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Jörg van Essen
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Frage von Rainer B. •

Frage an Jörg van Essen von Rainer B. bezüglich Recht

Sehr geehrter van Essen,

Ich würde mich freuen, wenn Sie mir sagen könnten, wo in Deutschland der gesunde Menschenverstand geblieben ist. Ich habe den Eindruck, das ich und viele andere nach dem Amoklauf von Winnenden, so schrecklich und bedauernswert er war, mittlerweile als Sportschütze und Jäger hier in Deutschland politisch verfolgt, für potenzielle Gewalttäter oder Terroristen und anscheinend dabei auch für nicht zurechnungsfähig gehalten werden. In den Medien werden wir Waffenbesitzer regelrecht mit Hassartikeln konfrontiert, die eigentlich jeder Beschreibung spotten und kaum fundiert recherchiert sind.

Ich möchte Sie, Herr van Essen, nun fragen, wie Sie zu den Forderungen stehen; einer dermaßen drastischen Verschärfung des Waffenrechts, wie es die SPD und CDU, oder ein generelles Verbot von Waffen in Privatbesitz, wie es z.B. die Grünen und die Linken möchten.
Auch möchte ich Sie fragen, was Sie von dem geplanten Zutritt der Wohnung auch gegen den Willen des Eigentümers zwecks Kontrollen der Waffenaufbewahrung halten.

Wäre es nicht besser, die bestehenden Gesetze und Verordnungen vernünftig umzusetzen?

Ich gehe einer geregelten Arbeit nach, zahle meine Steuern und habe mir bisher nichts zu Schulden kommen lassen, fühle mich aber mittlerweile von meinen politischen Vertretern im Stich gelassen, nicht nur in Bezug auf den Waffenbesitz.

Über eine Antwort würde ich sehr freuen.
Mit freundlichen Grüßen

Portrait von Jörg van Essen
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Brormann!

Vielen Dank für Ihre Zuschrift zur geplanten Verschärfung des Waffenrechts. Mich haben in der letzten Zeit viele Zuschriften wie die Ihre erreicht. Ich nehme Ihre Hinweise sehr ernst.

Erlauben Sie mir einige Vormerkungen vorweg: Die Ereignisse von Winnenden und Wendlingen haben uns alle betroffen und fassungslos gemacht. Inzwischen ist es leider zu weiteren Straftaten mit Waffen, z.B. auch in Eislingen, gekommen. Für meine Fraktion ist klar: Es bedarf einer sorgfältigen und genauen Untersuchung der Ursachen dieser Verbrechen. Die dahinterstehenden Probleme sind vielschichtig. Ein verantwortungsvoller und seriöser Lösungsansatz muss zahlreiche komplexe Fragestellungen behandeln.

Nach der schrecklichen Tat wurden viele schnelle Vorschläge für eine erneute Verschärfung des Waffenrechts in die Diskussion gebracht. Man muss sehr darauf achten, dass nicht durch vorschnelle Vorschläge wieder Erwartungen geschürt werden, die durch gesetzliche Regelungen, durch die Politik allein nicht eingehalten werden können. Das deutsche Waffenrecht wurde bereits nach dem Amoklauf in Erfurt zwei Mal verschärft und es ist bereits jetzt eines der strengsten der Welt. Leider hat auch ein solch strenges Waffenrecht den Amoklauf von Winnenden nicht verhindert. Kein Gesetz kann schützen, wenn es - wie in Winnenden z.B. bei der Aufbewahrungspflicht - nicht beachtet wird.

Ich teile die Einschätzung meines Fraktionskollegen, des Innenexperten der FDP-Bundestagsfraktion Hartfrid Wolff, MdB, der den nun vorgelegten Regierungsbeschluss zum Waffenrecht als untauglich zur Erhöhung der inneren Sicherheit einstuft. Kein Gesetz kann schützen, wenn es nicht beachtet wird. Ich erlaube mir, nachfolgend aus seiner aktuellen Pressemitteilung zu zitieren, die ich inhaltlich teile: Entscheidend ist, den Vollzug des bestehenden Waffenrechts zu verbessern. Hier muss die Kontrolle der Aufbewahrungspflichten tatsächlich verbessert werden. Aber dabei muss das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung sorgfältig beachtet werden. Es ist nicht einsichtig, warum unangemeldete Kontrollen eingeführt werden, wenn es bislang noch nicht einmal angemeldete gegeben hat. Bessere Kontrollen setzen einen stärkeren personellen und materiellen Einsatz der Bundesländer voraus. Am Personalmangel und damit dem eigentlichen Problem des Waffenrechtsvollzugs ändert der Koalitionsbeschluss nichts.

Auch das Verbot von Spielen wie Paintball und Laserdom ist Aktionismus. Wer das als "menschenverachtendes" Spiel mit "simulierter Tötungsabsicht" verbieten will, der müsste auch das olympische Sportfechten, Boxen oder auch Völkerball verbieten.

Zwar begrüßt die FDP-Bundestagsfraktion die Amnestieregelung zur Rückgabe illegaler Waffen sowie die vorgezogene Einführung eines zentralen Waffenregisters. Der Beschluss der Bundesregierung ist dennoch Aktionismus. Im Hauruck-Verfahren soll eine Verschärfung des Waffenrechts beschlossen werden, ohne dass die bisherigen Verschärfungen nach dem Amoklauf von Erfurt überhaupt auf ihre Wirksamkeit evaluiert worden sind. Ohne eine Sachverständigenanhörung des Innenausschusses darf diese einschneidende Gesetzesvorlage nicht durch den Bundestag gepeitscht werden.

Jenseits aller politischer Vorschläge muss jeder von uns aber auch erkennen und eingestehen: wenn ein Mensch zu solch grausamen Taten entschlossen ist, dann können Gesetze leider oft nicht helfen. Als Gesellschaft und als Abgeordnete des Deutschen Bundestages müssen wir versuchen, solche Vorkommnisse so unwahrscheinlich wie möglich zu machen.

In erster Linie benötigen wir aber eine Kultur des stärkeren Hinsehens. Gewalt- und Kriminalprävention brauchen einen höheren Stellenwert auch bei staatlichem Tun. Es muss besser wahrgenommen werden, wenn Kinder, Schüler oder Freunde sich absondern oder Probleme mit sich tragen. Das Entgegenwirken von Vereinzelungs- und Isolationstendenzen bei Personen ist eine bedeutende gesellschaftliche Aufgabe, auch und gerade vor Ort. Dies ist eine, nicht nur wegen der grausamen Tat in Winnenden und Wendlingen, sehr bedeutsame Zukunftsaufgabe aller gesellschaftlichen Kräfte, einschließlich der Politik.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg van Essen, MdB,
Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion