Frage an Jörg Lühmann von Marc P. bezüglich Verkehr
Hallo Hr. Lühmann,
ich fahre täglich mit dem Fahrrad zur Arbeit und erledige auch sonst fast alle Wege mit dem Rad. Über den oftmals schlechten Zustand der Hamburger Radwege muss ich Ihnen bestimmt nichts erzählen. Selbst die neuen, aus rotem Stein gefertigten Pflasterstein-Wege spürt man ohne gute Federung in jedem einzelnen Knochen.
In den letzten Tagen hat es viel geschneit und die Radwege werden leider bei der Räumung nicht berücksichtigt. Selbst stark frequentierte Velo-Routen rund um die Innenstadt und Alster sind mit dem Rad nur unter Gefahr von Leib und Leben zu befahren. Wenn man mit dem Rad auf die Fahrbahn ausweicht, wird man des öfteren von Autofahrern angehupt oder ohne Sicherheitsabstand mit hoher Geschwindigkeit überholt.
Was sagen Sie zu dieser Situation? Wann bekommt der Radverkehr in Hamburg endlich eine höhere Priorität? Letzendlich ist eine verstärkte Förderung des Radverkehr gut für die Gesundheit der Hamburger und steigert die Lebensqualität aller Bewohner der Stadt.
Vielen Dank führ Ihre Antwort und die besten Grüße,
Marc Pelzer
Sehr geehrter Herr Pelzer,
vielen Dank für Ihre Zuschrift. Die Situation für Hamburgs Radfahrerinnen und Radfahrer ist in der Tat schwierig. Bei Schneefall werden die Bedingungen geradezu katastrophal. Davon, dass Fahrradfahren Spaß machen die Gesundheit fördern soll, ist in Hamburg nicht viel zu spüren. Dabei ist gar nicht einzusehen, warum Fuß- und Radwege bei Schneefall nicht geräumt werden. Ich habe gerade am letzten Wochenende in Bremen gesehen, dass dies sehr wohl möglich ist.
Das Mindeste, was wir aber erwarten dürften, wäre wohl, dass der Senat die Autofahrerinnen und Autofahrer auf die bestehende Rechtslage hinweist und zu mehr Rücksicht ermahnt. Dieses Geschäft überlässt man aber lieber dem ADFC, der zuletzt am 25. Januar eine entsprechende Pressemitteilung herausgab, die ich hier zitieren möchte:
Achtung Autofahrer: Radfahrer dürfen bei vereisten und nicht geräumten Radwegen auf Fahrbahnen fahren. Fahren Sie bitte rücksichtsvoll.
Der ADFC appelliert an Hamburgs Autofahrer sich gegenüber Radfahrern auf den Fahrbahnen rücksichtsvoll zu verhalten. Radfahrer dürfen laut geltender Rechtssprechung (BGH / AZ: III ZR 60/94 vom 20.10.1994) bei vereisten oder nicht geräumten Radwegen auf der Fahrbahn fahren. Hupen und drängeln sind Nötigung und können leicht zu einem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr führen. Stefan Warda, verkehrspolitischer Sprecher des ADFC Hamburg: ?Autofahrer sollten bei Schnee und Eis Vorbilder im Straßenverkehr sein und besondere Rücksicht nehmen auf Radfahrer. Für Radwege gibt es in Hamburg leider keinen Winterdienst. Daher müssen Radfahrer bei diesem Wetter sogar auf Hauptstraßen auf die Fahrbahnen ausweichen.?
Ich stimme Ihnen auch ausdrücklich zu, dass Fahrradfahren einen Beitrag zur allgemein Steigerung der Lebensqualität darstellt: Fahrradfahren verursacht keinen Lärm, produziert weder Abgase noch Feinstaub und beansprucht weniger Platz als andere Verkehrsarten. Wer Fahrrad fährt, tut also sich selbst Gutes und verhält sich umweltfreundlich und stadtverträglich. Deshalb müsste eigentlich jeder Senat ein Interesse an einer wirklichen Förderung des Fahrradverkehrs haben ? auch wenn er von der CDU gestellt wird.
Leider ist das Gegenteil der Fall: Von den CDU-geführten Senaten wurden die Bedingungen für das Fahrradfahren in Hamburg effektiv verschlechtert und die finanziellen Spielräume zur Förderung des Fahrradfahrens durch massive Kürzungen zerstört. Als Ergebnis dieser Politik belegt im bundesweiten Fahrrad-Klimatest von ADFC und BUND Hamburg 2005 den letzten Platz aller 28 getesteten deutschen Großstädte.
Um eine echte Verbesserung für den Radverkehr in Hamburg zu erreichen, haben wir den Antrag ?13 Maßnahmen zur Förderung des Radverkehrs? (Drucksache 18/3771) in die Bürgerschaft eingebracht. Der Antrag ist von der Bürgerschaft zur weiteren Beratung in den Stadtentwicklungsausschuss überwiesen worden.
Ich füge hier den Forderungskatalog des Antrages an:
Der Senat wird ersucht,
1. ein übergreifendes Konzept für ein Alltagsradverkehrsnetz mit Schwergewicht auf Führungen abseits der Hauptverkehrsstraßen zu entwickeln,
2. dafür im Haushaltsplan 2007/2008 den Titel 6300.742.08 wieder einzurichten und mit 700.000 EURO pro Jahr auszustatten,
3. die Kriterien für den Fortbestand der Radwegebenutzungspflicht mit den Fachverbänden, Verkehrswissenschaftlern, der Polizei und den Bezirken öffentlich zu diskutieren um eine einvernehmliche, allgemein akzeptierte Lösung zu erreichen,
4. auf Basis dieser Kriterien unter Beteiligung der Fachverbände, der Polizei und der Bezirke eine genaue Bestimmung der Straßen vorzunehmen, auf denen die Radwegebenutzungspflicht weiterhin gelten soll,
5. die Radverkehrsanlagen, auf denen die Radwegebenutzungspflicht weiterhin bestehen soll, so herzurichten, dass die Kriterien der 24. Novelle der StVO (PLAST 9) eingehalten werden,
6. diese Radverkehrsanlagen konsequent gegen das Abstellen von Kraftfahrzeugen zu sichern,
7. bei entfallender Benutzungspflicht von Radwegen außerhalb von Tempo-30-Zonen benutzungspflichtige Fahrradstreifen auf der Fahrbahn abzumarkieren,
8. alle sich aus der Aufhebung der Radwegebenutzungspflicht neu ergebenden Unfallgefahren aufzuheben, wie sie z.B. aus Kfz-Stellplätzen in "Senkrechtaufstellung" erwachsen,
9. eine Bundesratsinitiative zur verbindlichen Einführung von "Dobli-Spiegeln" für Lkw zu starten, um Unfälle mit Lkw bei Rechtsabbiegevorgängen zu reduzieren,
10. eine Bundesratsinitiative zur Anhebung der Altersgrenze für Kinder, die mit dem Fahrrad auf Bürgersteigen fahren dürfen, von 10 auf 14 Jahre zu starten und die Gehwege entsprechend dem Platzbedarf von FußgängerInnen und RadfahrerInnen herzurichten,
11. bestehende einseitige Behinderungen des Fahrradverkehrs durch Einsatz von Bedarfslichtsignalanlagen (Druckknopfampeln) zu beseitigen,
12. im Haushaltsplan 2007/2008 den Titel 6300.741.02 "Förderung des Radverkehrs?" von jetzt 200.000 EURO auf neu 1 Mio. EURO anzuheben und im Haushaltsplan 2007/2008 den Titel 6300.741.82 "Förderung des Radverkehrs, Rahmenzuweisungen an die Bezirke" von jetzt 0 EURO auf neu 1 Mio. EURO anzuheben, wodurch u.a. die Einrichtung von Radfahrstreifen (Bsp.: Heußweg im Bezirk Eimsbüttel) ermöglicht werden soll.
Mit freundlichen Grüßen
Jörg Lühmann