Frage an Jörg Lühmann von Jens M. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Lühmann,
der Antrag Ihrer Fraktion zum Radverkehr fordert vom Senat,
"7. bei entfallender Benutzungspflicht von Radwegen außerhalb von Tempo-30-Zonen benutzungspflichtige Fahrradstreifen auf der Fahrbahn abzumarkieren,"
Warum fordern Sie benutzungspflichtige Sonderwege für Fahrradfahrer? Bzw. wie stellen Sie sich das konkret vor? Die Rechtsprechung verlangt zum Beispiel zu parkenden Autos einen Abstand von 1,5 Metern. Wenn man den einhält, fährt man in der Regel schon auf dem linken Rand des Radstreifens, was Autofahrer aber nicht davon abhält, mit zu wenig Abstand zu überholen. Aber auch, wenn man auf der Mitte des Streifens fährt, fahren Autofahrer mit zu wenig Abstand vorbei - sie denken dann, es reiche aus, den Radstreifen gerade nicht zu befahren. Separation verschärft Konflikte zwischen Verkehrsteilnehmern, weil andere Verkehrsteilnehmer (hier: Radfahrer) aus dem Bewußtsein der Autofahrer verdrängt werden.
Schließlich würde eine Benutzungspflicht verhindern, das schnellere Radfahrer langsamere überholen. Zum alltagstauglichen Verkehrsmittel macht man das Rad so nicht, wenn man es gegenüber anderen Fahrzeugen benachteiligt.
Ist Ihnen außerdem der Forschungsbericht der Uni Dortmund ( http://www.nachhaltiger-verkehr.de/download/RAVE-AbschlussberichtLang.pdf ) bekannt, der (auf Seite 68) die generelle Aufhebung der Benutzungspflicht von mit Zeichen 237/240/241 beschilderten Wegen empfiehlt?
Mit freundlichen Grüßen
Jens Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
mit Erschrecken habe ich festgestellt, die Beantwortung Ihrer hoch interessanten Anfrage bisher versäumt zu haben, was ich sehr bedaure. Vielen Dank auch für den Verweis auf den Bericht der Uni Dortmund, den ich bis dahin nicht kannte und mit großem Interesse gelesen habe.
Ich gebe Ihnen ausdrücklich Recht, dass Radfahrerinnen und Radfahrer auf der Fahrbahn objektiv wesentlich sicherer sind, als auf baulich hergestellten Radwegen, auch wenn diese den Kriterien der PLAST 9 entsprechen sollten, was in Hamburg leider viel zu oft nicht der Fall ist. Ich stimme Ihnen auch zu, dass eine Regelung nur dann erfolgreich sein kann, wenn sie für alle Beteiligten möglichst leicht zu erkennen ist.
Gleichzeitig habe ich aber auch die Erfahrung gemacht, dass viele Radfahrerinnen und Radfahrer sich subjektiv auf separaten Fahrradwegen sicherer fühlen. Wenn ich diese Menschen auffordere, mit ihren Fahrrädern die Fahrbahn zu benutzen, fühlen diese sich oft dem Autoverkehr ungeschützt ausgesetzt. Diese Erfahrung hat nach meinen Informationen auch der ADFC unter seinen Mitgliedern gemacht.
Ich habe daraus den Schluss gezogen, dass die Benutzung der Fahrbahnen mit Fahrrädern in Tempo-30-Zonen unstrittig und leicht vermittelbar ist. An Straßen außerhalb dieser Zonen, vor allem aber an Hauptverkehrsstraßen besteht aber für viele Alltagsradfahrerinnen und -radfahrer offensichtlich ein erhöhtes Sicherheitsbedürfnis.
In der Studie der Uni Dortmund, auf die Sie mich hingewiesen haben, heißt es dazu ja auch: "Damit eine Abschaffung der innerörtlichen Radwegebenutzungspflicht nicht dazu führt, dass Kommunen auf Anlage von sicheren und attraktiven Radverkehrsanlagen verzichten, zu denen sie bisher durch die VwV zu §2 (4) StVO angehalten waren, sollte in den VwV zu §2 (4) StVO weiterhin die Anlage von Radverkehrsanlagen an Hauptverkehrsstraßen empfohlen werden." Und dies sollten nach meiner Überzeugung nicht baulich abgesetzte Fahrradwege sondern Fahrradstreifen auf den Fahrbahnen sein.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Lühmann
Verkehrspolitischer Sprecher der GAL-Bürgerschaftsfraktion