interessant zu wissen, wie aus Sicht Ihrer Fraktion zum einen die im Koalitionsvertrag anvisierte "Lockerung" im deutschen Recht konkret aussehen soll innerhalb des maßgeblichen 13. Abschnitts StGB ("Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung").

- Beinhaltet dies die Wiedereinsetzung der alten Altergrenzen von 16 (Opferseite) und 18 (Täterseite) gemäß §182 I ("Sexueller Mißbrauch von Jugendlichen"), welche sich zuvor 14 Jahre lang zweifelsfrei bewährt hatten?

- Beabsichtigen Sie hier, die auch erst seit 2008 bestehende Strafbarkeit des Versuchs (§182 IV) wieder einzuschränken oder zu streichen?

- Welche Änderungen betrachtet die FDP-Fraktion zum gegenwärtigen Zeitpunkt als notwendig beim §184c ("Jugendpornografie"), insbesondere bezogen auf den kontroversen Begriff der "Scheinminderjährigkeit"?

Außerdem spricht sich die neue schwarz-gelbe Bundesregierung im Koalitionsvertrag indirekt gegen die überarbeitete Neufassung von 2009 des Rahmenbeschlusses aus. Welche Möglichkeiten hat jedoch die Bundesregierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt des laufenden Verfahrens noch, erfolgreich auf eine Änderung von Inhalten des Rahmenbeschlusses zu drängen? Und in welchen Bereichen werden hier Änderungen als besonders notwendig angesehen seitens Ihrer Fraktion?

MfG,
Arne Jobs

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Jobs!

Vielen Dank für Ihre Zuschrift über Abgeordnetenwatch.

Zu Recht weisen Sie darauf hin, dass ich als Berichterstatter der FDP-Bundestagsfraktion die Änderungen der sog. Großen Koalition im Sexualstrafrecht in der 16. Wahlperiode scharf kritisiert habe. Die Änderungen verlassen die ursprüngliche Balance in § 182 StGB zwischen selbstbestimmter Sexualität und dem Schutz von jungen Menschen vor sexuellem Mißbrauch, die mit dem Kompromiß von 1994 nach langen und sorgfältigen Diskussionen geschaffen wurde. § 182 StGB ist 1994 auf Initiative der FDP als einheitliche Schutzvorschrift für Jugendliche unter 16 Jahren geschaffen worden. Es gab damals in den parlamentarischen Beratungen eine intensive Diskussion über die Höhe des Schutzalters. Letztlich konnte eine Einigung auf 16 Jahre erreicht werden. Es bestand damals Einigung in der Bewertung, dass nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis davon auszugehen ist, dass bei Jugendlichen zwischen 14 und 16 Jahren, unabhängig von ihrem Geschlecht der noch nicht abgeschlossene Reifeprozess und die noch fehlende sexuelle Autonomie dazu führen können, dass ein sexueller Mißbrauch durch Erwachsene mit nachteiligen Folgen für die sexuelle Entwicklung des jugendlichen Opfers möglich ist. Die Erprobung der Sexualität sollte für die Jugendlichen unbelastet von der Befürchtung, in Strafverfahren verwickelt oder zu Aussagen gegen die Sexualpartner gezwungen werden zu können, stattfinden. Es wurde bewußt eine Vorschrift geschaffen, die jugendtypische, einvernehmliche Beziehungen nicht erfassen soll. Die Altersschutzgrenze von 16 Jahren ist schliesslich mit breiter Mehrheit (CDU/CSU, SPD, FDP) vom Deutschen Bundestag verabschiedet worden, weil die Überzeugung vorherrschte, dass von der Strafnorm echte Liebesbeziehungen nicht erfaßt würden, sondern nur strafwürdiges Fehlverhalten gegenüber Schwächeren.

Der EU-Rahmenbeschluß zur Bekämpfung der sexuellen Ausbeutung von Kindern und der Kinderpornographie von 2003 bricht mit diesen Überlegungen. Er sieht u.a. ausdrücklich vor, dass ein "Kind" jede Person unter 18 Jahren ist. Der Rahmenbeschluß spricht sodann nur von Kindern und nicht von Jugendlichen. Es ist ein Skandal, dass die rot-grüne Bundesregierung diesem Rahmenbeschluss seinerzeit zugestimmt hat. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung hat sich jedoch nicht darauf beschränkt, nur das umzusetzen, was der Rahmenbeschluss zwingend vorsieht, sondern geht weit darüber hinaus. Unverständlich ist bspw. die, von dem Rahmenbeschluß nicht vorgegebene, Aufhebung einer Altersgrenze für den Täter. Künftig können sich daher auch Jugendliche untereinander nach § 182 Abs. 1 StGB strafbar machen. Damit wird ignoriert, dass zwischen Täter und Opfer aufgrund des Altersunterschieds regelmäßig ein Erfahrungs- und Machtgefälle besteht.

Die Koalitionspartner haben vereinbart, die Änderungen im Sexualstrafrecht auf den Prüfstand zu stellen. Wir wollen Regelungen, die über die Vorgaben des EU-Rahmenbeschlusses hinausgehen und die sachlich und rechtspolitisch nicht geboten sind, rückgängig machen. Die Einzelheiten hierzu werden im Gesetzgebungsverfahren zu klären sein.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg van Essen, MdB